HOLUNDER. Märchen und Geschichten für Erwachsene, Kinder und Kind gebliebene - Teil 131

Vor kurzem hab ich einen Beitrag über die Holunderbeeren als Immune-Booster geschrieben. Beim Sammeln war ich allerdings nicht ganz so erfolgreich, denn heuer gab es beim Holler ein paar eigenartige Phänomene. Die Beeren auf der Dolde wurden ganz unterschiedlich reif, sahen irgendwie aus wie bunter Pfeffer. Außerdem gabs heuer Blüten und Früchte zur gleichen Zeit. Und noch etwas hat mich in Sachen Holunder zum Grübeln gebracht. Denn er hat, wie die Frau Holle aus der Sagenwelt, zwei Gesichter. Viele Kulturen haben ihn einerseits verehrt und als Sitz Frau Holle, Percht oder Erdengöttin gesehen. Im Wald nehme ich ihn seit Jahren als lästige Staude wahr, die die jungen Bäumchen überwuchert und schließlich eingehen lässt. Die im Übermaß überall aufpoppt, wo man sie eigentlich gar nicht brauchen kann. Mitten in diesen Überlegungen, sind mir die folgenden beiden Stereotypen eingefallen. Voll überzeichnet aber dennoch irgendwie sympathisch, weil sie gar so menschlich sind ; - )  Viel Spaß beim Lesen vom Märchen vom Holunder!

Es warn einmal zwei Nachbarn. Zum einen war da die Griselda. Sie kam aus der Stadt, hatte viele Kräuterausbildungen gemacht und fühlte sich der Natur überaus verbunden, auf ihre Art. Und zum Andern war da der Jackl. Ein ungehobelter Waldbauer, der Tagein Tagaus in seinem Wald herumwerkelte und auf Biegen und Brechen versuchte, seinen Besitz zu erweitern. Beiden hatte es der Holunder angetan. Wenngleich auf völlig unterschiedliche Weise. "Oh Mutter Hulda! Du wunderschöne Frau Holle, Erdengöttin höchstpersönlich!" Tagtäglich pilgerte sie zum Hollerbusch hinterm Haus um Antwort auf alle noch so kleinen Fragen des Lebens zu suchen. Ja, sie liebte den großen schönen Hollerbusch am Hauseck innig. Redete mit ihm, verehrte ihn, teilte mit ihm alle Freuden und Sorgen. "Die Stodingerin is ja plem plem!" feixte der Jackl. "Redet mit der deppatn Hollerstaudn. Des blöde Unkraut, des meine ganzn Grestling umbringt. So a aufdringliche Staudn wie den Holler gibts überhaupt kein zweits Mal auf dera Welt. Hoffentlich findns bald a guats Unkrautvernichtungsmittel dagegn. Überall wuchert er außa und vertut mir mein Wald!"

Für die Griselda war das Frevel. Hochverrat an der Erdengöttin selbst. Sie sah im Hollerbusch die dreieinige Göttin, die in den Blüten im Frühjahr als junges Mädchen erschien, sich im Sommer als erblühte Frau im Roten Kleid zeigte und mit ihren schwarzen überreifen Beeren als alte Frau im schwarzen Kleide schließlich das Absterben der Natur versinnbildlichte.

Dieses Frühjahr machte sich der Jackl wieder ordentlich über Griselda lustig. "Spinnates Weiberleit! Glaubst der blöde Buschn versteht die!" "Sei leise, die Göttin hört ein jedes Wort!" Griselda hielt sich die Ohren zu. "Na, dann soll sie's halt beweisen, deine Göttin, ha? Wo ist sie denn?" Da trat plötzlich ein junges Mädchen aus dem Hollerbusch hervor. "Du glaubst wohl nicht an mich, Jackl? Da muss ich dir wohl einen Wunsch erfüllen, um dich zu überzeugen. Und auch du hast einen Wunsch frei, Griselda!" Griseldas Wunsch kam wie aus der Pistole geschossen. "Reinheit! Ja, ich will Reinheit an Leib und Seele, aber auch draußen rundherum. " Der Jackl verdrehte die Augen. Er wollte Geld, viel Geld. Nein eigentlich war ihm Grund und Boden noch viel wichtiger... "Ich wünsche mir Fülle!" rief da der Jackl laut und kam sich besonders schlau vor, denn dieser Wunsch beinhaltete schließlich ALLES. Und siehe da, Jackl kaufte im Lauf des Jahres ganze zwei Höfe auf, und erwirtschaftete darüber hinaus durch den guten Holzpreis noch einen schönen Batzen Geld. Das Sonderbare war nur, dass er von Tag zu Tag dicker wurde. Ganz so, als hätte er sich überfressen. Griselda hingegen wurde rein - so rein dass ihre weiße Erscheinung fast über dem Boden zu schweben schien. Auch das Haus war ständig blitzeblank und ihre ohnehin schon reine Weste, glänzte so sehr, dass sie alle anderen schier blendete. Eines Tages jedoch begann es sie überall zu jucken und zu brennen und die weiße Haut wurde rot und voller Krätzen. Als wäre es ihr zu sauber geworden, wurde Griselda plötzlich von allen möglichen Allergien geplagt.
Als der Herbst gen Winter ging und die saftigen schwarzen Dolden am Hollerstrauch längst verdorrt waren, stieg ein uraltes Weiblein aus dem Hollerbusch und fragte die beiden wie es ihnen ergangen sei. Betreten beichteten sie der Erdengöttin, was geschehen war. "Ja, ja, sagte Frau Holle ernst. "Wähle deine Wünsche mit Bedacht. Du Jackl, hast dich einfach überfressen! Was du eingeheimst hast sieht man dir auch am Körper an. Und du Griselda, hast deine weiße Weste so rein gewaschen, dass du dich selbst verblendet hast. Ich erscheine so, wie ihr mich braucht um zu lernen, halte den Menschen auch gerne einmal den Spiegel vor. Höret! Zum Glücklichsein braucht ihr weder Geld noch Götzen! Ich rate euch, kommt in eure Mitte und bleibt bei auch selbst. Nicht im Außen sollt ihr suchen, sondern an euch selber arbeiten und auch den neben euch so akzeptieren wie er ist. Schafft ihr das über die Rauhnächt, so sollt ihr euer altes Selbst wiedererlangen. Wenn nicht, so bleibt ihr in euren Wünschen die durch euch selbst zu Verwünschungen geworden sind, gefangen!" So sprach die Holle und verschwand wieder im Hollerbusch.

Langsam kam die Weihnachtszeit ins Land und mit ihr die Wilde Jagd, die die beiden mit beinernen Händen ungnädig anfasste. Als jedoch die Sonne wieder an Kraft gewann hatte sich tatsächlich vieles gewandelt und die beiden Streithanseln waren zu richtigen Freunden geworden. Jeden Nachmittag saßen sie auf Griseldas gemütlicher kleiner Terrasse. Tranken Holundersaft, aßen Holunderkrapfen und heute, da hatte der Jackl sogar ein paar Holunderäste mitgebracht und zeigte seiner Nachbarin wie man daraus Pfeiferl schnitzte. Auf wunderbare Weise hatten sie begriffen, worum es wirklich geht im Leben. Die Göttin mit ihren 2 Gesichtern würden beide jedenfalls so lange sie lebten nicht mehr vergessen. Denn ja, sie konnte heilen und beschenken, aber die Hand mit der sie die Menschen wieder auf den rechten Weg zurück führt, sollte keiner unterschätzen.

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Foto: Diözese Linz/Kienberger
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