Landesrat Achleitner
Klare Ansage des Bundes zum Energiesparen fehlt

Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner im Interview mit BezirksRundSchau-Chefredakteur Thomas Winkler: "Man darf aber in der ganzen Krisendiskussion nicht übersehen: Der Wirtschaftsmotor brummt, wir haben Vollbeschäftigung, es arbeiten so viele Menschen wie nie zuvor."  | Foto: Land OÖ/Denise Stinglmayr
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  • Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner im Interview mit BezirksRundSchau-Chefredakteur Thomas Winkler: "Man darf aber in der ganzen Krisendiskussion nicht übersehen: Der Wirtschaftsmotor brummt, wir haben Vollbeschäftigung, es arbeiten so viele Menschen wie nie zuvor."
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Wirtschafts- und Energielandesrat Markus Achleitner ruft im Interview mit BezirksRundSchau-Chefredakteur Thomas Winkler Bevölkerung und Unternehmen zum Energiesparen auf, das ohne Reduktion des Lebensstandards möglich sei. 

BezirksRundSchau: Die Energiepreise sind in ungeahnte Höhen geklettert – welche Entlastungsmaßnahmen sind vom Bund und vom Land OÖ zu erwarten?
Achleitner: Die Energiepreise sind aufgrund dieses wahnsinnigen Krieges in abenteuerliche Höhen geschossen. Oberösterreich hat als erstes Bundesland mit einer Erhöhung des Heizkostenzuschusses reagiert. Das Antiteuerungspaket der Bundesregierung wird jetzt erst mit den Auszahlungen wirksam – ein Haushalt kann mit 1.500 bis 2.000 Euro rechnen. Aber es ist zu befürchten, dass die Energiepreise weiter hoch bleiben. Vorstellbar wäre deshalb eine Strompreisbremse in der Form, dass der Staat 50 Prozent des Vorjahresverbrauchs eines Haushalts subventioniert, aus den teuren restlichen 50 Prozent ergibt sich ein Sparanreiz.

Energiesparen ohne Reduktion des Lebensstandards

Stichwort Sparen: Die politische Diskussion dreht sich ständig um Entlastungen. Wäre jetzt nicht der Zeitpunkt, um die größte Energiesparkampagne aller Zeiten auszurufen?
Ich habe diesen Aufruf bereits vor Wochen gemacht, und viele Gemeinden und Städte sind ihm gefolgt. Es war mir in dieser Hinsicht zu ruhig auf der bundespolitischen Ebene. Der Appell, Energie zu sparen, ist jetzt so richtig, wie nie zuvor. Wer zuhause die Raumtemperatur um ein Grad senkt, spart sechs Prozent Energie, bei einer Reduktion von 23 auf 21 Grad sind es also 12 Prozent. Die billigste Kilowattstunde ist die, die nicht verbraucht wird. Und Strom zu sparen, heißt auch Gas zu sparen, weil ein Drittel des Gasverbrauches in die Stromproduktion fließt. Wirtschaft und Industrie haben gezeigt, was möglich ist – sie haben von Jänner bis Mai zehn Prozent Gas eingespart. Und da ist noch viel mehr drin. Diese klare Ansage fehlt mir auf Bundesebene. Das Einsparen der Energie ist ohne Reduktion des Lebensstandards möglich – ich weiß: Das sehen nicht alle so, ich schon. 

Durch die Berichterstattung der BezirksRundSchau und den Druck von Landesrat Achleitner änderte der Bund die Gesetzeslage, wodurch für private Photovoltaikbetreiber keine Einkommenssteuerpflicht anfällt, wenn sie nicht mehr als 12.500 kWh ins Netz einspeisen und dadurch Einkünfte erzielen. Die neue Rechtslage ist erstmals via Steuererklärung 2022 und somit ab 2023 anwendbar. | Foto: Land OÖ/Denise Stinglmayr
  • Durch die Berichterstattung der BezirksRundSchau und den Druck von Landesrat Achleitner änderte der Bund die Gesetzeslage, wodurch für private Photovoltaikbetreiber keine Einkommenssteuerpflicht anfällt, wenn sie nicht mehr als 12.500 kWh ins Netz einspeisen und dadurch Einkünfte erzielen. Die neue Rechtslage ist erstmals via Steuererklärung 2022 und somit ab 2023 anwendbar.
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Mehr Infos zur Gesetzesänderung im Bericht
Photovoltaik: Steuerpflicht fürs Einspeisen fällt nach BezirksRundSchau-Bericht

Vor dem Hintergrund der Entlastungsdiskussionen stellt sich auch die Frage: Kann der Staat wirklich alles ausgleichen? Oder müssen wir uns damit abfinden, dass der hohe Lebensstandard sinkt und wir alle ärmer werden, wie es der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt hat?
Der Staat kann nicht alles an Teuerungen ausgleichen. Aber jetzt befinden wir uns in einer absoluten Ausnahmesituation. In der muss der Staat eingreifen, um das Leben leistbar und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten. Auch die Energiewende muss in diesem Sinne umgesetzt werden. Ob der Umstieg auf Erneuerbare Energie möglich ist, darf keine Einkommensfrage sein. Deshalb fördern wir bei sozial Schwachen den Umstieg auch mit bis zu 100 Prozent. Aber: Wir müssen nach der Krise von einer gewissen Vollkasko-Mentalität wieder wegkommen, die Ausgaben der öffentlichen Hand zurückschrauben, damit die Schulden nicht auf den Schultern der nächsten Generationen lasten.

Energie- & Wirtschaftslandesrat Achleitner: "Wir müssen nach der Krise von einer gewissen Vollkasko-Mentalität wieder wegkommen, die Ausgaben der öffentlichen Hand zurückschrauben, damit die Schulden nicht auf den Schultern der nächsten Generationen lasten." | Foto: Land OÖ/Denise Stinglmayr
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"Der Wirtschaftsmotor brummt"

Wo steht Oberösterreich in der aktuellen Situation?
Krisen sind immer Tempomacher. Das hat man etwa in der Corona-Pandemie gesehen, als die Digitalisierung explodiert ist. Wenn man der aktuellen Krise etwas abgewinnen kann, dann dass die Frage nach dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern nun mit einem eindeutigen Ja beantwortet wird. Krisen waren in Oberösterreich immer die Zeiten höchster Innovation. Das war schon in der Finanzkrise so oder auch in der Pandemie, als die Landesregierung mit dem Oberösterreich-Plan die richtigen Schritte gesetzt hat. Die Zahl der Forschungsanträge ist in dieser Zeit um ein Drittel gestiegen. Und genau diese Innovation ist die Saat für eine gute Ernte nach der Krise. Man darf aber in der ganzen Krisendiskussion nicht übersehen: Der Wirtschaftsmotor brummt, wir haben Vollbeschäftigung, es arbeiten so viele Menschen wie nie zuvor.

Energie- & Wirtschaftslandesrat Achleitner: "Vorstellbar wäre deshalb eine Strompreisbremse in der Form, dass der Staat 50 Prozent des Vorjahresverbrauchs eines Haushalts subventioniert, aus den teuren restlichen 50 Prozent ergibt sich ein Sparanreiz." | Foto: Land OÖ/Denise Stinglmayr
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Energieversorger wollen Netzausbau

Tempomacher ist die Energiekrise jedenfalls für den Umstieg auf Erneuerbare . Aber die Kritik häuft sich, dass die Rahmenbedingungen fehlen, weil etwa Hausbesitzer keine ausreichende Einspeisemöglichkeit für die von ihnen geplanten größeren Photovoltaikanlagen bekommen. Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Schwierigkeiten beim Ausbau ein Vorwand seien, um die Netze nicht für viel Geld erweitern und dann Fremdanbietern zur Verfügung stellen zu müssen. 
Die Energieversorger und Netzbetreiber wollen den Ausbau absolut – es gibt ja auch einen Rechtsanspruch darauf. Aber ich muss um Verständnis ersuchen, dass das nicht in der Sekunde geht, sondern eben Monate dauert. Oberösterreich erlebt einen wahren Ausbauboom. Die Energiewende ist bei den Menschen, den Unternehmen und der öffentlichen Hand angekommen. Beim größten Netzbetreiber Netz OÖ gab es 2018 3000 Anträge auf Netzeinspeisung. Heuer waren es bis Juni 18.000, bis zum Jahresende werden es zwischen 30.000 und 40.000 sein. Zusammen mit den anderen Netzbetreibern wie der Linz AG in ganz Oberösterreich also 50.000 bis 60.000. Und Oberösterreich hat bereits 50.000 PV-Anlagen auf privaten Dächern. 

Arbeitende Pensionisten als großes Potenzial

Der rasche Ausbau der PV-Anlagen scheitert teils an den dafür geeigneten Fachkräften und insgesamt kämpfen die oberösterreichischen Unternehmen angesichts der quasi Vollbeschäftigung mit einem Arbeitskräftemangel. Sie wollen als eine Maßnahme durch steuerliche Begünstigungen Pensionisten im Arbeitsleben halten oder dorthin zurückholen – wie schnell ist das umsetzbar?
Wir haben deutlich mehr Arbeit als Beschäftigte. Es müsste binnen Jahresfrist möglich sein, einen Vorschlag für ein Jahresmodell mit einem gewissen Ausmaß an Arbeitsstunden oder einer steuerlich begünstigten Höchsteinkommensgrenze zu erstellen – die Fachleute sollen da einen Vorschlag erarbeiten. Wir haben derzeit 8000 mehr offene Stellen als Arbeitssuchende. Durch ein attraktives Modell fürs Arbeiten in der Regelpension – nicht in der Frühpension – könnten etwa 9000 Vollzeitstellen besetzt werden. Zwischen 15.000 und 20.000 Pensionisten in Oberösterreich wären bereit, in ihrem früheren Betrieb Teilzeit zu arbeiten oder auch etwas Neues zu machen. Ein Potenzial, das bisher nicht angeschaut worden ist – es zu heben, wäre eine win-win-win-Situation. Für die Pensionisten, für die Unternehmen und für den Staat, denn das zusätzliche Einkommen der arbeitenden Pensionisten ginge wieder in den Konsum.

Wirtschafts- & Energielandesrat Achleitner: "Durch ein attraktives Modell fürs Arbeiten in der Regelpension – nicht in der Frühpension – könnten etwa 9000 Vollzeitstellen besetzt werden." | Foto: Land OÖ/Denise Stinglmayr
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Neben Pensionisten und Fachkräfte aus dem Ausland sehen Experten bei den Frauen noch großes Arbeitskräftepotenzial. In diesem Zusammenhang gibt es Kritik an einer zu wenig ausgebauten Kinderbetreuung in Oberösterreich.
Das Land Oberösterreich investiert in 100 neue Kinderbetreuungsgruppen und fördert viele Initiativen von Unternehmen, die eine eigene Kinderbetreuung für ihre Mitarbeiter aufbauen. Es ist aber auch eine gewisse Flexibilität gefordert – einerseits von den Eltern, weil es eben gerade in kleineren Gemeinden nicht möglich ist, unmittelbar im Heimatort eine umfassende Kinderbetreuung anzubieten. Andererseits von den Gemeinden, unter denen die Zusammenarbeit sicher ausbaubar ist, um gemeinsam die notwendigen Gruppengrößen zusammenzubringen.

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