100-Jähriger beendet Sportlerkarriere
Johannes Reiter war 90 Jahre lang als Stockschütze aktiv

- Beim Einzug der Ältern in die Kirche warn 75-, 80jährige dabei, aber nur ein einziger 100er
- hochgeladen von Werner Gattermayer
ATZESBERG (gawe). Das Hörgerät kracht ein bisschen als er es einschaltet. Dann ist der 100-Jährige aber voll da. Gegen die Nervosität hilft Johannes "Hans" Reiter jetzt eines: schnell eine Zigarette – ohne Filter – „gewuzelt“ und angezündet von seiner Pflegerin.
Über seine Raucherkarriere lacht er
„Früher habe ich weit mehr geraucht – bis zu 50 Zigaretten im Tag. Mit 21 habe ich zu rauchen begonnen. Als Kraftfahrer musste ich Tag und Nacht fahren. Wurde ich müde, sagte mein Beifahrer zu mir: Rauch halt eine“, erzählt Reiter. Wobei der Ausdruck „Kraftfahrer“ damals seine Berechtigung hatte: „Zum Schalten habe ich beide Hände gebraucht", schildert er die Mühen, damals einen Henschel-Lkw zu bewegen. „Einmal habe ich zu unserem Doktor gesagt: Jetzt höre ich zu rauchen auf. Da hat er gelacht und gemeint: Dir tut das nichts. Der Spitalsarzt hat nach einem Beinbruch gesagt: Rauch weiter. Ich habe nie Probleme mit dem 'schnaufen' gehabt“. Er zeigt eine große Schachtel voller „selbstgewuzelter“ Zigaretten und meint: „Ich kenne mich schon ein wenig, weiß, was ich nicht leiden kann. Ich komme in kein Wirtshaus mehr, mir geben sie nur mehr Wasser zum Saufen.“
Fataler Sturz
Einen sportlichen Knick gab es nur im Alter von 94 Jahren. „Beim Kirschpflücken ist mir die Leiter abgerutscht. Ich bin drei Meter heruntergefallen“, schildert er, wie er nach dem Beinbruch sechs Wochen mit einem Liegegips im Krankenhaus war, "ich bin dort mit dem Wagerl hinausgefahren und habe eine geraucht“.
Karriereende als Stockschütze
Vor zwei Jahren war seine Sportlerkarriere zu Ende: „Ich bin daheim ausgerutscht und habe mir die Hüfte gebrochen. Seitdem steht der Eisstock in der Garage. Heuer habe ich nur einen Schuss gemacht, dann bin ich gestürzt. Jetzt gehe ich mit einem Stock. Mit tut aber jetzt nichts weh, wenn ich nicht gehe“. Seine Sportlerkarriere begann bereits in der Schulzeit. 90 Jahre war der Senior schließlich als Stockschütze aktiv. "Ich war der älteste Stockschütze bei uns, die 'Nächstjüngeren' waren alle mindestens 20 Jahre jünger als ich", so Reiter. Sportlich war er als Jugendlicher auch auf andere Art und Weise: „Ich habe sehr viel gerauft“, schildert der Pensionist, "ich hab mich aber nie hauen lassen“.
100 Jahre alt am 18. Dezember 2018
Auf die Frage, wie man so alt wird, sagt er: „Arbeiten musst du, solange es noch geht. Mit 92 Jahren habe ich noch eine große Buche (Stammdurchmesser 80 Zentimeter!) alleine gefällt. Zufrieden sein, mit dem, was du hast, ist wichtig. Du kommst leicht aus und brauchst nicht zu jammern. Heute glauben viele: Mehr Geld, mehr Geld, mehr Geld. Ich war immer zufrieden, mit dem, was ich hatte. Ich habe mein Haus 30 Jahre lang sukzessive neu aufgebaut und umgebaut“. Und die Gene müssten passen. "Wäre ich spazieren gegangen, wäre ich eingerostet und würde nicht mehr leben“, ist er sich sicher, erzählt aber, dass sein Gehör sich verschlechtert hätte. Auffallend bei ihm: seine positive Lebenseinstellung und dass er über viele Dinge auf dieser Welt lachen kann.
Überleben im Krieg
„Im Krieg bin ich als Kraftfahrer mit allem gefahren, was Räder hatte: Pkw, Lkw, Omnibus, ..." Insgesamt war er 78 Jahre lang mit dem Auto unterwegs. Überlebt hat er den Krieg nur deshalb, weil er „immer abgehauen ist, wenn es brenzlig wurde“. Als er mit einem Tankwagen voller Treibstoff von einem Fliegerangriff überrascht wurde, ist er „ausgesprungen und in einen Kanal hineingeschloffen“, der Lkw "war dann total hin“. Als Meldefahrer zu Kriegsende hatte er ein Zusammentreffen mit einem amerikanischen Stoßtrupp. Seine Gedanken damals: „Leck mich am Arsch – ergeben oder abhauen. Ich habe mich umgedreht und bin gerannt." Er erzählt weiter: „Bei einem Bombenangriff haben sie einen Lastzug in meiner Nähe getroffen. Bei einem Waggon mit Rauchzeug habe ich schnell zugegriffen und mir die Zigaretten besorgt. Die 1.000 Stück habe ich mir in einen Sack umgehängt. So bin ich in Gefangenschaft gekommen. Im Gefangenenlager haben wir alle 28 Stunden (!) nur ein Kochgeschirr mit Suppe und ein Stück Brot bekommen. Mehr gab es nicht. Ich wäre fast zugrunde gegangen: Nichts zu essen aber viel rauchen.“ Fünf Wochen war er nach dem Zweiten Weltkrieg in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Dann hieß es: „Selbständige Landwirte sollten sich melden“. "Da habe ich mich natürlich sofort gemeldet“, gesteht er, wie er sich in Ulm in die Freiheit geschwindelt hat, denn die Landwirtschaft hatte er erst viele Jahre später. "Wir haben uns auf einen Lastzug der Bahn hinaufgeschwindelt und sind im Bremserhäusl Richtung Heimat gefahren. Von Hörsching aus bin ich dann zu Fuß nach Hause gegangen", erinnert er sich zurück.
„Hab ich mir wieder ein Weiberl zugelegt“
"Hab ich mir wieder ein Weiberl zugelegt", grinst er und zeigt auf seine Pflegerin. Ranata Hogya (44) beschreibt ihn als brav, nicht gefährlich und äußerst sparsam und einen Mann, der Essen liebt. Reiter wiederum kommentiert dies so: „Bleibt mir ja nichts anderes übrig. Die ist mir abgegangen, die muntert mich auf.“
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.