100 Jahre Republik Österreich
"Herr Chef, holen's mi oba!"

Die Lawine zerstörte den gesamten zweiten Stock und verschüttete mehrere Hausgäste. | Foto: Peter Radacher
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  • Die Lawine zerstörte den gesamten zweiten Stock und verschüttete mehrere Hausgäste.
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Ereignisse die die Region erschüttern hat jeder Bezirk, besonders in den alpinen Lagen des Pongau gab es immer wieder Erlebnisse die im Gedächtnis bleiben. Vor etwas mehr als 50 Jahren wurde das Arthurhaus von einer Lawine getroffen.

MÜHLBACH. Im Gebiet rund um den Hochkönig gehen im Winter immer wieder Lawinen ab. Bis zum 20. März 1967 blieb das Arthurhaus bei Mühlbach am Hochkönig verschont.

Die Lawine schlägt ein

Bereits fünf Tage vor dem Unglück hatte es heftig geschneit. Etwas über zwei Meter Neuschnee waren auf der festgefrorenen Harschschicht. Die Gesamtschneehöhe betrug 2,80 Meter. Am Abend des 20. März schlug eine Staublawine mit zirka 300 Kilometer pro Stunde in das voll besetzte – zirka 40 Personen – Arthurhaus, das dabei stark beschädigt wurde. "Ich sitze noch mit Gästen im Speisesaal, auf einmal werden die Fenster weiß, es kracht und die Lawine ist mitten herinnen im Haus", sagt Peter Radacher, der damalige Wirt. Der nordseitige Giebel, der alte Stiegenaufgang und der Großteil des zweiten Stocks wurden zerstört. Der gemauerte Vorbau und die Stützpfeiler des Neubaus wurden weggerissen.

Von einem Bett zum nächsten

Peter Radacher erinnert sich, dass es, durch den eingedrungen Schnee, keine Möglichkeit gab durch das Haus selbst zu den eingeschlossenen Gästen zu kommen. Gleichzeitig sammelte sich das Wasser aus den gerissenen Leitungen und die Elektroleitungen im Altbau waren ebenfalls zerstört. Die Bergung musste daher von aussen durchgeführt werden. Der Schnee lag bis zum zweiten Stock des Arthurhauses. Peter Radachers Frau eruierte wieviele Gäste vermisst wurden, das waren beinahe alle aus dem zweiten Stock. Der Schnee reichte an der Außenwand bis zum zweiten Stock hinauf."Ich wusste wo die Stirnseite der Betten war, so grub ich dorthin einen Kanal, bis ich den Kopf des Verschütteten erreichte. Wenn dieser noch atmete, gruben ihn andere Helfer weiter aus und ich versuchte mein Glück beim nächsten Bett", erzählt Radacher. "Die Zimmer waren angefüllt mit Schnee nicht einmal mit einem Kompressor hätte man soviel hinein gebracht."

Mit der Säge befreit

Als fast schon alle Gäste gerettet waren, fiel auf, dass noch ein Ehepaar mit Kind fehlte. Diese schliefen an der Ostseite des Hauses. Frau und Kind waren in den Betten einigermaßen geschützt. Der Mann wurde durch die Schneemassen gegen den Kleiderkasten gedrückt. Die Lawine erwischte die Familie von oben. Peter Radacher entschied sich von der Rückseite des Nachbarzimmers genau hinter dem Kasten ein Loch mit der Motorsäge zu schneiden. "Durch den Lärm der Motorsäge war sein Schreien, nicht zu hören, er muss wohl Höllenqualen erlitten haben, der Lawine entronnen aber mit der Säge zerstückelt zu werden! Nun, ich war vorsichtig, schnitt mit dem Sägeblatt nicht zu weit in das Nachbarzimmer, der Mann wurde ohne Schnittverletzungen geborgen", schildert Peter Radacher.

"Wie einzementiert"

Die restlichen Übernachtungsgäste befanden sich während des Lawinenabgangs bereits in ihren Betten. Unter den Decken hatten sie noch etwas Wärme und Luft bis zu ihrer Rettung. Die damals 21-jährige Gertrude Höfler war eine der Verschütteten: "Ich wurde in meinem Bett unter meiner Tuchent unter den Schneemassen begraben. Ich fühlte mich wie einzementiert, war aber zum Glück durch die Matratze und die Bettdecke vor der Kälte geschützt und hatte Luft zum Atmen. Peter Radacher hat mich und viele andere seiner Gäste eigenhändig ausgeschaufelt und gerettet."

"Holen's mi oba"

Das Stubenmädchen Roswitha schlief mit ihrer Kollegin in einem Zimmer an der Nordfront des Arthurhauses. Das Dach über ihren Zimmer wurde durch den Luftdruck weggerissen, der Sog der Lawine ergriff Roswitha und schleuderte sie zehn Meter über das Dach. Dort steckte sie neben dem Kamin im Schnee fest, ohne einen Kratzer. Radacher saß beim Einbruch der Schneemassen mit Gästen im Speisesaal. Durch das zertrümmerte Fenster stieg er in den Sturm und die Finsternis hinaus wo er die Schreie des Stubenmädchens hörte: "Herr Chef! Herr Chef, holen's mi oba!" Der schickte dann nach seinem Skilehrer Höll Juss. Nach einer halben Stunde konnte die arme Roswitha endlich ausgegraben werden.

Von Schreien geweckt

"Juss Hilf ma!" habe das Stubenmädchen dauernd geschrien, weil sie Juss Höll draußen Arbeiten sah. Als die Lawine auf das Haus traf war dieser auf seinem Zimmer im ersten Stock und schlief bereits. "Am meisten irritiert hat mich das Schreien der Frauen, von den Müttern, die nicht zu ihren Kindern kommen. Wenn du so um ein Leben schreist, so ein Schrei ist schon bitter", erzählt Höll. Auch seine Zimmertür war durch den Schnee blockiert, weshalb er aus dem Fenster musste. Er selbst habe auch großes Glück gehabt, denn normale schlief er in einer Hütte etwas entfernt vom Arthurhaus und benützte das Zimmer nur in Ausnahmefällen. "Der Peter hat schon gemerkt, dass da etwas kommt und noch zu mir gesagt 'Bleib heute lieber herunten'", erzählt Höll. Ansonsten wäre er vielleicht noch etwas sitzen geblieben und wäre dann in seine Hütte gegangen, dann hätte es ihn genau erwischt vermutet Höll. 

Nur eine Beckenprellung

Gegen ein Uhr morgens konnte die letzte Vermisste geborgen werden. Das zweite Stubenmädchen wurde von den herunterfallenden Balken des Daches eingeklemmt. Zuerst wurde ein Beckenbruch vermutet, doch nach dem sie mit der Motorsäge befreit worden war, stellte sich heraus das es nur eine Beckenprellung war. Dies war die schwerste Verletzung dieser Nacht.

Notlazarett in der Küche

Durch den Aufprall der Lawine hatte es die Wasserleitungen und Heizungsrohre zerrissen. Der Großteil des Hauses war ohne Strom, doch durch die Eigenstromversorgung gab es zwei getrennte Stromkreise. Jener der Strom für die Küche lieferte war noch intakt. So wurden die großteils bewusstlosen Geborgenen in die Küche gebracht, wo es Licht und durch den Ölherd Wärme gab. Zufällig waren an diesem Abend drei Ärzte zu Gast, einer von ihnen hatte alle benötigten Medikamente bei sich. Die Drei brachten die Geborgenen wieder auf die Beine. Während Radacher und seine Helfer die Vermissten suchten und bargen, kümmerten sich die Ärzte im Notlazarett um diese.

Schutzengel

"Ich kann mich erinnern, mein Vater war damals auch schon betagt und der war ganz verzweifelt, dass kein Mensch mehr als Gast kommen würden", sagt Peter Radacher. Über den nächsten Sommer bauten die Radachers wieder alles auf und im Herbst habe sich schon niemand mehr daran erinnert. Danach wurden verstärkt Lawinenwälle gebaut. Die Lawine von 1967 war bis dahin die einzige die bis zum Arthurhaus kam und ist es bis jetzt geblieben. Juss Höll sagt ganz richtig: "So viele Schutzengel, wie wir da hatten das war ein Wahnsinn."

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