Das Wohnen ist zu teuer

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Stadtblatt: Vor elf Jahren haben Sie die Wärmestube gegründet – warum?
Ernst Flatscher:
Es war während meines Ausfluges in die Politik – ich war Gemeinderat – als mir klar wurde, dass für viele Menschen – besonders in Lehen – eine Wohnung nur sehr schwer leistbar war. Viele hatten sogar überhaupt keine eigene Bleibe und wenn doch, dann in einem desolaten Zustand. Es gab hier viele Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – sich und ihre Familie nicht „normal“ ernähren konnten. Gleichzeitig existierte in Lehen jedoch keine Einrichtung, die sich um diese Menschen kümmerte und da dachte ich mir, ich gehe es an – Stück für Stück, frei von politischen Bindungen, dafür mit umso mehr privaten Helfern und Spendern.

Was ist die Aufgabe der Wärmestube und wer kann sich dort hin wenden?
Flatscher:
Jeder – jeder, der nicht genug zu essen hat, jeder, der nicht weiß, wo er seine Kleidung waschen soll, wo er das nächste Mal duschen kann. Diese Grundbedürfnisse versuchen wir in der Wärmestube abzudecken. Die Leute können den dortigen Computer nutzen, um nach einem Job oder einer Wohnung zu suchen. Inzwischen sind wir aber auch eine Art Anlaufstelle, viele kommen mit Wohnungs-, mit Unterkunftsproblemen zu uns. Das große Problem der Stadt Salzburg sind leistbare Unterkünfte. Gemeinsam mit den gemeinnützigen Wohnbauträgern konnten wir immer wieder Lösungen finden, aber das waren nur die dramatischsten Fälle.

Ist die Lage in den letzten Jahren schwieriger geworden? Oder anders gefragt: Ist der Bedarf an Einrichtungen wie der Wärmestube seit ihrer Gründung gestiegen?
Flatscher:
Die Zahl der Obdachlosen und der Bedürftigen ist ganz eindeutig gestiegen. 2012 hatten wir um 30 Prozent mehr Zulauf als noch im Jahr davor. Das war schon kaum mehr zu bewältigen. Ab Oktober kamen dann immer mehr Menschen aus Rumänien – zwei Monate lang wurden wir erdrückt. Schließlich waren es so viele Menschen, dass wir zum ersten Mal von unserer Prämisse „wir bringen alle unter“ abrücken mussten. Hier müsste die Stadt tätig werden, denn derzeit werden diese Menschen ja von einem Abbruchhaus in das nächste gejagt.

Liegt diese Zunahme wirklich an diesen Menschen aus Osteuropa?
Flatscher:
Nein! Wenn man diese zwei Ausnahmemonate ausklammert, dann sind mehr als 80 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, Salzburger oder aus der Umgebung – auch aus Bayern. 20 Prozent sind Ausländer, nicht mehr. Und um das klarzustellen: Jetzt, wo wir keine Bettlergruppen mehr aufnehmen, sind wir wieder bei unserem „normalen“ Schnitt von 70 bis 120 Menschen am Tag.

Im vergangenen Jahr waren Salzburgs Notschlafstellen erstmals auch im Sommer überfüllt – wo sehen Sie die Gründe darfür?
Flatscher:
Es stimmt, auch bei uns waren im Sommer sehr viele Menschen. Es bleibt dabei: Das größte Übel ist einfach das Fehlen von leistbaren Wohnungen.
Das zweite große Übel liegt im Bereich der Sozialhilfe und Mindestsicherung. Ja, für viele Menschen, die vorher wenig oder gar nichts hatten, war die Mindestsicherung ein großer Sprung. Doch viele sind auch einfach überfordert.
Und eines stelle ich noch fest: Zu uns in die Wärmestube kommen immer mehr Menschen, obwohl sie einem Vollzeit-Beruf nachgehen. Ich kann keine Prozentzahlen nennen, aber inzwischen ist dieses Problem eindeutig spürbar geworden.

Ist es in Zeiten der Finanzkrise schwierig geworden, private Helfer und Spender zu finden?
Flatscher:
Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Menschen sich bei uns melden weil sie helfen wollen. Die ,Salzburger sind alles andere als kalt, im Gegenteil. Es liegt nicht an den Salzburgern, dass so viele Menschen Schwierigkeiten haben – es stellt sich einfach die Frage: Wie viel Priorität legt die Salzburger Stadtregierung auf das Thema Wohnung und Armut.

Ihrer Meinung nach zu wenig?
Flatscher:
Auf jeden Fall! Statt irgendwelcher Prestigeprojekte wie zum Beispiel dem Cassco-Projekt auf dem Rehrlplatz müsste man endlich das Großprojekt einer Wohnbauoffensive für leistbare Wohnungen angehen. Das müssen wir immer wieder einfordern. Man liest immer wieder, dass mehr als 3.000 Wohnungssuchende gemeldet sind – ja, wo sollen die denn jemals unterkommen?

Zur Person:
Ernst Flatscher war Vorstandsdirektor der Gerngroß-Gruppe und bis zu seinem überraschenden Austritt aus der Partei Gemeinderat für die ÖVP in der Stadt Salzburg. Vor 11 Jahren gründete er die Salzburger Wärmestube in Lehen, für die er sich bis heute engagiert.

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