OPERNBALL/HORTENSIE. Märchen und Geschichten für Erwachsene, Kinder und Kind Gebliebene - Teil 136

Da heuer der Opernball wie so vieles Corona bedingt ausfällt, hab ich eine Geschichte fertig geschrieben, die schon ein, zwei Jahre in der Schublade liegt. Als Pflanzenmärchen ist sie der Hortensie zugeschrieben. Einerseits da das Wort Hortensie vom lat. hortensius  kommt und so viel wie „zum Garten gehörig“ bedeutet. Andererseits weil angeblich ein gewisser Philibert Commerson, der sich den Pflanzennamen ausdachte, damit eine französische Naturforscherin ehren wollte,  die als Mann verkleidet 1766 bis 1769 mit ihm wahrscheinlich als  erste Frau überhaupt auf einer Weltumsegelung war. Beides passt, so finde ich, irgendwie zu meiner Hauptdarstellerin Fritzi, die es einerseits in die große weite Welt zieht, die aber andererseits dann doch merkt, dass das große Glück daheim - sozusagen im eigenen Garten - liegt...

"Komm einmal her, mein Mädchen!" sagt Fritzis Mutter feierlich und macht eine sehr ernste Miene dabei. Fritzi wird etwas bang. Insgeheim ahnt das Mädchen aus Ebensee schon was kommen wird. "In wenigen Monaten kommst du aus der Schule. Ich denke, es ist an der Zeit dich im Geschäft nützlich zu machen. Bei Großmutter und mir sollst du eine Lehre machen und alles was du wissen musst über das Schneidern unserer Traditionsdirndl von der Pieke auf lernen!" Die Mutter sieht Fritzi erwartungsvoll an. Das Mädchen bleibt jedoch wie versteinert auf dem alten gedrechselten Holzstuhl sitzen. Dann geht sie ohne Worte zur Tür hinaus. Lässt die Mutter einfach stehen. Hinter der Holzhütte presst sie den mitgebrachten Blaudruckpolster gegen das Gesicht und schreit so laut sie kann hinein, bis sie im Gesicht blau anläuft. "Ich will nicht! Ich will nicht! Ich will nicht!" Ruft sie zornig und schlägt mit dem Polster gegen den schiefen alten Zwetschgenbaum. "Das haben sie sich ja fein ausgedacht! Mit ihren uralt-Dirndln in der staubigen Schneiderei vergammeln! Nein meine Lieben! Nicht mit mir!" Fritzi hat ganz andere Pläne! Sie will eine Modeschule machen. Es vielleicht sogar hinaus in die große weite Welt schaffen - Mailand, Paris, New York - all diese Namen hören sich doch wunderbar an, warten nur auf ein Talent wie die kleine Fritzi. Und überhaupt: die Fritzi hat eine To Do List für sich angefertigt: Sie will noch vor ihrem 20. Geburtstag auf dem Opernball tanzen und ihre erste eigene Kollektion haben!

Als das Mädchen wieder hinein kommt, warten Mutter und Großmutter schon auf sie in der schönen alten Bauernstube. "Mich einfach so stehen zu lassen war nicht gerade fair!" rügte die Mutter ernst. "Wenn du andere Pläne hast, mein Kind, dann musst du sie uns schon sagen. Du weißt, dass es bei uns um ein angesehenes Familienunternehmen geht, mit dem du mehr als nur ein Auskommen finden wirst!" Fritzi bläst die Backen auf und verdreht die Augen. "Na gut! Aber ihr wollt ja sowieso immer nur eure Version hören! Also Bitte, hier ist meine... Nachdem Fritzi ihre Zukunftsvisionen in den buntesten Farben ausgemalt hat, herrscht Stille im Raum. Nur die alte Pendeluhr tickt monoton vor sich hin. Mutter und Großmutter sehen sich einen Moment lang wissend an, als würden sie sich ohne Worte unterhalten, so ein eingespieltes Team sind sie. "Ich denke, da wir die Modeschule ganz in der Nähe haben, sollst du es zumindest einmal probieren. Das Handwerk lernst du auch dort. Alles andere wird sich weisen!"

Und so kommt es, dass Fritzi an einem strahlenden Septembermorgen ihre Klasse in der Modeschule bezieht. Den Kopf voller Träume stürzt sie sich wissbegierig ins "neue Leben" wie sie es nennt. Doch leider muss sie bald schon lernen, dass nur die Rockstars beim Sturz in die Menge aufgefangen werden. Unsere Fritzi knallt beinhart auf dem Boden der Realität auf. Fritzi ist klein und dünn. Von Mitschülern und Lehrern wird sie nach ihrem Äußeren gewertet und nicht nach dem, was in ihr steckt. Niemand will ihr Talent erkennen. In der Schule gibt es nur Drill: sauber arbeiten, Genauigkeit, Präzision! Von Kreativität ist hier keine Spur! Das geht unserer Fritzi mächtig gegen den Strich - und weil sie auch keinen Hehl daraus macht, dass ihr das nicht passt, gerät sie bald auch in der Klasse in die Außenseiterposition.  Wuterfüllt setzt sie sich unter den großen blühenden Hortensienstrauch im Schulgarten und zupft ein Blütenblatt nach dem anderen aus einer der großen rosa Blütendolden. "Au! Du Krampenveitl! Sei nicht so grob! Was kann denn die arme Hortensie dafür!" Verdutzt sieht sich die Fritzi um. Da bemerkt sie ein winzig kleine Elfe, die auf den großen Blüten "Trampolin-springt". Da guckst du, was? Grinste die Elfe. Ich bin Hortensie, die Hortensien-Elfe und du bist die Fritzi, hab ich mir sagen lassen. Erzähl mir, warum du immer so wütend bist! Ich bin auch kein einfaches Wesen, das sagen zumindest die anderen.  Ich glaube, wir zwei würden gar nicht so schlecht zusammen passen.

Und so kommt es, dass Fritzi und die kleine Pflanzenelfe Hortensie Freundschaft schließen und die Schule gar nicht mehr sooo schlimm ist. "Hortensie!!!! Eines Tages kommt Fritzi ganz Aufgeregt in den Garten gelaufen. In der Hand wachelt sie mit einem gelben Zettel. "Stell dir vor, Fräulein Grünbaum hat uns von einem Design-Wettbewerb berichtet. Hauptpreis ist eine Karte für den Opernball! Du must mir helfen! Zusammen werden wir das Mega-Dirndl entwerfen und dann tanzen wir in Wien. Dich nehm' ich einfach in der Handtasche mit!" Gesagt getan. Fritzi und Hortensie arbeiten im nächsten halben Jahr wie die Irren. Zuerst studieren sie die Natur, denn die bietet so viele Ideen und noch dazu gratis! Dann machten sie sich ans Zeichnen, entwerfen und schließlich ans Schneidern. Das Dirndl, das in Fritzis kleinem Zimmer entsteht,  ist  hauchzart und schlicht wie eine Frühlingsblume. Hunderte Strasssteine, die die beiden in unzähligen Stunden penibelst genau angebracht haben, lassen es wie Tau im Licht der Frühlingssonne erstrahlen. "So ein Kleid hat noch kein Mensch zuvor gesehen! Es ist einfach ein Traum!" quiekt Hortensie entzückt. Die kleine Elfe sollt Recht behalten. Bald darauf flatterte ein Brieflein ins Haus, das Fritzi als Gewinnerin des Wettbewerbs nominiert.  Mit Stolz und Ehrfurcht nimmt sie die heiß ersehnte Opernball Karte entgegen. Sie bekommt sogar einen Logenplatz bei einem bekannten Wiener Modeschöpfer, der ihr Kleid bei einer Modeshow in Wien präsentieren wird.

Fritzi ist aufgeregt. Genau wie Hortensie, die es sich in Fritzis Handtasche bequem gemacht hat. Gleich nach der Eröffnung  klappern die beiden Landeier die ganze Oper ab, bis ihnen die Füße weh tun. Dann nimmt sich ihr Gastgeber um Fritzi an und stellt sie wichtigen Leuten aus dem Modebusiness vor. Die vielen Namen kann sie sich gar nicht merken. Und irgendwie schwindet - je mehr sie kennenlernt - die Freude und Aufregung die sie Anfangs hatte. "Du Fritzi!" wispert Hortensie. "Die reden ja alle nur leere Floskeln! So als müssten sie krampfhaft ständig auf sich aufmerksam machen!" "Ja, das ist es! Ich hab mich grad gefragt, warum mir die gute Laune vergeht! Irgendwie hat man das Gefühl, dass sie von sich selbst so eingenommen sind, das alles andere an ihrer hübschen Hülle abprallt.  "Ich glaube die haben sich in überladenen Äußerlichkeiten  verfangen, wie in einem Spinnennetz!" prustet Hortensie frech los. "Und schau Fritzi, siehst du den da?! Der hat sogar lauter Nieten im Gesicht! Auweia! Bitte versprich mir, dass du nie so wirst - selbst wenn du nach New York gehst!"  Nein so will die Fritzi  sicher nicht werden. Da lacht die kleine Elfe wieder und zwickt Fritzi in die Nasenspitze. "Na - so weit weg warst du ja dann doch nicht? Du willst  doch noch immer zumindest nach Mailand, oder?"

Fritzi wird ganz nachdenklich. Die Antwort auf ihre Frage bleibt sie Hortensie Schuldig.  Erst Tage später, als sie wieder auf der Bank vorm jetzt noch kahlen Hortensienstrauch sitzen rückt Fritzi mit der Antwort heraus: "Ich will nicht nach New York gehen, Hortensie! Ich glaube ich weiß jetzt wo mein Glück liegt. Nämlich hier daheim - am See inmitten der Berge!"

Und Fritzi soll Recht behalten. Die Verbindungen, die sie in Wien knüpfen konnte waren schon wichtig. Die Bretter die Fritzis Glück bedeuten sind aber auf dem Steg zu finden, der direkt in den See führt. Und genau dort führt sie auch ihre erste eigene Dirndlkollektion vor. Es sind zwar nicht die Traditionsdirndln ihrer Vorfahren, aber eine neue, feengleich zarte und elegante Art, wie sie nur Fritzi und ihrer kleinen Helferin Hortensie einfallen können.

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