Freispruch für 21 Jahre alten Mann
IS-Propaganda nicht nachweisbar
Zu einem rechtskräftigen Freispruch im Zweifel kam es im Prozess gegen einen 21-jährigen Tschetschenen aus St. Pölten, der im November 2021 per WhatsApp einen Nasheed (religiöser arabischer Sprechgesang) einem Chat-Partner zukommen ließ, der dem engsten Umfeld des IS-Attentäters von Wien zuzuordnen ist.
ST. PÖLTEN. Der St. Pöltner Staatsanwalt Leopold Bien legte dem Angeklagten daher zur Last, Mitglied einer kriminellen Organisation zu sein und durch die Übermittlung der Audiodatei eine terroristische Vereinigung propagiert zu haben. Wie Bien betonte, seien die Inhalte des Nasheeds äußerst bedenklich. Damit versuche die Terrororganisation IS politisch-religiöse Politik zu propagieren und mit Gewalt durchzusetzen.
„Mein Mandant wird sich nicht schuldig bekennen“,
erklärte dagegen Verteidigerin Susanne Binder-Novak. Der Sprechgesang sei in arabischer Sprache, die der Angeklagte nicht beherrsche. Er habe also gar nicht gewusst, um was es sich inhaltlich handle.
Bei Chatgruppe dabei
Die Frage von Richter Markus Grünberger, ob er jemals Sympathie für den IS empfunden habe, verneinte er vehement. Er kenne auch diesen Chatpartner nicht persönlich, sondern sei in der Zeit, als er intensiv Kampfsport betrieben habe, zu dieser Chatgruppe gekommen. Ob es sich bei dessen Namen um seinen richtigen handle, wisse er nicht, es sei ihm jedoch bekannt, dass er sich in Graz aufhalte. Er habe sogar jetzt noch Kontakt mit ihm, über das Teilen des Nasheeds habe er nicht mehr mit ihm gesprochen. Ob er sich den Gesang selbst angehört habe, wisse er nicht mehr, verstanden habe er nur den Titel des Liedes, so der Beschuldigte.
Die fragliche Datei tauchte auf, als der Tschetschene im Zuge einer Schlepperfahrt als Beitragstäter in Deutschland verhaftet wurde, wo man ihn danach verurteilte und nach zwei Monaten Haft nach Österreich abschob.
Grünberger konfrontierte den 21-Jährigen mit Auszügen aus der Übersetzung des Textes, wo unter anderem zu hören war:
„Wie können wir die fetten Affen und Schweine abstechen?“
Er kenne nur wenige arabische Wörter, da er die Sprache lernen wollte, um zu verstehen, was er als Moslem im Koran lese, so die Reaktion des Angeklagten. Für den Liedtext würden seine Sprachkenntnisse jedoch nicht ausreichen.
So kommt's zum Freispruch
Zum Freispruch führte vor allem der Zeitablauf, wonach der Beschuldigte die Datei von dem Chatpartner erhielt und sie etwa eine halbe Minute später auf dessen Wunsch wieder zurückschickte, da sein Partner sie irrtümlich gelöscht habe. „Da können Sie sich den Nasheed vor dem Teilen nicht angehört haben“, begründete Grünberger den Freispruch.
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