Als Bub beim Volkssturm

Ein Zeitdokument, geknipst von Siegfried Kainberger: Die Unterzeichner des Staatsvertrages am Balkon des Schloss Belvedere v. li.: Leopold Figl (Österreich), Antoine Pinay (Frankreich), Wjatscheslwa Molotow (Sowjetunion), Harold Macmillan (England) und John Foster Dulles (USA). | Foto: Foto: Siegfried Kainberger
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  • Ein Zeitdokument, geknipst von Siegfried Kainberger: Die Unterzeichner des Staatsvertrages am Balkon des Schloss Belvedere v. li.: Leopold Figl (Österreich), Antoine Pinay (Frankreich), Wjatscheslwa Molotow (Sowjetunion), Harold Macmillan (England) und John Foster Dulles (USA).
  • Foto: Foto: Siegfried Kainberger
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Im siebten Teil der Serie „Zeitzeugen berichten“ erzählt Siegfried Kainberger, wie er als einziger seiner Klasse zum Volkssturm einberufen wurde und wie er die Unterzeichnung des Staatsvertrages in Wien live miterlebte.

HASLACH (wies). Am 2. Februar 1945 musste Gymnasiast Siegfried Kainberger zum Volkssturm nach Rohrbach einrücken. „Wir waren in Holzbaracken untergebracht. Neben uns russische Kriegsgefangene. Ich habe von unserer Verpflegung öfter etwas abgezweigt und nachts durch den Stacheldraht gereicht – eine gefährliche Aktion“, erzählt Siegfried Kainberger.

Ring als Dank für Brot

Doch seine Hilfsbereitschaft blieb nicht unbelohnt. Nach Kriegsende traf er in Rohrbach jenen russischen Soldaten, dem er das Brot gegeben hatte. „Du prima Kamerad, hat der gelernte russische Goldschmied gesagt und mir einen Ring überreicht. Er hat ihn aus einer Reichsmark gefertigt“, erzählt Kainberger. Die letzten Kämpfe zwischen den anrückenden Amerikanern und dem Rest der Deutschen Wehrmacht erlebte Kainberger beinhart mit. Der Kreisleiter befahl ihm und einem Freund, in der Nacht zum 1. Mai die Telefonleitung zu bewachen. „Wir standen im Finstern, plötzlich hörten wir ein Geräusch. Wir sind auf und davon. Die Salve aus einer Maschinenpistole hat uns Gott sei Dank nicht getroffen“, erklärt Kainberger die kritische Situation.

Flucht gelang auf Fahrrädern

Bei einem Klassentreffen vor einigen Jahren erfuhr er, dass er der Einzige in der Klasse war, der zum Volkssturm einberufen wurde. Die Zeit dort war schlimm. „Zum Glück konnte ich mit Erwin Hofmann flüchten. Mit dem Fahrrad machten wir uns über Umwege auf den Weg heim nach Altenfelden“, erzählt der 79-Jährige. Bei Verwandten in Herzogsdorf fanden die beiden Buben Unterschlupf. „Vier Tage später machten wir uns auf nach Hause. In Neundling wollten wir auf einem Bauernhof um Unterschlupf für eine Nacht bitten. Ich habe die Tür aufgemacht und meine Eltern saßen in der Stube“, erzählt Kainberger. Die Wiedersehensfreude war groß, zumal bereits zwei seiner Brüder im Krieg gefallen waren. Von Armut und Kälte geprägt war das Schuljahr 1944/45, das alle Schüler wiederholen mussten. Kainberger holte das Schuljahr in Linz nach. Am 1. August 1945 besetzten die sowjetischen Truppen das Mühlviertel. Die Donaubrücke in Linz war die Grenze, an der genau kontrolliert wurde. „Der grüne Passagierschein erlaubte ein Verlassen der Zonen. Diesen haben wir genutzt, um uns ein bisschen Geld zu verdienen“, erklärt Kainberger. Sie verborgten den Passagierschein an Wiener, die zurück nach Wien wollten. Einer von den Buben fuhr in der Straßenbahn nach Urfahr und brachte den geliehenen Schein wieder zurück und kassierte 300 Schilling dafür. Um das Geld besorgten sie sich Zigaretten, die sie gegen Lebensmittel eintauschen konnten.

Zum Staatsvertrag nach Wien gefahren

Das denkwürdige Ereignis, die Übergabe des Staatsvertrages am 15. Mai 1955, erlebte Kainberger in Wien – zwischen hunderttausenden jubelnden Menschen vor dem Oberen Belvedere. „Ich bin mit dem Motorrad in die Hauptstadt gefahren. Leopold Figl hat die Staatsvertrags-Urkunde präsentiert. Das war ein großes Erlebnis“, sagt Kainberger.

Anmerkung: Dieser Beitrag ist in der Printausgabe der BezirksRundschau Nr 26, am 1. Juli 2010 erschienen. Er wurde nach dem Tod von Siegfried Kainberger nachträglich online gestellt.

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