Oberwarter Siedlungsgenossenschaft
Alfred Kollar im MeinBezirk-Interview
OSG-Obmann KommR Alfred Kollar sieht auch in schwierigen Zeiten das Positive, um Herausforderungen zu meistern.
BURGENLAND. Die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft ist mit 180 Mio. Euro Umsatzvolumen im Neubau die größte Wohnbaugenossenschaft in Österreich. Sie betreut aktuell über 18.000 Wohnungen und Reihenhäuser.
MeinBezirk.at lud den Obmann KommR Alfred Kollar zum exklusiven Interview über aktuelle Projekte der OSG und die derzeitige Situation in der Baubranche.
MeinBezirk: Was ist aktuell die größte Herausforderung in der Baubranche?
Alfred Kollar: Die Herausforderung schlechthin ist es, das bisher noch nie dagewesene Zusammentreffen aller Negativfaktoren, die einen Bau beeinflussen können, in den Griff zu bekommen. Damit meine ich, dass in den letzten Jahren die Grundstückspreise im Burgenland massiv gestiegen sind, was im Südburgenland weniger dramatisch ist, im Norden hingegen schon. Da war natürlich die Corona-Pandemie ein erster Schubgeber.
Wenn beispielsweise in einer Gemeinde im Güssing die Grundstückspreise pro Quadratmeter um 50 Prozent steigen, dann steigen sie von 10 auf 15 Euro oder 20 auf 30 Euro. Wenn hingegen die Preise in einer Gemeinde im Bezirk Neusiedl am See von 45 oder 50 Euro auf über 200 Euro steigen, dann wirkt sich das auf die Kalkulation unserer Projekte schon enorm aus.
Auch Lieferprobleme und Rohstoffpreise werden immer wieder genannt?
Darüber hinaus kam es aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen zu Lieferproblemen und Rohstoffpreiserhöhungen, die zu Baukostensteigerungen führten. Diese habe ich als Baukostenxplosion bezeichnet, weil es keine normalen Preissteigerungen mehr waren, die mit zwei bis drei Prozent beziffert werden, sondern um ein Drittel im Vergleich zu Vor-Coronazeiten. Baukosten die von 2011 bis 2020 von 1.200 auf 1.700 Euro / Quadratmeter gestiegen sind, sind seit 2020 auf fast 3.000 Euro angewachsen. Wir haben Preissteigerungen von 30 bis 35 Prozent in dieser kurzen Zeit. Somit wir Kalkulierungskosten pro Quadratmeter von 2.600 bis 2.800 Euro, wo wir vor 2020 noch unter 2.000 Euro waren.
Welche Rolle spielen die hohen Energiekosten bzw. die steigenden Zinsen?
Zu den zuvor erwähnten Preissteigerungen sind auch noch die irrationalen Energiekosten gekommen. Aber seit einigen Monaten gibt es noch einen Faktor, der uns Kopfzerbrechen macht - die explodierten Zinsen. Wenn wir im Juni 2023 nun davon sprechen, dass es keine Lieferengpässe im Rohstoffbereich mehr gibt und auch im Angebot wieder "normale" Zeit gibt. Wenn bei einem Projekt in Großpetersdorf von 12 eingeladenen Firmen 9 ein Angebot legen, sind das Werte wie vor Corona. Wir hatten auch schon Zeiten, wo gerade von 12 eines abgaben. Die Firmen kalkulieren auch wieder auf Baudauer, das war in den letzten Jahren nicht der Fall.
Inwieweit sind die Zinsen ein Problem?
Wir haben wie erwähnt, die Baukostensteigerungen einigermaßen in den Griff bekommen. Was uns allerdings sehr schwer im Magen liegt, ist die Zinsenexplosion. Wie stark sich das auswirkt, ist an einem Zahlenbeispiel einfach zu demonstrieren. Bei einem Zinsanstieg von einem Euro erhöht sich die Miete um einen Euro pro Quadratmeter. Wenn die Zinsen von 0,5 / 0,75 Prozent im Vorjahr auf aktuell 4,5 bis 5 Prozent steigen, dann ist das eine Steigerung von gut vier Prozent pro Quadratmeter. Bei einer Wohnung von 80 bis 84 Quadratmeter, die im Vorjahr mit 600 Euro pro Monat kalkuliert wurde, ist jetzt mit über 900 Euro zu kalkulieren.
Was bedeutet das für aktuelle Wohnprojekte?
Das bedeutet im Wohnbau schon, dass wir Projekte zurückstellen und zwar zunächst Frühjahr 2024. Das betrifft vor allem Projekte, bei den die Miete jenseits von 10 Euro pro Quadratmeter. Wir rechnen, dass es zu einer Änderung in der Zinsentwicklung kommen wird. Sie werden wieder sinken, zwar nicht in dem Tempo wie beim Anstieg mit sieben Steigerungen in sieben Monaten und auch nicht mehr auf das ursprüngliche Niveau. Wir rechnen und hoffen, dass sich das Zinsniveau bei 2,5 Prozent einpendeln wird.
Das bedeutet bei vorherigen Beispiel, dass wir von den 900 Euro wieder etwa 200 abziehen können und auch den Lohnanstieg mit heuer im Schnitt über 9 Prozent miteinbeziehen, sind die Wohnungen dann wieder leistbarer. Jetzt ist es tatsächlich ein Thema und unterstützen mit Eigenmittel die Mieter, damit die Mieterhöhungen maximal bis zu 45 oder 50 Euro betragen. Ich denke, dass dies maßvoll und im Rahmen der Leistbarkeit ist.
Wie viele Projekte werden aktuell zurückgehalten?
Aktuell sprechen wir von über zehn Wohnprojekten mit über 100 Wohnungen. Das ist natürlich auch ein Verlust für die Baubranche, da es sich um ein Bauvolumen von 25 bis 30 Mio. Euro handelt, das der Bauwirtschaft fehlen wird. Die Aufträge werden kommen, aber nicht heuer.
Weniger Wohnungen, aber wie sieht es mit Reihenhäusern aus? Hier wird zuletzt von einem Boom gesprochen.
Ein Teil der Verluste wird sicher über die verstärkte Nachfrage an Reihenhäusern und Bungalows abgefedert. Aufgrund der Teuerungen und Zinsenanstiegen - v.a. bei Krediten - von den die Privaten noch stärker betroffen sind, als wir, werden Reihenhäuser als Alternativen zum privaten Hausbau, der kaum noch leistbar ist, immer beliebter. Wir sehen die Tendenz vor allem Mittel- und Südburgenland sehr intensiv, im Nordburgenland - Beispiel Eisenstadt, Neusiedl oder Mattersburg war die Nachfrage immer schon stark, im Süden weniger. Gerade die Form des Doppelhauses, meist eingeschoßig, kommt sehr gut an - bei jungen Menschen, aber auch "Best Ager". Wir bauen etwa doppelt so viele Reihenhäuser wie noch vor fünf Jahren und können so einen Teil des Ausfalls einbringen. Somit haben auch die Firmen Beschäftigung und eine gewisse Sicherheit in dieser schwierigen Zeit.
Wieviel ist für ein Reihenhaus zu rechnen?
Wenn man alle Dinge, die Kosten verursachen - von Anschlusskosten, Anlegerleistungen bis zu Außenanlagen, Garage usw. - zusammenrechnet, ist ein privater Hausbau heute praktisch nicht mehr finanzierbar. Für ein Einfamilienhaus mit rund 120 Quadratmetern liegt man weiter über 600.000 Euro. Für ein Reihenhaus rechnen wir etwa 350.000 bis 380.000 Euro und das ist für viele Junge im leistbaren Bereich. Wir haben ein Miet-Kaufmodell, bei dem nach fünf Jahren die Kaufoption besteht. Und nach zehn Jahren MwSt-befreit ins Eigentum zu gehen. Wir organisieren auch die Finanzierung, es ist zwar ein Baukostenbeitrag zu zahlen, aber um den Rest kümmern wir uns.
Wo werden die Reihenhäuser aktuell besonders nachgefragt?
Wir sehen den Trend, dass es vor allem kleine Gemeinden sind, die immer stärker auch in dem Bereich aktiv werden. Derzeit wird mit Architektin Blasch in Mariasdorf ein Projekt geplant, aber auch in Bildein, Jabing, Deutsch Tschantschendorf, Rehgraben, Oberloisdorf oder Lackendorf entstehen neue Reihenhäuser. Das Reihenhaus ist im Süd- und Mittelburgenland angekommen.
Wie siehst du die Zukunft?
Ich bin jemand, der stets das Positive heraushebt. Ich bin keiner, der seinen Kopf in den Sand steck und sagt, "wir werden jetzt alle sterben, verkauft's mei G'waund, i foahr in Himmel." Wir müssen schauen, wie es weitergeht und was wir aus der Situation machen. Es wird neue Herausforderungen und Möglichkeiten geben. Nächstes Jahr um die Zeit werden wir auf diese schwierigen Zeiten zurückblicken, weil wir das Kostenthema und das Finanzierungsthema bewältigt und trotzdem den Leuten Sicherheit gegeben, dass weiter gebaut wird. Insofern stehe ich der aktuellen Situation positiv gegenüber, weil wir auch diese meistern werden.
Die OSG ist ja im Burgenland als Bauträger die Nummer 1 und auch österreichweit an der Spitze?
Mit dem Bauvolumen im Neubau von 180 Mio. Euro waren wir im Vorjahr wieder der größte Gemeinnützige Wohnbauträger Österreichs und das als kleiner Burgenländer bei 185 Gemeinnützigen. Auch die Großen in Wien, Graz oder Salzburg kamen nicht an diese Größenordnung heran. Es werden kommendes Jahr vermutlich nur um die 130 Millionen sein, aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau., weil 90 Prozent haben auch diese Summen nicht.
Die OSG ist in 158 Gemeinden im Burgenland tätig. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit diesen?
Wir haben die besten Verbindungen zu den Gemeinden und das mit den meisten seit vielen Jahren. Wir haben mittlerweile in 158 Gemeinden Projekte umgesetzt - vom Wohnbau bis zur Schule oder Pflegeheim - und wollen 160 Gemeinden erreichen. Wir haben aktuell einen Verwaltungbestand von 18.000 Wohnungen und Reihenhäusern, somit wohnen über 40.000 Menschen bei der OSG. Das ist mehr als die vier größten Städte im Burgenland - Eisenstadt, Oberwart, Neusiedl und Mattersburg zusammen.
Ein großes Thema ist seit einiger Zeit die "Bodenversiegelung"?
In Zusammenhang mit Klimaschutz und Klimawandel ist das eines, dass uns seit Jahren beschäftigt, ebenso wie Zersiedelung oder Ortskernsterben. Wir haben es uns auf die Fahnen geheftet, genau den Weg zu gehen und auf die Ortskerne zu setzen. Es ist für alle von Vorteil im Ortskern aktiv zu werden. Ein aktuelles Beispiel ist eine ehemalige Pizzeria in Lockenhaus, wo Mitten im Ort aufgrund des Alters der Bausubstanz diese abgetragen wurde und nun ein hochmodernes Wohngebäude mit 12 Wohnungen entsteht, acht sind bereits vergeben. Andere Beispiele sind das "H2" in Oberwart oder SAMO-Center in Markt Allhau. Diesen Weg gehen wir weiter. Das bringt auch den Gemeinden viel. Wenn schon Bestand da ist, dann gibt es auch Wasser, Kanal, Straßen, Beleuchtung usw. Somit entstehen da den Gemeinden keine Kosten mehr. Bei 12 Wohnungen bedeutet das rund 25 Hauptwohnsitzer mehr und das sind ca. 15.000 Euro mehr an Ertragsanteilen. Außerdem ist es fürs Ortsbild gut, wenn Nachnutzungen für alte Gebäude erfolgen. Ein Beispiel in Bernstein ist das ehemalige Hanel-Haus, wo jetzt eine Bäckerei, Café, Büroräumlichkeiten von Karner Haustechnik und sieben Wohnungen entstanden sind. Und dafür wurde kein einziger Quadratmeter neu versiegelt. Wir praktizieren "Ortskerngestaltung" statt "Ortsrandzersiedelung" mittlerweile seit Jahren und werden es auch in Zukunft weiter verfolgen.
Auch Photovoltaik spielt bei den Gebäuden eine große Rolle?
Wir haben als erste Baugenossenschaft vor drei Jahren beschlossen, dass alle Neubauten verpflichtend eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung haben. Wir sind soweit, dass die Mieter das Gefühl haben, mit der PV-Anlage am Dach erzeugen sie ihren eigenen Strom. Wir wollen auch Energiegewinnung und -versorgung mit Wärmepumpenlösungen erzielen - meist sind es Luftwärmepumpen, gelegentlich auch Erdwärmepumpen, aber auch mit Biomasse, Nah- und Fernwärme. Das setzen wir konsequent um. Wir versuchen auch im Bestand aus Öl und Gas auszusteigen. Es gibt noch ein paar ölbeheizte Anlagen, aber die sind nur noch sehr wenige. Wir sind aber stets bemüht, den Bestand umzustellen.
Ein wichtiger Punkt ist auch "Grün" in dem Zusammenhang. Während früher alibimäßig oft ein paar Bäume oder Sträucher gesetzt wurden, um die Außenanlage "zu gestalten", sieht man deutlich, dass uns die Gestaltung dieser Begegnungszonen sehr am Herzen liegt. Uns ist wichtig, dass es attraktiv ist und ein Wohlgefühl erzeugt.
Gibt es in dem Bereich ein besonderes Projekt?
Ein Vorzeigeprojekt ist sicher in Pinkafeld am ehemaligen Kasernengelände, wo derzeit der letzte Bauabschnitt im Gange ist und dieser voraussichtlich Ende August oder im September übergeben wird. Wir haben das Areal 2014 erworben und mit der Umsetzung 2015 begonnen und haben uns sozusagen selbst überholt, weil wir bis 2025 abschließen wollten. Es wird mit allen Beteiligten im September auch eine Feier dazu geben.
Es ist dort in acht Jahren ein neuer "Stadtteil" entstanden. Wir haben 126 Wohnungen und 26 Reihenhäuser errichtet. Somit werden dort etwa 320 bis 330 Leute wohnen, das entspricht etwa einer Größenordnung von Hochart. Es ist auch ein attraktiver neuer "Ortsteil" geworden. Wir haben dabei auf ein paar Häuser verzichtet und mehr Freiraum mit Eigengärten geschaffen, wo "Urban Gardening" auf 16 Feldern ermöglicht wird. Damit erhielt das Areal mehr Charakter. Pinkafeld ist wirklich ein gutes Beispiel, da es viele Themen bespielt - Nachnutzung, Fernwärme und Solarenergie, viel Grün und die Unternehmen, die am Bau beteiligt sind, stammen großteils aus der Region und sogar aus Pinkafeld selbst. Dort können wir unseren Slogan "Wir bauen Burgenländisch" zu nahezu 100 Prozent belegen. Auch die Arbeiter kommen fast alle aus der Region.
Welche größeren Projekte werden sonst heuer noch fertig?
Es gibt einige Projekte, auf die wir aufgrund der schon erwähnten Dinge wie Nachnutzung, Ortskerngestaltung, Vermeidung von Bodenversiegelung oder Ökologisierung stolz sind. Da ist natürlich "Die Erbse" in Bruckneudorf, wo aus einer Erbsenfabrik ein neue Volksschule, Wohnungen, Veranstaltungssaal und ein neuer Hauptplatz entstanden sind. In Pinkafeld als Beispiel die ehemalige Obstverwertung, wo auch das Gebäude attraktiv ausschaut, aus der nun ein Studentenwohnheim für 30 Schüler wurde. Wir haben den Umbau der Bürgerschule in Güssing, wo acht Wohnungen und eine Ordination sowie ein Büro für "Rettet das Kind" in wunderschönem Ambiente in Hauptplatznähe entstanden sind. Wir bauen für die Gemeinde Parndorf eine Veranstaltungshalle im neuen Siedlungsgebiet in Richtung Kittsee mit über 150 Wohnungen und Reihenhäusern der OSG und etwa ebensoviel Einfamilienhäusern. Mit Nagelreiter haben wir auch einen Nahversorger ins Boot geholt.
Wir stehen auch kurz vor der Übergabe der neuen Wohn- und Geschäftsanlage im ehemaligen Lagerhaus in Eisenstadt, wo auch selbst unser Büro haben. Dort entstanden 27 Wohnungen und 14 Büros bzw. Ordinationen. Es war mit rund 22 Mio. Euro eines unserer größten Einzelbauvorhaben. Wir haben den zweiten Bauabschnitt des MEZ mit 38 Wohnungen und vier Büros in Mattersburg in Bau. Das MEZ sah schon aus wie ein verlassenes Westerndorf. Wir werden in Oberwart das "H2" im Laufe des heurigen Jahres fertigstellen. Am Hauptplatz entstehen 36 Wohnungen und ein Gewerbebereich direkt an der Kreuzung. Wir haben Ende Mai das neue Pflegeheim in Schandorf übergeben. Es ist ein Haus der neuen Generation. Wenn man hinfährt, meint man, man fährt in eine Hotelanlage und nicht in ein Altenwohnheim. Ähnlich ist es auch in Zurndorft, wo ebenso etwa 60 Betten entstanden und vom Arbeiter Samariterbund betreut wird. Wir haben in Olbendorf eine Großbaustelle mit der Erweiterung des Altenwohn- und Pflegeheims von 30 auf 65 Betten. Wir bauen die dritte Stufe der Wohnungen und zweite Etappe der Reihenhäuser. Geplant sind auch Betreute Wohnungen, sobald das Zinsenproblem sich ein wenig gelegt hat. Herausragend ist sicher auch das Projekt in Deutschkreutz. Wir haben in Zentrumsnähe auf rund 3.000 Quadratmeter eine Polizeiinspektion, 21 betreute Wohnungen und eine Arztpraxis sowie Physiotherapeutin in einem Multifunktionsgebäude untergebracht. Bis Ende des Jahres soll das Projekt fertig sein. Es ist noch immer viel in Bewegung. Stillstand gibt es keinen, das sind wir auch unseren Partnern auch schuldig - von den Gemeinden übers Land bis hin zu den Partnern in der Wirtschaft.
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