Erweiterung KZ-Gedenkstätte Gusen
Bürgerbeteiligungsprozess baut Vertrauen auf
Dialog statt Konfrontation. Kommunikation auf Augenhöhe anstatt kaum durchdachter und halbherzig verordneter Gedenkkultur "von oben" abseits des "offiziellen" Mahnmals KZ Mauthausen: Über viele Jahre gerieten Opferverbände, nationale und internationale Interessen regelmäßig mit den ignorierten Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung in Gusen und St. Georgen in Konflikt. Die anstehende Erweiterung der Gedenkstätte nach dem erfolgten Grundstückskauf verfolgt einen besseren Weg : In einer ganzen Reihe von Workshops und Treffen aller relevanten Gruppen werden, begleitet von Experten von Mauthausen Memorial, Vertrauen auf- und wechselseitige Vorbehalte und Befürchtungen abgebaut. Am vergangen Samstag standen die Anliegen der Bürger von Gusen im Fokus.
LANGENSTEIN. Die Republik Österreich kaufte im März dieses Jahres Grundstücke im Bereich des ehemaligen KZ Gusen, unter anderem zwei ehemalige SS-Baracken, die Ruinen des riesigen Schotterbrechers und Teile des Appellplatzes an. Man setzte damit einen seit Jahrzehnten überfälligen Schritt, um das verwahrloste und konfliktbeladene Areal auf würdige Weise zugänglich zu machen und die damit wachsende KZ-Gedenkstätte Gusen in pädagogisch zeitgemäßer Weise neu aufzustellen.
"Keine Mauthausen-Kopie in Gusen!"
"Gusen ist völlig anders als das exponiert außerhalb das Ortes liegende KZ Mauthausen. Daher wird es definitiv auch keine Mauthausen-Kopie hier geben. In Gusen leben manche Bewohner Zaun an Zaun mit dem künftigen Gedenkareal, haben es aber noch nie betreten. Es war ja alles Privatbesitz und Industriegelände. Viele Anrainer kennen Hintergründe zu Plätzen und Gebäuden nur vom Hörensagen, kämpfen aber mit ganz realen Problemen wie Menschenmassen aus aller Herren Ländern und einer Verkehrslawine samt tagelang zugeparkter Siedlungsstraßen bei den Befreiungsfeiern. Oder mit dem Unverständnis mancher Besucher, warum auf einem Ort des Leidens ihrer Angehörigen ganz normale Häuser, Gärten und Spielplätze stehen", schildert Bernhard Mühleder, Pädagoge bei Mauthausen Memorial.
Inputs sammeln und Dialog starten
Gemeinsam mit seinem Kollegen Robert Vorberg, er ist Kurator an der Gedenkstätte Mauthausen, widmete er sich am 26. November im Gemeindeamt Langenstein einen ganzen Tag lang genau dieser Thematik. Jeder interessierte Bürger konnte Anliegen, Ideen, Sorgen und Erwartungen persönlich einbringen. Neben dem Austausch in Kleingruppen und Impulsreferaten verschiedener Experten bot eine gemeinsame Begehung der erworbenen Grundstücke ideale Gelegenheit, sich aus erster Hand zu informieren. Das Resümee der beiden Workshopleiter ist positiv:
"Man merkte, bei aller Unterschiedlichkeit der eingebrachten Themen und Betroffenheiten, sehr deutlich, dass umfassende Information und das Abholen der Menschen an ihrer jeweiligen Position viel Druck aus dem Prozess herausnimmt. Wir sind mit fünf Interessensgruppen in intensivem Austausch: National mit den direkten Grundstücksnachbarn, den Anrainern in Gusen und St. Georgen sowie mit Vertretern der österreichischen Opferverbände, zu den etwa auch Sinti- und Roma gehören, ebenso aber Plattformen wie das Gedenkdienstkomitee Gusen. International kommunizieren wir mit den Opferorganisationen unzähliger Länder sowie deren offiziellen diplomatischen Vertretungen" skizziert Bernhard Mühleder den aktuellen Stand.
Masterplan bis Sommer 2023
Aus allen Puzzleteilen der Interessensgruppen im In- und Ausland sollen nun bis Mitte 2023 gestalterische, inhaltliche und funktionale Rahmenbedingungen für einen darauffolgenden Wettbewerb erarbeitet werden. Wichtig ist den Projektverantwortlichen vor allem eine eingehende Analyse und Reflexion: "Die Gestaltung und pädagogische Darstellung der neuen KZ-Areale in Gusen ist derzeit noch völlig ergebnisoffen. Es geht letztendlich um einen Begegnungsraum, in dem sich alle am Prozess Beteiligten wiederfinden. Wer sich ernst genommen fühlt, wird sich auch positiv und proaktiv in das Projekt einbringen und die gemeinsame Lösung als Meinungsbildner weitertragen."
Weitere thematisch relevante Beiträge rund um das KZ Gusen
- Würdigung für einen unermüdlichen Mahner (18. 05. 2022)
- Gusen 2022: Neuer Aufbruch, neue Mahnung (16. 05. 2022)
- Bundespräsident und Regierung: Gusen ist Mahnung und Auftrag (05. 05. 2022)
- Ehemaliges KZ Gusen: "Kein Geheimnis hinter dem Geheimnis" (16. 10. 2021)
- Züge ans Ende der Menschlichkeit (18. 03. 2021)
- "Kein Drüberfahren in Gusen ohne intensive Bürgereinbindung!" (18. 01. 2020)
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.