Designtrend schafft Hitzepole
Öko-Desaster: Schotterwüsten im Vorgarten

Eindrucksvoller Temperaturvergleich an einem Hitzetag mit 37°C:  Über 60° am Schotter, angenehmes Klima im Pflanzenbeet. | Foto: Mouvement Ecologique Luxemburg,
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  • Eindrucksvoller Temperaturvergleich an einem Hitzetag mit 37°C: Über 60° am Schotter, angenehmes Klima im Pflanzenbeet.
  • Foto: Mouvement Ecologique Luxemburg,
  • hochgeladen von Eckhart Herbe

Hitze und Sturzfluten der vergangenen Wochen sind gekommen, um künftig noch extremer und länger zu bleiben. Immer heißer werdende Ballungsräume investieren in Bäume, bepflanzte Fassaden und Dächer, Entsiegelung und intelligentes Regenwassermanagement. Doch während sich schwitzende Städter ins ländlich grüne Idyll sehnen, breitet sich gerade dort ein verhängnisvoller Trend aus: Die Verwandlung zehntausender "Gärten" in hitzeflirrende, ökologisch wertlose Designerwüsten. In mehreren deutschen Bundesländer schon verboten, ist Problembewusstsein dafür in Österreich noch kaum vorhanden.

Mährobotergeeigneter Rollrasen ohne ein einziges Blümchen. Maßgetrimmte, garantiert insekten- und vogelfreie Thujenhecken. Dazu bunter Dekosplit auf wasserundurchlässigem Plastikvlies im Vorgarten. Ergänzt vielleicht durch einige Felsbrocken, auf denen man im Sommer Spiegeleier braten kann, und ein paar asiatische Steppengräser, die keinem einzigen Tier Nahrung spenden. Alles stylisch und aufgeräumt, keine Arbeit damit. Hoffnungsvoll keimenden Kräutern aus angewehten Samen macht Roundup den Garaus. Dumm nur, das selbst die bunten Wüstensteine in wenigen Jahren fleckig und unansehnlich sein werden. Das Unkraut kommt trotzdem und auch das nächste Unwetter, welches die kunstvoll arrangierte Pracht als Beschäftigung für die Feuerwehr davonschwemmt.

Artensterben in den "Gärten des Grauens" 

"Gärten des Grauens" nennt sie der Biologe Ulf Soltau, der eine gleichnamige satirische Facebook-Seite startete. Diese genießt mittlerweile Kultstatus und ist Rotes Tuch für Ökomuffel und Klimaleugner. Obwohl etwa nachstehendes Beispiel einer großflächig versiegelten Gemeinde in Deutschland sogar Hardcore-Grünhasser beeindrucken sollte:

"Die steigende 'Verwüstung' unserer Gärten führt neben Klimawandel und Intensivlandwirtschaft zu einem erschreckenden Artensterben - 75 bis 80%(!) Verlust an Biodiversität", sagt Insektenspezialist Fritz Gusenleitner aus St. Georgen/Gusen, pensionierter Experte des Biologiezentrums Linz.  "Wo guter Boden zerstört und artenreiche Vegetation vernichtet wird, sterben Mikroorganismen und wichtige Nahrungspflanzen; die Existenzgrundlage für Insekten und Bodenbewohner. Ohne diese finden Vögel, Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger wie Igel kein Futter. Bäume und Blumen werden nicht bestäubt, damit gibt es keine Früchte. Schädlinge nehmen dafür überhand, weil Fressfeinde fehlen. Ganz davon zu schweigen, dass jede gesunde Wiese oder ein heimischer Laubbaum hochwirksame Hitzeschilde sind. Durch CO2 -Bindung, Feuchtigkeitsabgabe und Beschattung sind sie ungleich wertvollere Verbündete für lokales und globales Wohlfühlklima als ein biologisch verödeter Rasen oder eine Hecke, die weder blüht noch Nützlingen Unterschlupf und Nahrung bietet." 
Zum Vormerken: Fritz Gusenleitner hält zum Thema Verlust an Biodiversität am Beispiel der Bienen und nutzbringende Maßnahmen jedes Einzelnen dagegen am 15. September um 19 Uhr einen sicher spannenden Vortrag im Aktivpark 4222.

Hitzeinseln statt Gartenidyll

Neben biologischer Verödung wachsen straßenseitig aus grauen Schotterwüsten enorme Hitzeinseln. Schon wenige Quadratmeter Split-Ödnis oder betonierte und gepflasterte Areale schaffen einen Backofen rund ums Haus. Hält natürliche Bepflanzung Boden und Wände selbst im Hochsommer kühl, so schnellt das Thermometer bei deren Fehlen auf das zwei bis dreifache hoch. 70°C und mehr sind keine Seltenheit. Die Hitze steht als See über den Flächen, dringt beim Lüften in die Wohnräume und mutiert beschauliche Wohnstraßen zu Schweißalleen. Drastische Vergleiche mit einer Wärmebildkamera, die luxemburgische Umweltschützer kürzlich publizierten (mehr dazu hier) sollen Bewusstsein schaffen, das bei uns gerade am Land noch völlig fehlt.

Horrorgärtenverbot in Deutschland

Auch Deutschland wird großflächig heißer. Dort reagieren Bund, Länder und Gemeinden bereits. In Bremen, Hamburg, Baden Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen beschränken Landesgesetze kommunale und private Schotterwüsten drastisch. Hessen, Thüringen und NRW wollen nachziehen. In den anderen Ländern dürfen Städte und Gemeinden nun regionale Verbote und Vorgaben in ihre Bauordnungen schreiben.
In Österreich fanden sich trotz intensiver Recherche, abgesehen von einigen auf Freiwilligkeit beruhenden Beschränkungen oder von Gemeinden und Städten in Eigeninitiative beschlossenen Öko-Maßnahmen, überhaupt keine verbindlichen Regeln. Diese wären aber gerade in den wuchernden Speckgürteln rund um die Städte, in einem flächenmäßig kleinen Land, wo wertvoller Boden zunehmend zur Mangelware wird, längst überfällig.

Steingarten oder Magerwiese statt Schotterwüste

"Kein Garten muss eine Wüste sein", appelliert Biologe Gusenleitner. "Weg mit dem Bodenvlies und eckigem Splitt. Nährstoffarmen Boden wie bei einer Magerwiese schaffen und dabei stickstoffbindenden Klee (bildet Humus) und Staunässe unbedingt vermeiden: damit lassen sich mit wenig Aufwand tolle, pflegearme und gleichzeitig klimaaktive Blickfänge für das ganze Jahr schaffen. Dekorativ im Vorgarten sind schöne, verschieden große Kiesel aus der Donau auf einem Magersubstrat aus gut durchmischtem Sand, feingekörntem Schotter und ein bisschen unkrautfreiem Kompost als Anwachshilfe. Zum "Landschaftsbauen" eignet sich dekoratives Schwemmholz. Das ist ideal als Insektenhotel. So entsteht rasch ein artenreiches, dauerblühendes und pflegearmes Biotop."
Geeignete - heimische(!) - Pflanzensamen, blühende Bodendecker und niedrige Stauden für Trockenbeete schaffen eine Oase. Humusgewohntes Unkraut wird im Magerboden kaum zum Problem. Gusenleitners Blumentipp sind verschieden Glockenblumenarten, die sich nicht nur selbsttätig vermehren und lange Zeit blühen, sondern (Wild)Bienen neben Nahrung auch Übernachtungsplätze in ihren Kelchen bieten. Gestaltungsideen gibt es in vielen Gartenbüchern und natürlich online . Einige sehr dekorative und schnell umsetzbare Vorgartentipps samt downloadbaren Checklisten finden sich z.B. hier.

Pflegleichter Bio-Vorgarten im Selbstversuch

Dass sich natürliche Gartengestaltung lohnt, erlebt der Autor dieses Beitrags derzeit im Eigenversuch: Der Mitte März mit selbst gesammelten Kieselsteinen und Schwemmholz angelegte und mit insektenfreundlichen Blumen, Stauden und Sträuchern bepflanzte Vorgarten erweist sich als sehr robust und durchgehend dekorativ. Unkrautwuchs hält sich in engen Grenzen und auch mehrere Hitzewellen haben bis dato keinen Schaden angerichtet. Im Schwemmholz sind Wildbienen und Käfer eingezogen und eine dort wohnende  Kröte hält Schnecken und andere Schädlinge in Schach.  Nachstehende Bilderstrecke von März bis Mitte August illustriert die Entwicklung.

Interessante, skurrile und nutzbringende Links

Gärten des Grauens
Bereits Kultfaktor hat die satirische Facebookseite des Biologen Ulf Soltau, welche laufend die bizarrsten Steinwüsten im Vorgarten präsentiert und regelmäßig den  #TerrorGardening Award für besondere Verwüstung vergibt. Mittlerweile auch als gleichnamiges Buch erhältlich (ISBN 978-3-8479-0668-1) samt Fortsetzung "Noch mehr Gärten des Grauens" (ISBN: 978-3-8479-0075-7), beide Eichborn Verlag.

Hitzevergleich Bepflanzung <=> Schottergärten und Betonfassaden 
Spannender Beitrag und viele interessante Downloads und Tipps für klimafreundliche Gärten von der luxemburgischen Umweltorganisation Mouvement écologique

Vorgartenreport Naturschutzbund (Nabu)
Die größte Umweltschutzorganisation Deutschlands bietet umfangreiche Infos zum Thema. Außerdem: Tolle detaillierte Anleitungen, um pflegeleichte wunderschöne  Öko-Vorgärten zu gestalten oder bestehende Schotterwüsten zu rekultivieren.

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