Ein Stück Gutes zur Welt beitragen

Verena Obermüller beim ABC-Lernen mit den Kindern. | Foto: Foto: Obermüller
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HELFENBERG. Verena Obermüller (23) ist ein "Zugvogel". Ihre Reiselust hat sie schon an viele Orte der Erde gebracht, erstmals ist sie nun für ein halbes Jahr in Asien und arbeitet im Freiwilligendienst.

Wie haben Sie sich in Kambodscha eingelebt?
OBERMÜLLER: Ich habe mich noch nie, in keiner meiner bisherigen vier Auslandsaufenthalte so schnell und gut eingelebt. Der Standard, die Umgebung und einfach alles ist zwar völlig anders und absolut nicht nachvollziehbar für jemanden, der sich gerade in Europa befindet. Dennoch liebe ich jeden einzelnen Tag in Kambodscha und fühle mich extrem wohl. An gewisse Gegebenheiten und den extrem niedrigen Standard habe ich mich sofort gewöhnt und ich kann ehrlich behaupten, dass es sich schon wie mein Zuhause anfühlt. Meine Volontärskollegen Sophie und Max, sowie die Kinder in der Schule die mit einem Elan und einer Freude am Unterricht teilnehmen, helfen einem da schon sehr. Um ehrlich zu sein, war ich jetzt nach drei Monaten schon teilweise demütig, wenn ich daran gedacht habe, dass ich das Alles nach dem Februar 2018 nicht mehr haben werde. Und genau, sogar an die extrem schwüle Hitze habe ich mich ‚gewöhnt‘.

Was sind Ihre Aufgaben dort?
Durch meine Arbeit in der Evergreen Community in Stung Treng sollen primär das Schulsystem als auch das Englischniveau der kambodschanischen Englischlehrer verbessert werden. Ich unterrichte vormittags die Kleinsten, die mit mir gerade fleissig das ABC lernen. Weiters gebe ich den Lehrern Unterricht um deren Sicherheit in der englischen Sprachen zu stärken und so nachhaltig Einfluss auf die Bildung der Kinder zu haben. Durch Lehrermeetings und das Entwerfen von Lehrplänen will ich außerdem Hilfestellung zur Gestaltung des Unterrichts und der Lehrmethoden leisten.

Warum setzen Sie sich freiwillig für Kambodscha ein?
Ich versuche generell, nach dem Motto ‚Anpacken statt ,Wegschauen‘ zu handeln. Solidarität sollte für jeden ein Grundprinzip darstellen – für mich tut es das und deshalb gebe ich mein Bestes um Humanität und Gerechtigkeit sowie die Unterstützung der sozial Schwächeren zu leben.

Warum haben Sie sich entschieden, nach Kambodscha zu gehen?
Mein Leitsatz ‚Ein Stück Gutes zur Welt beizutragen‘ und meine große Leidenschaft mit Kindern zu arbeiten, motivierten mich. Ich habe im Sommer mein Studium absolviert. Mein Volontariat bei der mir seit Jahren bekannten und wertgeschätzten NGO Childrenplanet ermöglicht es mir, meinen Beitrag für jene zu leisten, die trotz steigenden globalen Wohlstands unter schwierigsten Bedingungen aufwachsen und nur wenige Perspektiven haben. Außerdem liegt es mir sehr am Herzen für die festgeschriebenen Grundrechte der Menschen vor allem der Kinder einzutreten, denn nur durch langfristiges Fördern und Unterstützen der jungen Generationen kann nachhaltig Veränderung erreicht werden. Für mich war es klar, wenn ich einen Freiwilligendienst mache, dann mit Childrenplanet. Die NGO handelt frei nach dem Motto ‚Give a man a fish and you feed him for a day; teach a man to fish and you feed him for a lifetime.‘ (Maimonides),, und dieses nachhaltige und vorbildhafte Denken ist für Grundvoraussetzung einer erfolgreichen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Childrenplanet und deren Vorstandsmitglieder sowie freiwilligen Helfer sind mir außerdem schon seit Jahren bekannt und deshalb war für mich klar, dass ich wenn dann gemeinsam mit Childrenplanet einen Freiwilligeneinsatz in Kambodscha mache.

Woran mangelt es in Kambodscha?
Ich denke, die Frage sollte man umformulieren: Woran mangelt es in Kambodscha nicht? Die Frage wäre leicht beantwortet: Fröhlichkeit, Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft. Je mehr Einblicke man in den Alltag vieler Menschen in Kambodscha bekommt, desto betroffener werde ich. Es mangelt eigentlich an allem, was in Europa als völlig alltäglich und normal betrachtet wird: Zugang zu sauberem Wasser, ein gutes, verlässliches Gesundheitssystem oder ein ordentliches Bildungssystem, Kinderbetreuung, Infrastruktur etc. Da ich in Stung Treng, einer der ärmsten Provinzen im Nordosten Kambodschas stationiert bin, bekomme ich von der Problematik und den alltäglichen Problemen der Einheimischen mehr mit, als man oft in den Haupststädten oberflächlich bemerken würde. Die einzelnen Schicksale stimmen mich oft sehr nachdenklich. Es mangelt nämlich auch an Zeit für Kinder, diese müssen oft schon früh auf deren jüngere Geschwister Acht geben und werden so viel zu bald ein eine Erwachsenenrolle gedrängt – hier versuchen wir, in der Evergreen Community, den Kindern zumindest für kurze Zeit deren ‚Kind-sein‘ zurückzugeben und eine Insel zu schaffen, wo sie einfach mal so sein dürfen wie sie wollen.

Was war bisher Ihr schönstes Erlebnis in Kambodscha?
Schöne Erlebnisse gibt es unzählige. Aber generell muss ich gestehen, dass Herzlichkeit und Nächstenliebe der Kambodschaner extrem nahe gehen. Viele Menschen besitzen einfach wirklich nichts und würden dennoch ihr Essen sofort teilen. Aber auch die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen – meine Volontärskollegin Sophie und ich fahren fast jeden Tag eine Runde mit dem Rad. Und es ist einfach unglaublich, aber man wird von jedem Einzelnen mit einem ehrlichen und strahlenden Lächeln begrüsst, obwohl wir eine der einzigen Weißen der Stadt und somit eigentlich völlige ‚Ausseriridische‘ in Stung Treng sind. Ich glaube kaum, dass man so etwas in Europa finden würde.

Für mich sind die Kinder in der Schule mein absolutes Highlight, Tag für Tag. Sie lernen mit einer Begeisterung, die man selten erlebt. Für jede noch so kleine Aufmerksamkeit, sei es ein Lob, eine Umarmung oder zwei Minuten vollste Aufmerksamkeit, sind sie so unheimlich dankbar, als ob ich ihnen das ganze Playmobilregal geschenkt hätte. Das bestärkt mich in meinem Handeln und lässt mich sicher sein, dass ich gerade am richtigen Ort bin.

Was war das Schlimmste?
Die extrem schlechten Lebensbedingungen sind erschreckend. Auch die vergangene Schreckensherrschaft Pol Pots und deren Auswirkungen: Durch den von 1975 – 1979 betriebenen Völkermord des Khmer Rouge Regimes an der gesamten kambodschanischen Bevölkerung, wurde circa ein Fünftel ermordet, weshalb ungefähr 65 Prozent der Kambodschaner unter 30 Jahren ist. Diese Vergangenheit hat große Auswirkungen auf die Entwicklung des Landes, dass im Vergleich zu dessen Nachbarländern stark hinterherhinkt. Es gibt kaum Kinder/junge Erwachsene die Großeltern haben und deren Eltern deswegen oft Probleme haben, ihr tägliches Überleben und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen.

Wie gehen Sie mit den vielen Emotionen um?
Aber das für mich persönlich emotionalste Erlebnis bis jetzt ist ein Junge meiner Klasse der vor dem Tod seines Cousins eines der lebhaftesten und glücklichsten Kinder war. Seit dem Ableben hat er die Rolle seines 18-Jährigen Cousins übernehmen müssen. Seit diesem Zeitpunkt lächelt er kaum mehr, spielt wenig und kann nicht annähernd sein Kind-sein ausleben. Er muss als Achtjähriger auf seine kleinen Geschwister und Cousins/Cousinen aufpassen, während die Eltern hart arbeiten, um genug Geld für Essen zu verdienen. Mir gehen solche Schicksale unheimlich nahe und man bemerkt, wie klein die Probleme in Österreich/Europa doch waren. Das Einzige, dass mich in diesem Fall glücklich stimmt, ist, dass der Junge manchmal in der Pause zu mir kommt und mich einfach umarmt oder mit mir kuschelt. Dann weiß ich, dass ich ihm zumindest ein paar Minuten Geborgenheit, Liebe und Kind-sein schenken kann – auch wenn es absolut nicht genug ist.

Zur Sache:
Verena Obermüller schreibt in einem Blog über ihre Erlebnisse auf den Reisen: https://verenantsinthepants.wordpress.com. Obermüller ist über den Verein Childrenplanet in Kambodscha.

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