Gewalt
Kinderschutzzentrum Wigwam feiert 20-jähriges Bestehen
„Die Signale von gewaltbetroffenen Kindern müssen besser gehört werden“
STEYR/KIRCHDORF. Sechs Mal setzt ein Kind, das von Misshandlung oder Gewalt bedroht oder betroffen ist, Zeichen oder stille Hilferufe an Erwachsene, ehe jemand reagiert oder hilft. Das sagt die Statistik. Demnach wird einem Kind erst beim siebten Hilferuf Gehör geschenkt und geholfen. „Wir arbeiten daran, dass kein Signal eines Kindes übersehen oder überhört wird,“ sagt Sonja Farkas. Sie leitet das Kinderschutzzentrum Wigwam Steyr-Kirchdorf, das soeben sein 20-jähriges Bestehen feiert und offenbar noch viel zu tun hat.
Die Zahlen geben kaum Anlass zum Feiern. Obwohl Gewalt in der Erziehung in Österreich seit 30 Jahren verboten ist, kommen mehr als die Hälfte der Eltern nicht ohne Gewalt aus. Und das obwohl die meisten der Eltern gewaltfreie Erziehung umsetzen möchten. Farkas: „Unter Gewalt an Kindern und Jugendlichen verstehen wir aber auch sexualisierte Gewalt, physische Gewalt, psychische Gewalt oder Vernachlässigung.“ Seit der Gründung im Jahr 1999 haben rund 2.400 Familien aus der Stadt Steyr und den Bezirken Steyr-Land und Kirchdorf im Wigwam Unterstützung gesucht und gefunden. Allein im Jahr 2018 haben die ExpertInnen an den beiden Standorten Steyr und Kirchdorf 820 Stunden Psychotherapie für betroffene Kinder und Jugendliche geleistet. „Mit Therapie alleine ist es aber nicht getan. Ganz wesentlich für den Kinderschutz ist auch die Unterstützung der Eltern und Angehörigen,“ sagt Farkas.
Therapie, Beratung, Begleitung
896 Stunden wurden im vergangenen Jahr aus diesem Grund für Beratung aufgewendet – für betroffene Familien und für Helfer. 50 Kinder haben im Vorjahr bei Verfahren das Angebot einer Prozessbegleitung in Anspruch genommen. Dabei werden die gewaltbetroffenen Kinder im Falle von Strafprozessen auf Einvernahmen bei der Polizei und beim Gericht vorbereitet, begleitet und rechtlich unterstützt. Farkas: „Hier ist enorm viel Fingerspitzengefühl gefragt. Die Kinder und Jugendlichen stehen unter großem emotionalem Druck, wenn sie unter Umständen gegen nahe Angehörige aussagen müssen. Wir müssen Sie auch darauf vorbereiten, dass Recht und Gerechtigkeit – und vor allem was Kinder darunter verstehen – weit auseinanderklaffen können.“
Wigwam als Ansprechpartner etabliert
In den 20 Jahren des Bestehens des Kinderschutzzentrums ist jedenfalls die Sensibilität gegenüber Gewalt an Kindern gestiegen. Das Wigwam ist bei Einrichtungen und Berufsgruppen, die mit Kindern zu tun haben, etabliert. Farkas: „Wir pflegen den Kontakt und bemühen uns um eine reibungslose und verbindliche Zusammenarbeit. Alle sollen wissen, dass Sie sich an uns wenden können, wenn ihnen etwas auffällt oder wenn sie Sorge um ein Kind haben. Dass wir arbeitslos werden, befürchten wir leider nicht. Es wäre schon ein großer Erfolg, wenn Kinder nicht mehr erst beim siebten Hilferuf gehört werden.“
Die Angebote des Kinderschutzzentrum Wigwams für Kinder, Erwachsene und Kooperationspartner sind kostenlos.
Das Wigwam in Zahlen
Anzahl der Mitarbeitender: 8 Teilzeitkräfte (TherapeutInnen und SozialarbeiterInnen), 1999: 3
Anzahl der betreuten Familien im Jahr 2018: 260 Familien (Jahr 2000: 94 Familien)
Anzahl der Kontakte (Beratung, Psychotherapie, Prozessbegleitung, HelferInnenberatung) im Jahr 2018: 2700 Kontakte (Jahr 2000: 810)
In 20 Jahren haben rund 2.400 Familien aus den Bezirken Steyr Stadt, Steyr Land und Kirchdorf im Wigwam Unterstützung gesucht und gefunden.
2018 haben 50 Kinder Prozessbegleitung in Anspruch genommen.
2018 in Stunden: 820 Stunden Psychotherapie, 555 Stunden Beratung, 341 Stunden Helferberatung, 610 Stunden Prozessbegleitung
www.wigwam.at
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