"Besser in neue Ideen statt in immer mehr Schneekanonen investieren"
Wissenschaftler Minas Dimitriou von der Universität Salzburg im Interview mit den Bezirksblättern
Sie beschäftigen sich wissenschaftlich mit der Zukunft des Wintersports in Salzburg. Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
MINAS DIMITRIOU: Es geht vor allem darum, nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte miteinzubeziehen – wie Regionalität oder Nachhaltigkeit.
Was meinen Sie damit?
MINAS DIMITRIOU: Mit Regionalität ist gemeint, inwieweit sich die Bevölkerung mit Wintersport identifiziert. Und beim Thema Nachhaltigkeit muss man sich angesichts des Klimawandels überlegen, ob diese Fokussierung auf Wintersport, für den man unbedingt Schnee benötigt, überhaupt Sinn macht.
Was wäre denn die Alternative?
MINAS DIMITRIOU: Liftbetreiber ab 1.000 Metern Seehöhe werden in den kommenden Jahren unglaubliche Probleme bekommen – dort wird man ein wenig umdisponieren müssen. Für Aktivitäten auf Schnee werden wir in höhere Lagen ausweichen müssen und überall sonst werden wir andere Sportarten als Angebot brauchen: Skibergsteigen oder Schneeschuhwandern zum Beispiel. Für keines von beiden benötigt man eine normierte Fläche wie eine Piste. Generell werden wir Outdoor-Angebote benötigen, die unabhängig von Wetter und Schnee ausgeübt werden können. So wie jetzt beim Ski-Opening in Obertauern, als wegen Schneemangel die Lifte auch für Wanderer geöffnet wurden. Mountainbiken wäre da auch eine gute Alternative.
Was ist mit den Jungen? Fahren die noch Ski?
MINAS DIMITRIOU: Das traditionelle Skifahren steht für die Jungen nicht mehr so im Vordergrund. Für sie ist der Freestylebereich interessant. Und da entstehen neue Aktivitäten. Auch wenn ein Fun-Park eine normierte Fläche ist, so gestalten und definieren ihn die Jungen oft selbst, indem sie Hindernisse errichten und neue Tricks erfinden.
Wird die Bedeutung des Wintertourismus abnehmen?
MINAS DIMITRIOU: Nein, nicht automatisch. Aber wir brauchen mehr als nur Aktivitäten auf Schnee. Und wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, ob unser Produkt mit den tief verschneiten Winterlandschaften in den Werbeprospekten nachhaltig ist. Wir werden auch Bilder von Landschaften im Regen oder Nebel benötigen.
Und Regen und Nebel sollen Touristen anlocken?
MINAS DIMITRIOU: Regen oder Nebel kann auch sehr schön sein. Denken Sie an Schottland, die haben dort keinen Schnee im Winter und werben mit grünen Wiesen und Schlössern um Touristen, und das funktioniert. So etwas ist also möglich. Die Problematik ist nur: Wie kann man dieses Umdenken aktivieren?
Wenn man sich in Salzburg so umschaut, dann investiert die Seilbahnindustrie jährliche Rekordsummen in immer mehr Technik.
MINAS DIMITRIOU: Der Skitourismus ist stark wachstumsorientert. davon muss man runterkommen, dieses Denken hat keine Zukunft. Was wir viel dringender brauchen als immer größere Skigebiete und schnellere Lifte sind eher kleinere Pisten und dafür andere, Schnee-unabhängige Angebote als zusätzliche Alternative.
Was ist mit der Beschneiungstechnik, die ja auch immer umweltfreundlicher wird?
MINAS DIMITRIOU: Die mit Solarenergie betriebenen Schneekanonen, die Sie hier ansprechen, sind so teuer, dass sich die Frage stellt, wer sich das leisten kann und was – wenn alle Skigebiete diese teure Technik verwenden – dann die Tickets kosten. Das ist also auch kontraproduktiv. Der Einsatz von Schneekanonen ist ein großes umweltpolitisches Problem, da müssen wir umdenken. Mit 'Schneegarantie' zu werben, halte ich für fast kriminell. Besser wäre es, in neue Ideen, statt in immer mehr Schneekanonen zu investieren.
An was für Ideen denken Sie dabei abgesehen davon, Sportarten anderer Jahreszeiten in den Winter mitzunehmen?
MINAS DIMITRIOU: Bei Skitourengehern könnten auf geführten Touren zum Beispiel Aspekte der Natur kennen lernen, dafür gibt es eine Nachfrage. Oder man könnte Wanderern – ob mit oder ohne Schneeschuhen – das Pilgern von Kirche zu Kirche anbieten und damit Ortschaften verbinden. Und auch mit solchen Touristen würden wir Geld verdienen. Es geht darum, zukunftsfit zu werden. Und da muss man mitdenken. Nach wie vor sind viele Betriebe im Oktober auf Urlaub, als Vorbereitung für die Skisaison. Ich frage mich: Für welche Skisaison eigentlich?
ZUR PERSON
Minas Dimitriou ist Assoziierter Professor für den Interfakultären Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaften an der Universität Salzburg und Geschäftsführer des Universitärslehrganges Sportjournalismus. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Sport und Gesellschaft, insbesondere im Zusammenhang mit Wirtschaft und Medien.
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