Gletscherschmelze am Dachstein – Disneyland conta Naturschutz

- Klaus Reingruber (Blue Sky): "Seit 2006 sind 20 Millionen Kubikmeter Wasser am Gletscher verloren gegangen". (am Bild mit Leo Windtner und Rudi Anschober)
- hochgeladen von Thomas Kramesberger
Klimaschutz contra Tourismus am höchsten Berg Oberösterreichs: Eine Reportage der BezirksRundschau.
DACHSTEIN/OÖ/STMK (tk). Der schnellste Weg zum höchsten Berg Oberösterreichs führt über die Steiermark. Vom Salzkammergut aus lässt man Bad Aussee und Liezen hinter sich, zieht am Grimming und dem herausgeputzten WM-Ort
Schladming vorbei, und gelangt schließlich nach Ramsau.
Wie ein steinerner Thron ragt der 2995 Meter hohe Dachstein über den kleinen Ort und wacht über die Landesgrenze zwischen OÖ und der Steiermark. Am Ende der baufälligen, mäandernden Straße von Ramsau in Richtung Türlwandhütte, auf 1702 Metern Seehöhe, liegt die Südwandbahn. Seit ihrer Errichtung 1969 pilgern Touristen, Skifahrer, Wanderer und Fotografen auf den Gletscher. Gleichzeitig markiert dieses Datum das Ende des „echten Alpinismus“ am Dachstein.
Wo 1812 Erzherzog Karl bei der Erstbesteigung des Hohen Dachsteins an einem Eisfeld scheiterte, tummeln sich heute hundertausende Gäste pro Jahr. Vom Abenteuergeist damals ist nicht viel geblieben. Die Spaßgesellschaft hat den Gletscher in Besitz genommen – mit Unterstützung der Touristiker. Sogar das Eisfeld, das den Habsburger damals zum Umkehren veranlasste – es ist heute verschwunden. Vielmehr erwartet die Gäste auf 3000 Meter eine Aufforderung: „Macht, was Ihr wollt“, ist in dicken Lettern an der Wand der Bergstation zu lesen.
Souvenirs & Förderband
Wenige Schritte weiter, nach dem Gasthaus und dem unvermeidlichen Souvenirshop, pflanzten die Touristiker ein Förderband für faule, fußmarode Touristen (siehe Foto unten). Daneben wird gehämmert, geflext und gesägt. Es stinkt nach Benzin und verbranntem Stahl. Baustelle am Gletscher. Dann, am Ende des Förderbandes – der Eispalast.
Bis die BezirksRundschau im November 2013 die falsche Grenzziehung am Dachstein aufdeckte, war er eine Dauerbaustelle. Mit Baggern und schwerem Gerät kämpfte der Mensch gegen die Naturgewalten, gegen das Abschmelzen des Gletschers und dafür, dass noch mehr Touristen die Eisspalte bewundern können. Einem weiteren Ausbau des Eispalastes, der bereits angedacht war, stehen jetzt die Naturschutzauflagen des Landes OÖ entgegen.
Doch die Gletscherspalte ist nur ein Mosaiksteinchen am steirischen Dachstein: Skywalk, Brücke ins Nichts, Hängebrücke und der „Dachstein Superpark“ für Skifahrer und Snowboarder mit Schanzen, Rampen und Rails: Alles zusammen ein Event-Disneyland auf 3000 Metern.
Die Widersprüchlichkeit im alpinen Grenzgebiet wird aber erst am Hallstätter Gletscher greifbar. Während man vom Bundesland Steiermark nach Oberösterreich durch ein abschmelzendes Schnee- und Eisfeld stapft, wird aus Event-Kultur schnell Natur-pur. Die Steiermark nutzt jeden Quadratzentimeter des Gletschers touristisch. In OÖ, am Hallstätter Gletscher, herrscht hingegen Stille. Ein Berg, zwei Welten.
Mit Bedacht führen dort Blue Sky Wetteranalysen und die Uni Innsbruck im Auftrag des Landes OÖ und der Energie AG Massemessungen durch. Sie graben sechs Meter tiefe Löcher und stecken Sonden in den Schnee. Und ihr Befund lässt wenig Interpretationsspielraum: Der Gletscher schmilzt. Rapide. Allein im Winter 2010/2011 verlor der Dachstein eine zwei Meter dicke Eisschicht. Das sind zirka fünf Millionen Kubikmeter Wasser.
Gletscher schrumpft
Das ewige Eis ist Teil eines austarierten Ökosystems, das mit dem Klimawandel zunehmend ins Wanken gerät. „Der Dachstein ist eines der wichtigsten Retentionsbecken“, sagt Energie AG-Direktor Leo Windtner. Die Stromerzeuger blicken seit Jahren sorgenvoll gen Süden. Wenn der Gletscher schmilzt, ist die Wasserversorgung der Flüsse und somit die Energiesicherheit gefährdet. Obwohl die Niederschlagsmenge steigt, wächst der Gletscher nicht, im Gegenteil. Mit dem Steigen der Schneefallgrenze lässt der Regen den Gletscher schneller abschmelzen und das Wasser wird kürzer gespeichert.
Im Salzkammergut ist das Hochwasser 2013 noch gut in Erinnerung. Ohne Speicherfunktion des Gletschers wäre dieses viel verheerender ausgefallen, meint OÖ-Umweltlandesrat Rudi Anschober. Unisono kritisierten der Grünen-Politiker und der Energie AG-Generaldirektor bei einem Pressetermin am Gletscher die EU-Klimapolitik. Die Förderung der Braunkohle und anderer klimaschädlicher Energieträger ist ihnen ein Dorn im Auge. Doch, die EU ist weit weg. Eine einheitliche Klimaschutzpolitik scheitert seit Jahren – die Mitgliedsstaaten wollen sich nicht dreinreden lassen.
Gleiches beobachtet man in Österreich. Genau wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien klimapolitisch hacheln – ebenso treten die Widersprüche zwischen OÖ und der Steiermark am Dachstein zu Tage.
Beim Rückweg vom Hallstätter-Gletscher in Richtung Südwandbahn betritt man wieder das Alpen-Disneyland. Es ist nicht viel los, das Wetter ist schlecht. Aber die Spaßgesellschaft macht keine Pause. Die Stille am Gletscher ist weg. Jetzt gilt wieder: „Macht, was Ihr wollt“. Umwelt- und Klimaschutz trifft Tourismus im hochalpinen Grenzgebiet – zwei Seiten einer Medaille. Kein Gewinner, nur Verlierer.
Exklusiv-Berichte der BezirksRundschau zum Dachstein:
OÖ hat ein Stück Steiermark erobert – neue Landesgrenze am Dachstein
LH Pühringer: Freuen uns über jeden Quadratmeter OÖ
Das Youtube-Video von Lyubomir Klingbeil zeigt den Eispalast am Dachstein, der seit 2014 offiziell auf OÖ-Gebiet liegt.
Zur Sache: Eispalast (Quelle: Wikipedia)
Der Eispalast wurde 2007 in das Eis des Schladminger Gletschers geschlagen. Er umfasst mehrere Räume, wie etwa den Thronsaal, den Kristalldom oder den blauen Salon. Die Säulen des Thronsaals und einige Verzierungen wurden zur Eröffnung von chinesischen Eisschnitzern per Hand aus dem Eis gearbeitet. Im Zuge der Arbeiten stieß man auf eine Gletscherspalte, die man durch eine Sichtluke besichtigen kann.





Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.