Coronavirus in Salzburg
Mediziner: "Lockerungen verlangen viel Disziplin"
Richard Greil, der ärztliche Leiter des Corona-Krisenstabs in Salzburg, spricht mit uns über Medikamente, Impfungen und Kritik an den gesetzten Maßnahmen.
SALZBURG. Professor Greil, kaum hatte es den Anschein, wir seien vergleichsweise gut durch die Corona-Zeit gekommen, melden sich Kritiker, die gesetzte Maßnahmen als zu hart einstufen. Was sagen Sie diesen Menschen?
RICHARD GREIL: Die Maßnahmen des Lockdown im Sinne der massiven Kontakteinschränkung und die Maßnahmen, die Covid-spezifisch im Gesundheitsbereich durchgeführt wurden, waren sicherlich berechtigt. Wir hatten Anfang bis Mitte März Zuwachsraten an Infektionen von bis zu 40 Prozent pro Tag, die Zunahmerate der Patienten auf der Covid-Station und auf der Intensivstation war massiv. Dabei haben wir in Salzburg durch Lockdown und zentralisierte Versorgung und Qualität der Betreuung im Covid- und Non-Covid-Bereich auch im Österreichvergleich sehr gute Ergebnisse. Sowohl die Covid-Sterblichkeit als auch die Exzessmortalität im Vergleich zu denselben Monaten der drei vorangegangenen Jahre sind im nationalen und internationalen Vergleich sehr gering.
Auf welche Zukunftsszenarien bereitet sich der Salzburger Corona-Krisenstab noch vor?
RICHARD GREIL: Wir müssen auf eine zweite Welle vorbereitet sein. Die geringe Durchseuchungsrate der Bevölkerung, die dadurch wahrscheinlich geringe „Herdenimmunität“, die internationalen Rechenmodelle und die Vergleiche mit den großen acht Influenzapandemien lassen eine oder mehrere weitere Wellen wahrscheinlich erscheinen. Zwar ist die Ausgangssituation mit etablierten Strukturen von Abklärung und Behandlung, Schulung und Schutzmaterial günstiger, allerdings ist möglicherweise die Bereitschaft der Bevölkerung, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit hinzunehmen, geringer. Es muss maximale Aufmerksamkeit auf Neuinfektionen gerichtet werden, diese müssen rasch identifiziert und isoliert werden. Wichtig wird strategisches Testen sein.
Als wie bedenklich bewerten Sie die aktuellen Lockerungen?
RICHARD GREIL: Sie sind politisch, ökonomisch und psychologisch verständlich. Allerdings müssen sie mit massiver Disziplin im Einhalten der Regeln gepaart sein, da ansonsten durch die starke Kontaktzunahme das Wiederaufflackern der Infektion rasch stattfinden kann. Um diese Disziplin fürchte ich.
Gibt es Beispiele für Langzeit-Lungenschäden bei Corona-Patienten in Salzburg?
RICHARD GREIL: Wir sind dabei, Patienten die die Infektion durchgemacht haben, zu untersuchen, für ein Urteil ist es zu früh. Aus dem Vergleich mit anderen Coronavirus-Infektionen wie Sars weiß man, dass beträchtliche Lungenschäden bis zu 15 Jahre anhalten können.
Wo steht man aktuell bei Medikamenten oder Behandlungen gegen das Virus?
RICHARD GREIL: Die wissenschaftliche Medizin entwickelt sich sehr rasch, das antivirale Mittel Remdesivir ist gerade in den USA auf Grund vielversprechender Daten notfallmäßig zugelassen worden. Wir selbst sind an internationalen Studien zu Remdesivir und einem neuen Medikament beteiligt, das das Eindringen des Virus in die Lungenzellen verhindern soll. Wir verwenden auch Medikamente gegen die überschießende Immun- und Entzündungsreaktion.
Bereits bevor eine Impfung gegen das Virus in Sicht ist, schreien Impfgegner schon auf. Wird es Normalität ohne hohe Durchimpfungsrate geben können?
RICHARD GREIL: Eine Durchimpfungsrate von 60 bis 70 Prozent mit einem wirksamen und sicheren Impfstoff ist Voraussetzung für einen ausreichenden Schutz der Gesamtgesellschaft. Damit können immer noch relevante Infektionen auftreten. Wenn aber gute Medikamente zur Verfügung stehen und die Patienten rasch in Spezialstationen behandelt werden, wäre damit die Rückkehr zur Normalität sichergestellt.
Werden wir jedes Jahr aufs Neue mit dem Corona-Virus umgehen müssen?
RICHARD GREIL: International wird damit gerechnet, dass mit der Verfügbarkeit von Medikamenten und Impfstoffen der Druck auf das Virus zur Mutation steigt und damit auch regelmäßig abgewandelte Impfstoffe erforderlich sein werden.
Jeder Salzburger hat zum Thema Corona-Virus etwas zu sagen. Wie schwierig macht das die Arbeit von Ärzten?
RICHARD GREIL: Eine breite Meinungsvielfalt ist in einer freien Gesellschaft zum Glück normal, damit muss man in der Medizin umgehen können. Traurig und bedenklich stimmen mich allerdings die zum Glück seltenen unmenschlichen und rücksichtslosen Aussagen gegen die Betroffenen, insbesondere ältere Menschen. Wir brauchen für eine starke Gesellschaft Zusammenhalt und nicht Polarisierung.
Konnten Sie in den letzten Wochen schon einmal entspannt durchatmen, oder sind Sie immer noch in Alarmbereitschaft?
RICHARD GREIL: Die Zeit ist nach wie vor In Anspruch nehmend.
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