European Health Forum Gastein
"Der Föderalismus ist ein Elend"

v.l.: Herwig Ostermann, Moderatorin Britta Blumencron, Ulrike Königsberger-Ludwig, Johannes Rauch und Clemens Martin Auer | Foto: Johannes Brandner
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Teure Therapien, alternde Gesellschaft, fehlender Nachwuchs: Das österreichische Gesundheitssystem steht unter Druck. Beim European Health Forum Gastein diskutierten Spitzenvertreter aus Politik und Gesundheitswesen über notwendige Reformen – von neuen Finanzierungsmodellen über eine Neuordnung der Zuständigkeiten bis hin zu mehr Prävention. Einigkeit herrschte vor allem in einem Punkt: Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt für große Veränderungen.

BAD HOFGASTEIN. Österreichs Gesundheitssystem gilt im internationalen Vergleich als leistungsfähig – und doch wächst die Sorge, dass es in seiner jetzigen Form nicht mehr lange finanzierbar ist. Diese Diagnose stellten führende Gesundheitsexperten am Rande des European Health Forum Gastein (EHFG). In der Diskussion mit Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), dem ehemaligen Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), Clemens Martin Auer (Präsident des EHFG) und Herwig Ostermann (Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH) wurde deutlich: Ohne tiefgreifende Reformen droht das solidarische System ins Wanken zu geraten.

„Die Menschen verlieren Vertrauen“

Königsberger-Ludwig betonte, dass Österreich zwar eines der besten Gesundheitssysteme Europas habe, das Vertrauen der Bevölkerung jedoch schwinde: „Das ist die größte politische Herausforderung – die Menschen müssen wieder das Gefühl haben, dass sie sich auf unser System verlassen können.“ Gerade die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig transparente Kommunikation sei. Maßnahmen müssten nachvollziehbar erklärt werden, sonst gehe Akzeptanz verloren.

Neben dem Vertrauensverlust nannte die Staatssekretärin drei weitere Kernprobleme: die zunehmende Alterung der Gesellschaft, die steigende Spezialisierung der Medizin mit hohen Kosten sowie den zu geringen Stellenwert der Prävention. „Nur rund fünf Prozent unseres Gesundheitsbudgets fließen in Vorsorge. Das ist viel zu wenig“, so Königsberger-Ludwig. Sie sprach sich dafür aus, Prävention und Gesundheitsförderung massiv auszubauen, um langfristig Kosten zu senken und die Lebensqualität zu erhöhen.

Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig | Foto: Johannes Brandner
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Finanzierung: Streit um neue Modelle

Besonders kontrovers wurde die Frage der Finanzierung diskutiert. Königsberger-Ludwig stellte klar: „Wenn wir unser solidarisches Gesundheitssystem sichern wollen, müssen wir auch über neue Einnahmequellen reden.“ Sie nannte dabei ausdrücklich Vermögens- und Erbschaftssteuern – eine Forderung, die bereits im SPÖ-Wahlprogramm stand und im Regierungsalltag regelmäßig für Konflikte sorgt.

EHFG-Präsident Auer wiederum hält wenig von nationalen Steuern: „Wir brauchen eine multilaterale Steuerpolitik. Es reicht nicht, nur in Österreich neue Abgaben einzuführen. Wir müssen international darüber reden, wie etwa Finanzströme, Datenverwendung oder Robotik besteuert werden.“ Dass diese Debatte in der Politik noch kaum angekommen sei, sei für ihn „befremdlich“.

"Föderalismus ist ein Elend"

Ehemalige Minister haben es oft leichter, Klartext zu reden. Johannes Rauch sprach offen von einem „Elend“: „Dass Bund und Länder gemeinsam für Gesundheit zuständig sind, lähmt jede Reform.“ Er plädierte für eine Finanzierung aus einer Hand und eine Zusammenlegung aller Sozialversicherungen. Kleinere Reparaturen am bestehenden System würden nicht mehr reichen. „So, wie es jetzt läuft, wird uns das Geld in den nächsten Jahren ausgehen“, warnte er.

Clemens Martin Auer und Johannes Rauch | Foto: Johannes Brandner
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Auch Ostermann stellte klar, dass die demografische Entwicklung die Sozialsysteme massiv belaste. Während die Finanzierung von Pensionen und Pflege durch Anpassungen langfristig noch leistbar erscheine, seien die Gesundheitsausgaben deutlich schwerer zu kontrollieren. „Wir müssen uns fragen, wie wir unser System nachhaltig gestalten können“, sagte er.

„Jetzt ist das Zeitfenster offen“

Ein Punkt, in dem sich alle einig waren: Der Zeitpunkt für Reformen könnte günstiger kaum sein. Da in den kommenden zwei Jahren keine großen Wahlen anstehen, sei der politische Spielraum größer. „Es braucht Mut, die großen Würfe anzugehen – auch mit wechselnden Mehrheiten im Parlament“, so Rauch.

Ein Ansatz könnte die Schaffung größerer Versorgungsregionen sein. Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl (ÖVP) hatte bereits früher eine bessere Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg gefordert. Königsberger-Ludwig verwies auf das Modell einer „Gesundheitsregion Ost“, wie es Wiens Bürgermeister Michael Ludwig vorgeschlagen hatte: „Das wäre ein erster Schritt, den auch andere Bundesländer übernehmen könnten.“

Was bedeutet das für die Region?

Für Salzburg könnte eine solche Neuordnung spürbare Auswirkungen haben. Krankenhäuser und Gesundheitszentren würden stärker vernetzt, die hausärztliche Versorgung könnte langfristig stabilisiert werden. Klar ist aber auch: Ohne ausreichend Nachwuchs im medizinischen Bereich bleibt jede Strukturreform ein Torso. Königsberger-Ludwig betonte daher die Notwendigkeit, junge Ärztinnen und Ärzte wieder stärker ins öffentliche System zu holen. „Die Menschen wollen diesen Beruf ergreifen – aber wir müssen ihnen auch attraktive Bedingungen bieten.“

Zwischen Stolz und Sorge

Trotz aller Kritikpunkte war am Ende auch Selbstbewusstsein zu spüren. „Wir sollten nicht vergessen, dass unser europäisches Solidaritätsmodell einzigartig ist“, erinnerte Auer. Die Corona-Krise habe gezeigt, dass Länder mit einem starken Sozialstaat wirtschaftlich besser durch Krisen kommen. Gleichwohl sei klar: Ohne mutige Reformen, eine ehrliche Diskussion über Finanzierungsmodelle und ein Umdenken in Richtung Prävention werde sich das System nicht zukunftsfest machen lassen.

So bleibt nach den intensiven Debatten in Gastein die Erkenntnis: Die Diagnose ist gestellt, die Therapie verschrieben – doch ob die Politik bereit ist, die nötige Kur tatsächlich einzuleiten, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.

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