Trennung und Scheidung

"Helfen Sie Ihren Kindern, indem Sie sich Hilfe holen"

Trennung oder Scheidung ist immer ein kritisches Lebensereignis. Oft sind Eltern dabei so mit sich selbst und den eigenen Gefühlen und Herausforderungen der neuen Lebenssituation beschäftigt, dass ihre Kinder aus dem Blickfeld geraten. Erziehungsberater Konrad Liebletsberger und Jutta Müller, Leiterin des Rohrbacher Frauennetzwerks, erklären, welches Verhalten Eltern vermeiden können und sollen.

BEZIRK ROHRBACH. "Wenn Eltern sich trennen oder scheiden lassen, fangen die Streitereien oft erst so richtig an. Dabei bietet die Erziehung der gemeinsamen Kinder reichlich Konfliktstoff", weiß Konrad Liebletsberger. Der Rohrbacher begleitet als Kinderbeistand vor Gericht und als Erziehungsberater immer wieder Kinder, die emotional unter den langjährigen Konflikten der getrennten Eltern leiden. "Zahlreiche unverarbeitete Kränkungen und Verletzungen, die Angst, nach dem Verlust des Partners auch noch die Liebe der Kinder an den Expartner zu verlieren, stürzt viele Eltern in einen emotionalen Ausnahmezustand", erklärt Liebletsberger.

Leider geraten dadurch die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder oft in den Hintergrund. Viele Kinder werden als Streitobjekt in den Konflikt der Eltern hineingezogen und es wird ihnen ein emotionaler Balanceakt zugemutet, der kaum gelingen kann.

"Sie fressen alles in sich hinein"

Eine Trennung stellt für alle Beteiligten eine massive Belastung dar. Wenn Eltern und Kinder in dieser Krise Hilfe und Verständnis für ihre seelische Erschütterung bekommen, kann eine Trennung jedoch auch zu einer Chance werden. "Leider begegnen mir als Erziehungsberater und als Kinderbeistand vor Gericht häufig langjährige Konflikte zwischen getrennten Eltern, die Gift sind für die Seele des Kindes. Das passiert, wenn die Eltern sich gegenseitig schlechtmachen oder fragen, wen das Kind lieber hat oder wo es lieber wohnt", so Liebletsberger.

Kinder lieben aber beide Eltern und sind sehr loyal, auch deswegen, weil sie Angst haben, dass der Vater und die Mutter sie im Fall einer Trennung verlassen könnten. "Sie wissen dann oft nicht mehr, wem sie was erzählen dürfen und fressen alles in sich rein. Es ist für das seelische Gleichgewicht von Kindern nach einer Trennung besonders wichtig, dass sie ihre Gefühle, Wünsche und Sorgen offen äußern können, und das geht nur, wenn sie Vertrauen in beide Eltern haben. Kinder sehen sich auch immer als Teil beider Eltern."

Emotionaler Rückzug

Auch Jutta Müller, Leiterin des Rohrbacher Frauennetzwerks weiß, dass Konflikte und andauernde Streitereien für Kinder besonders schlimm sind: "Sie haben Angst und ziehen sich mitunter emotional mehr und mehr zurück." Wenn es nach dem Streit keine Versöhnung gibt, können die Konflikte auch nicht bewältigt werden. "Die Auswirkungen gehen dann bis ins Erwachsenenleben", mahnt Müller. Im Frauennetzwerk Rohrbach gibt es qualifizierte Mitarbeiterinnen, die bei den oftmals schwierigen Ausgangslagen zur Seite stehen und auf das Wohl und die Sicherheit der Kinder achten.

Zudem gibt es für strittige Eltern die Möglichkeit der Besuchsbegleitung. Dabei werden die Eltern und das Kind von einer fachlich geeigneten und neutralen Person betreut. "Das Ziel ist die Zusammenführung von besuchsberechtigten Eltern mit ihren Kindern. Die Erziehungsberechtigten können sich unverbindlich im Frauennetzwerk informieren und einen Termin für ein kostenloses Erstgespräch vereinbaren. Dieses findet mit jedem Elternteil getrennt statt", informiert Müller.

Mit dem Streiten aufhören

Sich Unterstützung zu holen, ist keine Schande, betonen die beiden Rohrbacher. "Die anhaltende Konfliktsituation 'hochstrittiger' Eltern stellt aber für die Kinder eine dauerhafte Belastung und Gefährdung ihrer Entwicklung dar. Helfen Sie Ihren Kindern, indem Sie sich Hilfe holen und mit dem Streit aufhören. Jetzt!", fordert Liebletsberger.

Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern und Kinder nach Trennung oder Scheidung:
Rainbowsgruppen: Professionelle Begleitung für Kinder und Jugendliche nach Trennung oder Scheidung
Erziehungsberatung für Eltern nach einer Scheidung nach lt. § 95 Abs. 1a AußstrG
Erziehungsberatung für hochstrittige Eltern nach § 107, Abs.3 AußStrG
Kinderbeistand vor Gericht: Der Kinderbeistand fungiert als Sprachrohr, Informant/Aufklärer und Begleiter in Pflegschaftsverfahren mit Obsorge- oder Kontaktrechtsstreitigkeiten und wird von der Richterin oder vom Richter bestellt.

Zur Sache

Rainbowsgruppen bieten professionelle Begleitung für Kinder und Jugendliche nach Trennung oder Scheidung. In Rohrbach startet Ende Oktober, Anfang November eine Gruppe für Kinder zwischen vier und zwölf Jahren. Zusätzlich zu den Gruppentreffen der Kinder finden drei begleitende Gespräche mit den Eltern statt. Infos und Anmeldung: 0732/287300 oder rainbows.at.

Zum Thema Trennung und Scheidung bietet das Rohrbacher Frauennetzwerk am Donnerstag, 9. Dezember, von 19.30 bis 21 Uhr ein Webinar. Folgendes wird besprochen:
• Achterbahn der Gefühle versus konkrete und professionelle Tipps speziell für Frauen
• Ablauf des Verjahrens
• Vereinbarungen betreffend Unterhalt und Kinder
• Aufteilung von Vermögen und Schulden

Mehr Infos: 07289/6655 oder seminarefnw@frauennetzwerk-rohrbach.at.

Kommentar: Den Kindern zuliebe zusammenreißen

Es hat keinen Sinn, eine Beziehung oder eine Ehe weiterzuführen, wenn ein Partner oder womöglich beide unglücklich sind. Klar ist auch, dass eine Trennung nicht immer ganz einfach ist, vor allem, wenn Kinder im Spiel sind. Alles andere als klug wäre es aber, nur wegen der Kinder zusammenzubleiben. Das ist kein Aufruf, sich sofort zu trennen, wenn mal etwas schief läuft. Es heißt lediglich, dass das Ende einer Beziehung oder Ehe nicht das Ende der Welt ist, solange sich die Eltern dementsprechend verhalten. Das eine oder andere Argument für sich zu behalten und sich den Kindern zuliebe zusammenzureißen, ist hier die Devise. Hilfe und Unterstützung zu diesem Thema bekommen die Kleinen sowie die Erwachsenen im Rohrbacher Frauennetzwerk oder bei der Organisation "Rainbows" (siehe Zur Sache).