Identitäre Bewegung - Anmerkungen zur Demo in Klagenfurt
Im Roman "Unterwerfung" zeigt Michel Houellebecq der "Identitären Bewegung" auf, dass sie, die Identitären, für die gleichen Werte und Ziele stünden, die auch für ihr Feindbild, den Islamisten, prägend sind.
Wie sollen wir den Hunderttausenden verzweifelten Menschen begegnen, die sich im Norden Afrikas oder an den Küsten Syriens sammeln, um endlich Krieg und Hunger zu entfliehen und die versuchen, das Meer zu überqueren, um in Europa Zuflucht zu finden?
Für den Philosophen Slavoj Žižek ist die unmittelbare Hilfe für Menschen in Not moralisch absolut unabdingbar.
Aber unsere Werte wie Universalismus, Menschenrechte, Solidarität, Aufklärung sieht er bedroht. Für Žižek sind diese Werte das Herzstück Europas. "Diese Werte sind momentan von zwei Seiten her bedroht", sagt er. Auf der einen Seite durch rechtspopulistische Einwanderungsgegner (wie der "Identitären Bewegung"), die ihr Land am liebsten abschotten wollen und durch die Unsicherheit vieler Menschen neuen Zulauf bekommen. "Auf der anderen Seite ist Europa aber auch bedroht von sentimentalen Linken, die für offene Grenzen plädieren", sagt Žižek . (...)
Leitkultur
Wie verhält sich eine in Zukunft wirklich multikulturelle Gesellschaft, wenn sie an den Punkt des "impossible-à-supporter" gelangt? Ein Ausdruck des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan, den der Philosoph Slavoj Zizek neulich aufgriff. Er bezeichnet die Dinge, die unmöglich zu ertragen sind. Und da gibt es, je nach Perspektive, zwischen Stockholm und Damaskus einiges. Toleranz, sagt Zizek, sei dafür keine Lösung: "Deshalb sage ich als Linker: Wir müssen für unsere eigene Leitkultur kämpfen."
"Die Leitkultur ist eine Auseinandersetzung. Sie ist der gemeinsame Kampf gegen Fundamentalismus und das Anerkennen, dass es auf beiden Seiten Tabus gibt." Žižek sagt weiter: "Wir müssen auf unsere Werte pochen, wenn nun Menschen aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen. Schließlich kommen sie auch, weil sie sich genau solche Werte für sich und ihre Kinder wünschen. Jene sentimentalen Linken, die gegenüber Muslimen am liebsten beide Augen zudrücken möchten, bevormunden sie eigentlich und nehmen sie nicht als politische Akteure ernst. Sie trauen ihnen ja nicht einmal zu, böse zu sein, sondern nehmen Fundamentalisten in Schutz, wenn sie ihre Frauen unterdrücken, und behaupten, wir hätten kein Recht, uns in deren Kultur einzumischen."
"Wenn wir Migranten ernst nehmen und uns mit ihnen auseinandersetzen", folgert Žižek , "kann daraus eine Chance für Europa werden, ein emanzipatorisches Projekt, in dem wir den Kern Europas stärken. Nur so lassen wir rechten Populisten keine Chance."
Žižek wurde gefragt, wie utopisch ist ein solches Projekt angesichts der drängenden ganz praktischen Probleme derzeit, sei. Er antwortet:
"Die wahre Utopie wäre es, zu denken, dass alles einfach so weiterläuft, wenn wir nichts unternehmen. Wir leben in gefährlichen Zeiten, da brauchen wir radikale Gesten. Wir dürfen Terroristen und deren Opfer nicht verwechseln. (...)
Vielleicht ist eine gelebte globale Solidarität eine Utopie. Doch wenn wir nichts tun, dann sind wir wirklich verloren (..)
Am Ende bleibt mir nur noch ein Satz von William Butler Yeats:
"Die Besten sind des Zweifels voll, die Schlimmsten von der Kraft der Leidenschaft erfüllt."
Slavoj Žižek: Blasphemische Gedanken Islam und Moderne
Michel Houellebecq: Unterwerfung
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