Altenpflege in der Stadt Salzburg
Persönliches Schicksal zeigt die Schattenseiten

Sabine Wieland (links) berichtete bis ins Detail von den schlimmen Erlebnissen ihrer Großmutter in einer Einrichtung in St. Lorenz am Mondsee. Die Anwesenden lauschten aufmerksam und betroffen. | Foto: Andreas Zwettler
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  • Sabine Wieland (links) berichtete bis ins Detail von den schlimmen Erlebnissen ihrer Großmutter in einer Einrichtung in St. Lorenz am Mondsee. Die Anwesenden lauschten aufmerksam und betroffen.
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Der andauernde Pflegemangel sorgt nach wie vor für Missstände. Dies zeigt ein jetzt öffentlich gewordener Fall einer 96-jährigen Frau. Sie soll mit Medikamenten sediert und schwer vernachlässigt worden sein.

SALZBURG. Ständiger Hunger, mit unerklärbaren Tablettenmengen sediert, Vernachlässigung und Wucherpreise; dies sind die Anschuldigungen, welche die Enkelin einer pflegebedürftigen Pensionistin gegen einen Anbieter in der Gemeinde St. Lorenz am Mondsee erhebt. Sie und ihre Mutter sollen gedrängt worden sein, die Unterbringung der Großmutter in der oberösterreichischen Institution abzusegnen. Als sie sich selbst ein Bild machten, waren sie entsetzt. Ebenso schockiert zeigten sich in dem gestrigen Pressegespräch auch Sozialstadträtin Anja Hagenauer, Sozialabteilungsvorstand Patrick Pfeifenberger und der Amtsleiter für Senioreneinrichtungen, Christoph Baumgärtner. Aus ihrer Sicht sind solche Fälle ein Symptom des derzeitigen Pflegemangels und gehören juristisch geprüft. Allgemein sei aber derzeit die Pflegesituation in der Stadt Salzburg stabil.

Vor vollendete Tatsachen gestellt

Bei einem Hintergrundgespräch schilderte Sabine Wieland gestern den Medien die dramatische Geschichte ihrer Großmutter. Nachdem im Sommer die 96-Jährige im Landeskrankenhaus längere Zeit in stationärer Behandlung war, wurden sie und ihre Mutter plötzlich informiert, dass man die Oma in eine Pflegeeinrichtung in der oberösterreichischen Gemeinde St. Lorenz am Mondsee überstellen werde.

Laut Sabine Wieland ging dann alles sehr schnell. Sie und ihre Mutter wurden unter Druck gesetzt, die für die Unterbringung notwendigen Dokumente sofort zu unterschreiben. Zum Durchlesen der Verträge wurde Ihnen kaum Zeit gegeben.

Die Pflegesituation in der Stadt Salzburg und die schlimmen Erfahrungen die Sabine Wielands Großmutter machen musste, standen bei dem Hintergrundgespräch im Fokus. | Foto: Andreas Zwettler
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"Menschenunwürdig"

Als die Familie vollends realisierte, in welcher Unterkunft und zu welchem Preis die Großmutter in Mondsee untergebracht und betreut werden würde, war es schon zu spät. 1530 Euro monatlich wurden ihnen für die 12 Quadratmeter große Wohnung der Pensionistin in Rechnung gestellt. Ein Zimmer ohne eigenes Bad und Klo. 2500 Euro zusätzlich musste die Familie für die 24-Stundenpflege monatlich zahlen. Ursprünglich soll es geheißen haben, dass die Pensionistin dort nur für ein paar Wochen untergebracht werde. Aus Wochen wurde jedoch mehr als ein halbes Jahr.

Dann der noch größere Schock: Die Situation in der Einrichtung. Wie Sabine Wieland berichtete, waren sie und ihre Mutter nach einigen Besuchen ihrer Großmutter vollkommen entsetzt. Laut ihr waren kaum Pflegekräfte vor Ort, ihre Großmutter bekam plötzlich 16 anstatt wie noch kurz davor vier Tabletten verabreicht (keiner wusste warum) und sie klagte ständig über Hunger. Aufgrund der Medikamente sei die ältere Frau zeitweise so sediert gewesen, dass sie nur mehr in den Himmel starrte und die Kinder ihrer Enkelin nicht mehr erkannte. Auch der ständige Hunger habe ihr schwer zugesetzt. Die von Frau Wieland mitgebrachten Speisen soll die Pensionistin jedes Mal mit großem Heißhunger verschlungen haben. Einer der schlimmsten Momente soll gewesen sein, als die betagte Frau einmal die ganze Nacht verletzt am Boden lag und ihr niemand zu Hilfe kam. Nach diesem Vorfall kündigte die Familie den Vertrag.

"Ich möchte nicht, dass alte Menschen auf diese Weise einfach in diese Institution übersiedelt werden. Es ist menschenunwürdig, dort oben zu leben", so Sabine Wieland. | Foto: Andreas Zwettler
  • "Ich möchte nicht, dass alte Menschen auf diese Weise einfach in diese Institution übersiedelt werden. Es ist menschenunwürdig, dort oben zu leben", so Sabine Wieland.
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"Ich möchte nicht, dass alte Menschen auf diese Weise einfach in diese Institution übersiedelt werden. Es ist menschenunwürdig, dort oben zu leben", so die betroffene Angehörige.

Ärger und Entsetzen

Nach dem Eingreifen der Salzburger Sozialstadträtin Anja Hagenauer wurde die 96-Jährige vor Kurzem in eine Unterkunft der Diakonie in der Stadt Salzburg übersiedelt. Dies geschah über die Härtefallförderung der Stadt. Dort geht es ihr laut Angaben ihrer Enkelin nun viel besser.

Sozialstadträtin Anja Hagenauer, Sozialabteilungsvorstand Patrick Pfeifenberger und der Amtsleiter für Senioreneinrichtungen, Christoph Baumgärtner, zeigten sich beim gestrigen Gespräch alle persönlich ergriffen und entsetzt über diesen Vorfall.

„Hier werden Menschen ausgenommen wie eine Weihnachtsgans“, so der Amtsleiter für Senioreneinrichtungen. Er betonte, dass wirklich etwas getan werden müsse. Denn Konzepte wie die Einrichtung in St. Lorenz am Mondsee, bei denen "mit der Not der Menschen Geld verdient wird", seien ein Symptom des andauernden Pflegemangels. „Wir kommen nicht zu Lösungen für die Menschen und verlieren uns stattdessen immer in bürokratischer Detailarbeit", so der besonders verärgerte Christoph Baumgärtner.

Christoph Baumgärtner, Amtsleiter der Senioreneinrichtungen (links) kritisiert die immer noch fehlenden Reformen im Pflegebereich. Im Bild mit Anja Hagenauer und Ernst Hörzing, dem Vorgänger von Baumgärtner. | Foto: Stadt Salzburg/Zuparic
  • Christoph Baumgärtner, Amtsleiter der Senioreneinrichtungen (links) kritisiert die immer noch fehlenden Reformen im Pflegebereich. Im Bild mit Anja Hagenauer und Ernst Hörzing, dem Vorgänger von Baumgärtner.
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Derzeit brauche es wirkliche Reformen, um mehr Menschen in die Pflege zu bringen. "Denn Seniorenheime bauen könnten wir ohne Ende. Das löst das Problem aber nicht. Den es mangelt einfach an Pflegerinnen und Pflegern. Hier müssen endlich klare Anreize geschaffen werden", erklärt Baumgärtner.

Bei diesem Punkt pflichtete Baumgärtner auch sogleich die Sozialstadträtin bei. „Die Pflege ist ein Mangelberuf und dieser gehört einfach ordentlich gefördert mit einem besseren Gehalt und mehr Unterstützung“, so Anja Hagenauer.

Juristische Prüfung

Wie sowohl Frau Wieland als auch Sozialabteilungsvorstand Patrick Pfeifenberger bestätigten, wird der Fall der 96-Jährigen derzeit juristisch überprüft. 

"Uns kamen einige Sachen sehr spanisch vor. Wir glauben, dass alles irgendwie schon einem Rechtsrahmen folgt. Aber in dieser Kombination gibt es bedenken. Gerade bei der Vermietung um dieses Geld habe ich schwere Bedenken. Wir glauben nicht, dass es hier rechtmäßig zugeht. Hier gibt es viele viele Fragen. Letzten Endes passt es für uns nicht, wie das gemacht wurde", erklärt Patrick Pfeifenberger.

Auf Anfrage bei der Bezirkshauptmannschaft in Vöcklabruck wurde den Vertretern der Stadt und Frau Wieland erklärt, dass es sich bei der Einrichtung am Mondsee um ein privates Unternehmen handle. Es werde also weder gefördert noch staatlich geprüft. Grundsätzlich dürfte es sich laut Patrick Pfeifenberger um eine Kombination aus privater Vermietung und 24-Stunde Pflege handeln. 

Auf sein Anraten wurde jetzt von Frau Wieland ein Anwalt eingeschalten. Dieser überprüft ob es hier mit rechten Dingen zuging. Punkte wie "Wucher" bei der Vermietung sowie auch mögliche strafrechtlich relevante Punkte hinsichtlich der nicht verschriebenen Tabletten und der angeblichen Vernachlässigung der Frau stehen im Raum.

Die Situation in der Stadt

Generell ist die Pflegesituation in der Stadt Salzburg laut Sozialstadträtin Anja Hagenauer einigermaßen stabil. Circa 15 % der Betten in den städtischen Seniorenheimen können derzeit aufgrund Personalmangels nicht besetzt werden. Das liege unter dem Salzburger Landesdurchschnitt von circa 20 %. Generell müsse man das Problem aber ganzheitlicher angehen.

Im Gespräch betonte Sozialstadträtin Anja Hagenauer (Mitte) den dringlichen Handlungsbedarf im Pflegebereich. In der Stadt Salzburg sei die Situation einigermaßen stabil. Rechts im Bild, Patrick Pfeifenberger, Abteilungsvorstand für Soziales. | Foto: Andreas Zwettler
  • Im Gespräch betonte Sozialstadträtin Anja Hagenauer (Mitte) den dringlichen Handlungsbedarf im Pflegebereich. In der Stadt Salzburg sei die Situation einigermaßen stabil. Rechts im Bild, Patrick Pfeifenberger, Abteilungsvorstand für Soziales.
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"Wir haben in der Pflege drei große Bereiche. Erstens die Angehörigenpflege. 60-70 Prozent werden zu Hause von den Angehörigen oder mit Unterstützung durch mobile Betreuung gepflegt. Zweitens gibt es die mobile Pflege für Menschen, die keine Angehörigen haben. Drittens haben wir dann die stationäre Langzeitpflege in Einrichtungen wie Altenheimen", so die Sozialstadträtin.

Laut Anja Hagenauer muss einfach klarer entschieden werden, welche Art von Unterstützung die Betroffenen wirklich brauchen. Fälle wie jener von Frau Wieland, in denen ältere Menschen vom Krankenhaus direkt in eine Einrichtung kommen, obwohl sie vielleicht noch mit Unterstützung zu Hause leben könnten, seien ein Problem. Erst recht, wenn es so problematisch zugehe wie in diesem Fall.

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