Terrorprozess am Landesgericht St. Pölten vertagt
34-Jährigem, zuletzt in St. Pölten wohnhaft, wird Verbrechen der terroristischen Vereinigung sowie der kriminellen Organisation vorgeworfen.
ST. PÖLTEN (ip). Der Prozess gegen einen 34-jährigen Tschetschenen am Landesgericht St. Pölten musste vorerst vertagt werden. Staatsanwalt Patrick Hinterleitner wirft dem zehnfachen Vater die Verbrechen der terroristischen Vereinigung sowie der kriminellen Organisation vor, zu denen sich der Angeklagte nicht schuldig bekennt.
Der bekennende Muslim, sunnitischer Ausrichtung kam 2009 nach Österreich und erhielt 2012 Asylstatus und Flüchtlingseigenschaft. Ein Auslieferungsbegehren der russischen Generalstaatsanwaltschaft wegen der Teilnahme an einer bewaffneten Formation wurde vom Oberlandesgericht Wien abgelehnt. Zuletzt wohnte der Tschetschene mit seiner Familie in der Landeshauptstadt, ist arbeitslos und erhält Sozialleistungen von mehr als 3.000 Euro. Seinen Namen hat er unmittelbar nach seiner Einreise in Österreich offiziell geändert. Seine Begründung: „Ich wurde verfolgt!“
Laut Anklage habe der Beschuldigte 2005 an Versammlungen mehrerer bewaffneter Kämpfer in einem Berglager nahe der tschetschenischen Hauptstadt teilgenommen, wo unter anderem ein Angriff auf ein Dorf vorbereitet sein soll, der sich am 14. August 2015 tatsächlich ereignete. Seine Aufgabe sei es gewesen, die Rebellen, die für einen eigenen tschetschenischen Staat kämpften, mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen.
„Ich habe den tschetschenischen Staat unterstützt und verteidigt“, erklärte der Mann, in dessen Verwandtschaft auch einige führende Köpfe der Vereinigung sein sollen, die unter der Führung von Doku Umarow, der sich als „Emir des Kaukasus-Emirats“ bezeichnete, gegen die russische Herrschaft kämpft. Das "Emirat Kaukasus" bekannte sich zu mehreren terroristischen Angriffen, darunter das Attentat auf die Moskauer U-Bahn 2010, den Anschlag auf einen Flughafen in Moskau 2011, sowie zu den Anschlägen von Wolgograd Ende 2013, denen zahlreiche Menschen zum Opfer fielen.
Er habe die Rebellen 2005 nicht mit terroristischen Aktionen in Verbindung gebracht, behauptete der Angeklagte und der Frage des Richters, ob er die Änderung der Taktik, sowie den immer stärker werdenden Einfluss der Religion nicht mitgekriegt habe, wich er mit längeren Erklärungen aus, ohne die Frage zu beantworten. Zu einem Bild, das einen bewaffneten Mann mit Doku Umarow zeigt, meinte er: „Das bin ich nicht!“ Ein Grund dafür, dass der Prozess vertagt werden musste, um das Bild entsprechend auszuwerten. Ebenso muss ein Video, das in tschetschenischer Sprache abläuft, nochmal unter die Lupe genommen werden.
Verhaftet wurde der Mann schließlich, nachdem er 2015 auf seinem öffentlich zugänglichen Facebookprofil ein Propagandavideo des „Emirat Kaukasus“ gepostet hatte. „Irrtümlich“, wie er meinte. Er kenne sich da nicht so gut aus, wollte es eigentlich nur anschauen. Tötungsvideos des IS, dem sich „Emirat Kaukasus“ angeschlossen hat, bekäme er von einer Gruppe, die über solche Themen diskutiere und zu den tausenden an Bildern auf seinem Handy, zum Großteil mit islamistischer Propaganda und Verherrlichung von Gewalt, unter anderem Kinder mit Langwaffen, erklärte der Beschuldigte: „Da sind meine Verwandten drauf!“ Das „Emirat Kaukasus“ sei für ihn eine Terrororganisation, die ihn und seine Familie terrorisiere und seinen Onkel umgebracht habe. Für den Richter stellte sich dabei die Frage, wann er zu dieser Erkenntnis gekommen sei.
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