Ausnahmezustand im Bezirk Rohrbach
Doppelmord jährt sich: "Es ist unbegreiflich, wozu ein Mensch fähig ist"

Ein Großaufgebot an Polizisten und Sondereinheiten suchten Ende Oktober und Anfang November 2024 nach dem mutmaßlichen Doppelmörder. | Foto: fotokerschi.at
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Der Doppelmord, welcher im Oktober 2024 die Menschen über die Grenzen des Bezirks Rohrbach hinaus in Fassungslosigkeit versetzte, jährt sich heuer zum ersten Mal. Anwohner sind nach wie vor entsetzt und berichten, dass es keine Worte für diese Taten gebe: "Ich glaube, am Ende waren einfach nur alle überfordert mit dieser Situation, in diesem Ausmaß und mit dem, was da geschehen ist."

BEZIRK ROHRBACH. "Es ist unbegreiflich, wozu ein Mensch fähig ist. Roland war kein unangenehmer Mensch, weshalb es umso unverständlicher ist, wie so etwas passieren konnte", sagt Altenfeldens Bürgermeister Klaus Gattringer, wenn er auf die Geschehnisse des letzten Jahres denkt. Denn am 28. Oktober 2024 wurden zuerst Kirchbergs Bürgermeister Franz Hofer und nur wenige Minuten später Josef Hartl aus Arnreit ermordet. Der Täter: Roland D., das Motiv: eine Jagdrechtsstreitigkeit.

"Ausreden kann man vielleicht nicht alles, aber es darf nicht mit Gewalt und Mord enden. So kann man das nicht lösen. Da muss es einen anderen Ausweg geben", betont Gattringer. Für ihn sind diese Taten nach wie vor unvorstellbar und nicht in Worte zu fassen. "Es tut mir für die Angehörigen so leid."

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Anteilnahme aus ganz Österreich

Nicht nur die Einwohner aus dem Bezirk Rohrbach waren von den Ereignissen tief betroffen. Das ganze Land nahm Anteil und die Menschen drückten ihr Mitgefühl in Beileidsbekundungen aus. "Liebe Angehörige, ich kenne euch nicht, aber ihr tut mir so unsagbar leid. Warum passiert sowas? Man hat keine Antwort. Ich bete für euch und für Josef, dass er seinen Frieden findet und keine Schmerzen mehr hat. Und dass für euch die Sonne wieder scheinen mag. Ich weine mit euch", heißt es in einem Kondolenzschreiben für Josef Hartl. "Aufrichtige Anteilnahme zum schweren Verlust. Mit stillem Gruß aus dem Burgenland", steht in einer anderen Beileidsbekundung.

Auch Bischof Manfred Scheuer drückte sein Mitgefühl aus: "Liebe Familie Hofer, ich habe Ihren Gatten und Vater als einen Menschen kennenlernen dürfen, der sich für andere einsetzt und ein Herz für die Menschen hat. Ihren Verlust kann ich nur erahnen. Meine Gedanken und Gebete gingen öfter von Haibach nach Kirchberg hinüber. Ich bete darum, dass Sie erfahren, dass die Liebe, die Sie mit ihm verbindet, durch nichts und niemanden zerstört werden kann. Ins Paradies mögen Engel ihn begleiten. Mit Segenswünschen und herzlichen Grüßen."

Der Tod kommt meistens unvorbereitet. Er nimmt das Kind, die Mutter, den Vater, den Bruder, die Schwester, den Partner oder den Freund. Nichts ist mehr so, wie es war. | Foto: smarterpix/Thamkc
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Jägerschaft: "Konnte niemand erahnen"

„Beide Opfer waren leidenschaftliche Jäger und kompetente Führungskräfte, die nur ihre Pflicht getan haben“, sagte Bezirksjägermeister Martin Eisschiel beim heurigen Bezirksjägertag. „Dass dies so eine Wahnsinnstat auslöse, das konnte niemand erahnen.“ Er dankte der Exekutive, die laut ihm perfekt gearbeitet hat, auch im Hinblick auf Personenschutz, von der er samt Familie selbst betroffen war. „Man kann hier nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es werden Strategien ausgearbeitet, um in Zukunft so etwas zu vermeiden“, betonte der Bezirksjägermeister. „Jeder von uns Jägern ist für die Wahrnehmung der Jagd verantwortlich“, so sein eindringlicher Appell an die Jagdkollegen.

Martin Eisschiel ist Bezirksjägermeister in Rohrbach. | Foto: OÖ Landesjagdverband
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Landesjägermeister Herbert Sieghartsleitner meinte dazu, dass in Zukunft alle, auch Jagdschutzorgane, bei auftretenden Konflikten besser hinhören und hinschauen müssen: "Wenn jemand glaubt, die Gesetze gelten für ihn nicht, muss man sich von ihm trennen.“ Vonseiten des Landesverbandes werde man zukünftig entsprechende Unterstützungsstrategien anbieten, um solchen „Verrohung und Gewaltkonflikte“ schon im Vorfeld zu begegnen. 

Angespannte und furchteinflößende Woche

Die Situation im Bezirk Rohrbach, vor allem in den betroffenen und umliegenden Gemeinden, war sehr angespannt und teilweise furchteinflößend. So berichtet eine MeinBezirk-Leserin von einem Erlebnis, bei dem ihr, wie sie beschreibt, kurz "der Reis gegangen" ist: "Ich bin zu meinem Freund nach Arnreit gefahren, als ich bemerkte, dass mich ein Auto verfolgt. Der Pkw ist dann direkt hinter mir stehen geblieben. Plötzlich überkam mich Angst. Ich fragte mich: Was ist, wenn das jetzt der Gesuchte ist, der zum Tatort zurückkehrt? Was mache ich jetzt? Soll ich mein Auto zusperren oder schnell aussteigen und davonlaufen? Nach den Ereignissen am Vortag war nichts mehr sicher."

Nach kurzem Überlegen ist sie schließlich vorsichtig ausgestiegen. "Plötzlich standen zwei Personen direkt vor mir. Ich habe mich in dem Moment so erschrocken. Die beiden gaben sich als Zivilpolizisten zu erkennen, welche die Gegend und die Autos kontrollierten. Ich war unglaublich erleichtert, aber dennoch saß der Schreck in meinen Knochen."

Die Polizei war vor Ort in Altenfelden.  | Foto: fotokerschi.at
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Altenfeldner berichtet: "Wir waren wie gelähmt"

Ein Bewohner aus Partenreit, der Ortschaft, in welcher das Auto von Roland D. gefunden wurde, berichtet im MeinBezirk-Gespräch, dass es für die Geschehnisse keine Worte gebe: "Wir waren wie gelähmt. Unser erster Gedanke war: Hoffentlich hat er sich nicht noch mehr Personen ausgesucht. Hoffentlich ist alles nur ein schlechter Albtraum. Aber wann endet dieser Traum? Man versucht zu begreifen, was passiert, aber das geht in diesem Moment sowieso nicht."  Als das Auto gefunden wurde, kam für den Altenfeldner das beklemmende Gefühl auf, beobachtet zu werden.

"Sitzt er irgendwo am Hochstand oder in einer Höhle? Schaut er von der Ferne zu oder ist er einfach in einer Gartenhütte im Dorf? Es war alles umstellt, wie bei einer Treibjagd. Unheimlicher geht es fast nicht." 

Zur Polizeiarbeit meint der Anwohner: "Es wurden Drohnen, Hubschrauber, Suchtrupps, wirklich alles eingesetzt, und trotzdem war es offenbar nicht möglich, einen VW Caddy mit freiem Auge zu entdecken." Ihm und seiner Familie taten vor allem die Polizisten und Polizistinnen leid, die draußen an der Front standen und die Anweisungen ihrer Vorgesetzten befolgten. "Sie waren sichtbar erschöpft und haben uns wirklich leidgetan. Ich glaube, am Ende waren einfach nur alle überfordert mit dieser Situation, in diesem Ausmaß und mit dem, was da geschehen ist." 

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Schutz gefährdeter Personen im Mittelpunkt

Die Ereignisse am 28. Oktober 2024 in Altenfelden führten laut dem Bundesministerium für Inneres zu einer komplexen polizeilichen Einsatzlage, die ein koordiniertes und lageangepasstes Vorgehen erforderte. Im Zentrum der polizeilichen Maßnahmen stand der Schutz potenziell gefährdeter Personen sowie der Bevölkerung im weiteren Umfeld des Tatorts und des Täters, mit dem Ziel, Risiken und Gefährdungen zu minimieren.

"Das Einsatzgeschehen war von einer hohen Dynamik geprägt. In den Stunden und Tagen nach der Tat zeigte sich in zahlreichen Meldungen an die Polizei eine spürbare Verunsicherung in der Bevölkerung. Über 50 Personen mussten polizeilich geschützt werden", so Kerstin Mitterhuber, Ressortsprecherin Bundesministerium für Inneres.

Viel Vorsicht bei komplexer Lage notwendig

Angesichts der unklaren Lage – einem flüchtigen bewaffneten Tatverdächtigen mit guter Ortskenntnis – und aufgrund des unwegsamen, teils dicht bewaldeten Geländes, war laut Mitterhuber größte Vorsicht beim polizeilichen Vorgehen nötig, was entsprechend viel Zeit in Anspruch nahm. "Die Einsatzlage war außergewöhnlich komplex: Mehrere hundert Einsatzkräfte waren über Tage hinweg im Einsatz, während gleichzeitig eine Vielzahl von Hinweisen – darunter zahlreiche Falschinformationen – zu prüfen und zu bewerten war."

Daraus lernen und in Ausbildung einbauen

Wie bei derartigen Großlagen üblich, wurde auch dieser Einsatz einer umfassenden Evaluierung unterzogen. Daraus konnten einige Erkenntnisse gewonnen werden: Diese werden ausgewertet, um daraus weitere Schritte abzuleiten, die die Fähigkeiten der Einsatzkräfte – besonders im Gelände – verbessern und ihre Sicherheit sowie jene der Bevölkerung erhöhen sollen. Zudem wird geprüft, wie man technische Einsatzmittel so verbessern kann, dass große Flächen im Gelände schneller und gezielter durchsucht werden können. Die neuen Erkenntnisse sollen dann konsequent in die Ausbildung und Weiterbildung der Polizei eingebaut werden. 


"Tragischerweise zur Eskalation gekommen"

Viele fragen sich: Was muss in einem Menschen vorgehen bzw. wie weit muss so ein Mensch getrieben worden sein, so eine Tat zu begehen? "Es gibt nie nur eine Antwort. Niemand kann sagen, was wirklich in einem Menschen vorgeht, meist handelt es sich dabei um reine Spekulation", sagt Christina Knollmayr, klinische Psychologin am Klinikum Rohrbach. In diesem Fall könne vermutet werden, dass durch den Entzug der Jagdkarte eine große Kränkung passiert ist.

"Sofern man den damaligen Zeitungsberichten entnehmen konnte, dürften die Jagd und die Zugehörigkeit zur Jägerschaft eine sehr wichtige, zentrale Rolle in seinem Leben gespielt haben. Wird eine Kränkung konstruktiv verarbeitet, würde man beispielsweise versuchen, den Konflikt zu klären. Wird eine Kränkung aber destruktiv verarbeitet, kann es zu Rachegefühlen, Zorn, Aggression und Verbitterung führen. Tragischerweise ist es hier zur Eskalation gekommen und hat in einem Doppelmord und in einem anschließenden Selbstmord geendet", so Knollmayr. 

Solche Dinge seien laut der klinischen Psychologin nicht vorhersehbar. "Es ist eine affektive Tat, die in ihrer Tragweite im Vorhinein meist nicht erkannt werden kann. Wichtig ist, dass ausgesprochene Äußerungen ernst genommen werden, damit man gegebenenfalls Schritte in Richtung Deeskalation setzen kann."

Christina Knollmayr, klinische Psychologin im Klinikum Rohrbach. | Foto: OÖG
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"Es gibt keine finale Erklärung"

Maßnahmen zur Vorbeugung gewalttätiger Auseinandersetzungen sollten laut Katja Sieper, Geschäftsfeldleitung der Krisenhilfe OÖ, bereits in der Kindheit getroffen werden. "Man muss bereits bei den Jüngsten ansetzen, damit sie sich zu Menschen entwickeln, die in extremen Belastungssituationen nicht zu Gewalt greifen. Dazu gehört, dass sie ihre Emotionen wahrnehmen, benennen können und lernen, damit umzugehen." Ebenfalls wichtig sei ein respektvoller Umgang, vor allem im Rahmen von Konflikten, damit diese nicht eskalieren. "Die Verantwortung für die darauffolgenden Handlungen trägt letztendlich aber die ausführende Person", erläutert Sieper.

Ein Rezept bzw. eine Lösung, wie Auseinandersetzungen oder Taten, wie jene in Altenfelden, verhindert werden können, gebe es jedoch nicht. "Es gibt auf viele Fragen keine finale Erklärung, was verunsichert und ein Stück weit ohnmächtig macht. Sich in belastenden Situationen Unterstützung zu suchen, um einfach darüber zu reden und das Erlebte zu verarbeiten, macht definitiv Sinn", betont die Geschäftsfeldleitung der Krisenhilfe OÖ.

Hier gibt es Hilfe:

pro mente OÖ
Psychosoziale Beratungsstelle
Berggasse 7
4150 Rohrbach-Berg
Tel.: 07289/22 488
Erreichbar: Dienstag bis Freitag von 10 bis 12 Uhr

Krisenhilfe OÖ
0723/2177
täglich rund um die Uhr erreichbar

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