Lernen fürs Leben: „Auf das Leben nach der Schule vorbereiten“

- Die Gesprächsrunde: Joachim Haindl-Grutsch (IV OÖ), WKOÖ-Vizepräsidentin Angelika Sery-Froschauer, Michaela Keplinger-Mitterlehner (RLB OÖ), Bildungslandesrätin Christine Haberlander unter der Moderation von Chefredakteur Thomas Winkler (v. l.).
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LINZ. Welchen Wert haben Schulprojekte für den Schulunterricht? Wie soll Schule in Zukunft aussehen, um einerseits Schüler zu begeistern und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu wahren? Diesen Fragen stellte sich eine hochkarätige Diskussionsrunde beim runden Tisch zu der Aktion „Lernen fürs Leben“.
Mit dabei waren Bildungslandesrätin Christine Haberlander, Michaela Keplinger-Mitterlehner (Vorstandsdirektorin der Raiffeisenlandesbank OÖ), Joachim Haindl-Grutsch (Geschäftsführer der Industriellenvereinigung OÖ) und Angelika Sery-Froschauer (Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer OÖ).
Große Einigkeit herrschte in der Runde darüber, dass man junge Menschen im Unterricht verstärkt auf das Leben nach der Schule vorbereiten sollte: „Schüler sollten in praktischen Projekten in Kontakt mit Unternehmen kommen“, ist Haberlander überzeugt von der Wichtigkeit, die Jungen im Unterricht auf das vorzubereiten, „was da draußen auf sie wartet“. Ein „Wirtschaftskompetenz-Unterricht“ beispielsweise, durchgeführt von lokalen Unternehmern, wäre für Sery-Froschauer eine Möglichkeit hierzu. Gegenwärtig allerdings, erklärt Keplinger-Mitterlehner, gäbe es zu viele gesetzliche Einschränkungen, was die Teilhabe von Unternehmen am Unterricht betreffe.
Der Pfad zum Erfolg
In Anbetracht der allgegenwärtigen Digitalisierung und den damit auf uns zukommenden Umwälzungen im Bildungssystem war beim diesjährigen runden Tisch auch das Thema „Schule der Zukunft“ eines der wichtigsten. So reiche es nicht, wie Bildungslandesrätin Haberlander bemerkt, „jedem Kind ein Tablet in die Hand zu drücken“.
„Digitalisierung heißt nicht, einfach nur jedem Kind ein Tablet in die Hand zu drücken.“
Christine Haberlander
Digitale Kompetenzen müssen gezielt an den Schulen vermittelt werden, ist auch Haindl-Grutsch überzeugt. So sollte, nach den Vorstellungen der Industriellenvereinigung (IV), das Programmieren schon in den Volksschulen als Grundkompetenz im Lehrplan verankert werden. „Wer programmieren kann, ist auf dem richtigen Pfad, eine erfolgreiche Karriere hinzulegen“, ist sich Haindl-Grutsch sicher.
„Wer programmieren kann, ist auf dem richtigen Pfad, eine erfolgreiche Karriere hinzulegen“
Joachim Haindl-Grutsch
Der IV-Geschäftsführer sieht zudem Aufholbedarf im Bereich des Wirtschaftswissens. Dabei schlägt er den Bogen zur bevorstehenden Nationalratswahl – „aufgeklärte“ Bürger würden eigenständigere Entscheidungen treffen können und sich vor Wahlen weniger einreden lassen, so Haindl-Grutsch – mehr Wirtschaftskompetenz wäre demnach gut für Land und Leute. Erreichen könnte man diese, indem an Schulen standardmäßig Fächer wie Deutsch und Mathematik mithilfe von Wirtschaftsthemen vermittelt werden, meint Haberlander.
„Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, dass gesetzliche Hürden reduziert werden.“
Michaela Keplinger-Mitterlehner
Raiffeisenlandesbank (RLB)-Vorstandsdirektorin Keplinger-Mitterlehner sieht daneben die Fähigkeit zur Selbstorganisation als äußerst wichtig an. „Auch eine Art Ethik-Unterricht würde vielen sehr guttun“, so Keplinger-Mitterlehner. Man müsse den jungen Menschen gewisse Grundregeln vermitteln und dass man nicht nur Rechte hat, sondern auch Pflichten. Weiters sind, neben den mannigfaltigen technischen, also auch soziale Kompetenzen gefragt.
„Das Schulsystem kann nicht in der Geschwindigkeit reagieren, die die Wirtschaft braucht.“
Angelika Sery-Froschauer
Für die Wirtschaftskammer Oberösterreich (WKOÖ) und die Unternehmen wünscht sich Sery-Froschauer in Zukunft eine Art „Coaching-Funktion“, wie sie sagt, „ohne viel Struktur und Bürokratiedenken“. Die WKO würde aufgrund ihrer zahlreichen Mitglieder aus verschiedensten Sparten ein sehr breites Angebot an Praxiswissen direkt in die Schulen liefern können. Als größtes Hindernis für Neuerungen im Schulsystem und für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft sieht die WKOÖ-Vizepräsidentin das System selbst. Es sei einfach zu träge, so Sery-Froschauer. Einig waren sich alle Teilnehmer der Diskussionsrunde darin, dass im Schulunterricht mehr praktisches Wissen zu Wirtschaftsthemen vermittelt werden sollte. Weiters wünscht man sich verstärkt direkten Kontakt zu Unternehmern und Wirtschaftstreibenden, sodass Schüler bereits früh einen Bezug zum Leben nach der Schule aufbauen können.
„Wir sollten wieder das Kind in den Mittelpunkt der Überlegungen rücken. Alle weiteren Schritte sollten erst auf dieser Überlegung aufbauend gesetzt werden. Das Thema Digitalisierung sollte ernst genommen werden, mit all den versprochenen finanziellen Mitteln. Und es sollte für Schulen einfacher werden, sich mit anderen Systempartnern, wie Unternehmen auszutauschen.“
Christine Haberlander,
Oö. Bildungslandesrätin
„Man sollte einen großen Schritt machen und die Schulverwaltung von der Schulgestaltung trennen – die Häuser von den Köpfen trennen. Damit könnte man einiges bewirken. Und es sollte von der künftigen Regierung als positiv angesehen werden, wenn sich Unternehmen engagieren wollen, um praxisnahes Erleben von Wirtschaft für die Schüler zu ermöglichen.“
Michaela Keplinger-Mitterlehner,
Vorstand RLB OÖ
„Die ewige Struktur-Diskussion im Bildungssystem führt zu gar nichts. Es hängt nicht an einer Schulform, ob das Ergebnis gut oder schlecht ist. Schule sollte viel stärker eigenverantwortlich gestaltet werden können. Und die Lehrer müssten zumindest ein wenig von der Bürokratie entlastet werden, damit sie mehr das tun können wofür sie eigentlich da sind.“
Joachim Haindl-Grutsch,
Geschäftsführer IV OÖ
„Die MINT-Fächer, und die IT- und Medienkompetenzen müssen in die Basisprogramme der Schulen hinein. Weiters würde ich mir eine Entbürokratisierung der Schulstrukturen wünschen. Derzeit dauert es einfach viel zu lange, Gesetze und Verordnungen durchzubringen – dafür haben wir keine Zeit mehr. Wir brauchen mehr Freiraum, damit wir die Schule neu bewegen können.“
Angelika Sery-Froschauer,
Vizepräsidentin WKOÖ
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