Psychotherapie / Psychologie
Stimme, Stimmprobleme und Atmung

Foto: Fotorechte: Dominik Reccius

Atem- und Stimmtherapie sind wesentliche Bausteine und Methoden einer integrativen, modernen Psychotherapie

Durch die Atmung und Stimme lernen wir unseren Körper nämlich besser kennen und bilden ein anderes Körperbewusstsein aus. In der Stimmtherapie geht es sowohl um emotionale als auch um kognitive Prozesse.

Film: "Unsere Stimme: Was sie über Persönlichkeit und Krankheiten verrät"

Gute Atmung fördert unsere Gesundheit

Atmung gibt uns Raum und Halt und ist eine wesentliche Voraussetzung, um sich gut zu erden, innezuhalten und zur Ruhe zu kommen. Beim Einatmen werden wir aktiviert, beim langsamen Ausatmen entspannen wir uns.

Atmen wir zu schnell, zu flach und zu viel Luft ein, so wird unser Körper gestresst, im schlimmsten Fall können wir bei zu flacher Atmung auch eine Panikattacke bekommen. Atmen wir ruhig, tief, langsam und entspannt, so kommen wir in einen Zustand der Ruhe und Entspannung. Durch langsames Ausatmen und ruhige Atmung verlangsamen sich unsere vegetativen Prozesse und unser Herzschlag.

Durch eine bewusste und tiefe Atmung können wir uns besser konzentrieren und fokussieren. Verspannungen in der Muskulatur lassen sich leichter lösen und wir stärken unser allgemeines biopsychosoziales Wohlbefinden. Unsere Organe werden besser durchblutet, Stress wird abgebaut und unser vegetatives Nervensystem beruhigt sich. Somit ist eine tiefe Atmung auch eine gute gesundheitliche Prävention und Selbstfürsorge.

Filmtipp: "Atmen – so baust du Stress ab und beruhigst dein vegetatives Nervensystem"

Unsere Psyche klingt durch unsere Stimme

Beim Ausatmen trifft unsere Atemluft auf Widerstand (die Stimmlippen im Kehlkopf) und erzeugt so Schwingungen, den einzigartigen Ton unserer Stimme. Dabei hat jede Stimme einen Grundton, aber auch viele Obertöne, welche wir als Klangfarbe wahrnehmen. Eine gute aufrechte Körperhaltung, eine tiefe Atmung und eine gesunde Muskelspannung sind wesentliche Voraussetzungen für eine klingende und klangvolle Stimme.

Auch die Arbeit mit der eigenen Stimme ist eine schöne Möglichkeit, sich selbst und den eigenen Leib besser kennenzulernen. Stimme und Atmen sind wesentliche Wege, um Achtsamkeit und Akzeptanz zu entwickeln.

Über unsere Stimme teilen wir viele Emotionen mit und drücken uns aus.

So können uns Stimmen ermutigen und aufbauen, aber auch bedrückt werden lassen. Durch die Stimme lassen sich Menschen manipulieren. Psychotherapeut*innen nutzen in der Hypnotherapie bewusst die suggestive Kraft der Stimme, um ihren Patient*innen zu helfen.

Dabei sind über 100 Muskeln an der Erzeugung unserer individuellen und einzigartigen Stimme, deren Prosodie und Timbre beteiligt. So überrascht es auch nicht, dass sich unser psychisches und somatisches Wohlbefinden oder Unglück stark im Klang unserer Stimme verkörpert.

Einerseits lassen sich Emotionen über die Stimme dadurch verstärken, indem ich als Psychotherapeut mit meinen Patient*innen übe, den Gefühlen einen stimmlichen Ausdruck zu geben. Anderseits lassen sich schwierige Emotionen, Übererregung, Emotionsüberflutungen dadurch abmildern, indem ein*e Patient*in über ein Ärger auslösendes Thema mit ruhiger, tiefer, entspannter, weicher Stimme und Prosodie spricht.

Singen und eine gesunde Tiefenatmung führen zur Ausschüttung von Glückshormonen und dem Bindungshormon Oxytocin. Auch hier wird deutlich, wie eng die Seele und die Stimme miteinander verbunden sind. Die Stimme steht jedenfalls in einem systemischen und komplexen dynamischen Verhältnis zur Körperhaltung, zur Mimik, zum leiblichen Wohlbefinden, zur Persönlichkeit des/der Sprechenden, aber auch zu den Sprechinhalten und zur jeweiligen Situation.

Was sind psychogene Stimmstörungen?

Bei psychogenen Stimmstörungen können keine organischen und körperlichen Ursachen für die Stimmprobleme gefunden werden. Bei chronischer Anspannung im Körper, bei dauerhaftem Stress und bei flacher und gepresster Atmung kann unsere Stimme rasch Schaden nehmen. Psychogene Stimmstörungen treten in der Regel auf, wenn Menschen ihre Stimme gar nicht übermäßig beanspruchen.

Typische Stimmstörungen sind:

  • eine ständig raue oder heisere Stimme
  • Stimmlosigkeit oder völliger Stimmverlust
  • eine belegte oder gepresste Stimme

Was können die Ursachen psychogener Stimmstörungen sein?

Die Ursachen sind komplex und vielfältig. Darunter fallen

  • schwere Traumatisierungen in den ersten Lebensjahren
  • unverarbeitete Schockerlebnisse
  • Gewalterfahrungen
  • eine Posttraumatische Belastungsstörung
  • unterdrückte Emotionen, wie etwa Wut oder Trauer
  • Depressionen
  • chronische Angstzustände
  • chronische Überlastung, Erschöpfung und Stress
  • schwierige Lebensumstände und Lebenssituationen

Film: "Unsere Stimme Ein Phänomen und seine Erforschung Doku über die Stimme"

Eine psychologische Atem- und Stimmtherapie kann Ihnen helfen, wenn Sie Atem- oder Sprachprobleme haben, die psychogene oder psychosomatische Ursachen haben. Aber auch bei Ängsten, Angststörungen und Panikattacken ist eine Sprach- und Stimmtherapie sehr hilfreich und wohltuend.

Die psychologische Stimmtherapie befasst sich vornehmlich mit den psychogenen und seelischen Ursachen von Stimmstörungen. Seelische Ursachen können zu schweren Stimmstörungen führen, die den Anschein haben, als sei die Stimme organisch krank. In der psychologischen Stimmtherapie geht es darum, ein gutes Gesprür für die eigene Stimme und deren Prosodie zu entwickeln.

Typische Atemübungen, die der Stimme gut tun, sind

  • die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
  • Atemmeditationen
  • Achtsamkeitsübungen
  • Meditationen
  • Traumreisen

Film: "Die 4-7-11 Atemtechnik hilft gegen Stress und bei Schlafproblemen"

Was sind Sprachstörungen?

Sprachstörungen liegen dann vor, wenn das gedankliche Erzeugen von Sprache schwer beeinträchtigt ist. Betroffen sind vor allem das Sprachvermögen, der Wortfluss und der Aufbau der Sprache. Ein Beispiel für eine Sprachstörung ist das Stottern. Eine Sprachstörung in diesem Sinne hat psychologische Ursachen und keine physiologischen oder motorischen.

Film: "Stottern: Wenn Wörter hängen bleiben"

Die Stimme des Psychotherapeuten

Die Sprache, das Sprechen und die Prosodie unserer Stimme werden in Beratung und Therapie oft unterschätzt. Das Maskentragen während der Pandemie von COVID-19 hat uns nicht nur einen Teil unserer Mimik genommen, sondern auch die Prosodie negativ beeinflusst bzw. unser Sprechen und Hören erschwert.

Dabei ist unsere Stimme ein wesentlicher Wirkfaktor und ein bedeutsames Instrument in therapeutischen Prozessen. Ein bewusster Einsatz unserer Stimme in der Therapie will geübt und trainiert sein. Die Prosodie unserer Stimme wird zudem immer durch unsere Psychodynamik beeinflusst.

Stimme und Sprache werden unterschätzt

In der Ausbildung von Psychotherapeut*innen, Psycholog*innen, Lehrer*innen und anderen Helfer*innen spielen der bewusste Einsatz unserer Stimme und die körpertherapeutisch orientierte Selbsterfahrung unserer Stimme so gut wie gar keine Rolle. Auch in Supervisionen kommen diese Aspekte viel zu kurz.

Die Prosodie unserer Stimme wird sehr stark von unbewussten und unwillkürlichen Prozessen beeinflusst. Daher erfordert der bewusste Einsatz unserer Stimme ein intensives Training und psychotherapeutische bzw. psychologische Supervision.

Die verkörperte Stimme spielt in Psychotherapie, Beratung und Unterricht eine herausragende Rolle. Sie ist Teil unserer Persönlichkeit und ein sensibles Instrument, das der Pflege und Supervision bedarf.

Viele Psychotherapeut*innen und Helfer*innen verfügen auch über keinerlei Grundkenntnisse in Rhetorik. Gerade in der Hypnotherapie allerdings ist die Rhetorik immens wichtig. Dabei geht es nicht darum, Klient*innen und Patient*innen zu manipulieren, sondern vielmehr um den Wirkfaktor, was Pacing und Leading betrifft.

Film: "Unsere Stimme Ein Phänomen und seine Erforschung"

Die Psychodynamik zeigt sich in unserer Stimme

Die Prosodie hat immer psychodynamische, aber auch personale und authentische Anteile. Wollen wir unwillkürliche Prozesse in unserer Stimme und Sprache beeinflussen, so erfordert dies viel Übung und Training von uns als Helfer*innen. Nur so lassen sich alte, festgefahrene neurobiologische Muster verändern.

Ihre Stimme kann die Beziehung zum Patienten/zur Patientin positiv fördern und stellt damit einen wichtigen Wirkfaktor dar, eben ein Instrument.

Scham wegen der eigenen Stimme

Auch viele Psychotherapeut*innen wurden im Laufe ihrer Entwicklung und Sozialisation bezüglich ihrer Stimme und Prosodie beschämt, etwa wenn sie in der Schule zu laut oder zu leise sprachen. Viele Beschämungen fanden wegen der Sprache und Stimme statt und haben sich körperlich in Atmung und Stimme als Blockaden oder Verspannungen eingefleischt.

Zudem hören wir unsere eigene Stimme ganz anders. Deshalb erleben wir sie, wenn wir eine Aufnahme hören, als fremd und nicht zu uns gehörig. Viele Helfer*innen mögen ihre eigene Stimme dann nicht.

Wichtig ist es an dieser Stelle zu wissen, dass der der Klang und Schall unserer Stimmbänder direkt über das Jochbein, den Unterkiefer, die Schläfe und von dort vom Knochen ans Innenohr weitergeleitet werden. D.h. wir selbst hören eine ganz andere Klangfarbe als das unsere Mitmenschen tun. Knochen, Muskeln, Fleisch und Gewebe dämpfen nämlich die Schwingungen unserer Stimme. Manchen Therapeut*innen hilft dieses Wissen, sodass sie sich nicht mehr sosehr für den Klang ihrer Stimme schämen.

Übertragung und Gegenübertragung in der Stimme

Auch Übertragung und Gegenübertragung bilden sich in der Prosodie im Therapiezimmer ab. So kann es therapeutisch sinnvoll, aber je nach Situation auch kontraproduktiv sein, wenn ich auf die ängstliche Stimme meines Gegenübers mit einer ängstlichen Stimme antworte.

Bei einem narzisstischen Patienten hingegen, der mich als Psychotherapeut abwertet oder übergriffig wird, werde ich mit einem gewissen Schneid antworten und eine bestimmte Härte in meine Intonation und Prosodie legen. Körperhaltung, Atmung, Mimik, Gestik und sachlicher Inhalt sollten dabei kongruent sein.

Meist wird es sinnvoll sein, mit ruhiger, sonorer, tieferer und entspannter Stimme der ängstlichen Patientin Halt zu geben. Dies erfordert, dass ich meine eigene Prosodie bewusst einsetzen kann, ein gutes Gefühl und Gespür für meine Atmung und Stimme habe und mich diesbezüglich supervidieren lasse.

Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)

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