ZWETSCHGENBAUM. Märchen und Geschichten für Erwachsene, Kinder und Kindgebliebene - Teil 111

Gerade habe ich bemerkt, dass unsere Zwetschgen reif geworden sind. Saftig und vollmundig werden sie meist zu einer leckeren Powidl-Marmelade verarbeitet. Ein paar davon werden für den Winter gedörrt. Und dann gibt's natürlich auch Zwetschgenknödel zum Mittagessen. Auf besondere Gelegenheiten, wird bei uns ab und zu mit einem Stamperl Zwetschgernen angestoßen, den allerdings mein Schwager brennt. Als ich grübelte, wie es kommt, dass die Zwetschgenernte heuer ziemlich mager ausfällt, ist mir die heutige Geschichte in den Sinn gekommen, die übrigens auch ganz gut zum nahenden Ferienende passt. Immerhin sind es nur mehr wenige Wochen bis sich auch die Unschlüssigsten entschieden haben sollten, was sie nach dem Abitur machen wollen...

Im Örtchen Mühlendorf wird wieder einmal getuschelt. Diesmal geht es um die kleine Kiara. "Wisst ihr schon das Neueste? Mit dem kleinen Mädchen vom Anwalt Strunzinger stimmt etwas nicht! Während die anderen Kinder spielen, sitzt die Kleine stundenlang im Garten und starrt die Blumen an. Jetzt soll sie sogar angefangen haben, mit ihnen zu reden. Und habt ihr das schon gehört?! Angeblich tut sie sogar, als sehe sie Feen und Naturwesen! Entweder ist das Kind wahnsinnig und gehört in eine Anstalt, oder sie hat solche Flausen, dass man sie ihr mit einer Tracht Prügel austreiben sollte!" Die Mühlendorfer Weiberleut sind höchlichst empört. Wie man so ein Benehmen als Mutter guttieren konnte, ´geht ihnen nicht in den Kopf. Eine anständige Mutter hat so ein Verhalten im Griff!

"Die Strunzinger wird schon sehen, was sie von ihrem unkonventionellen Erziehungsstil hat! Wird ihnen noch ordentlich auf den Kopf fallen, das liegt  auf der Hand. Und überhaupt, wenn man nicht während der Schwangerschaft dabei gewesen wäre und mit eigenen Augen gesehen hätte, müsste man meinen, die Feen hätten sie gebracht. Gott sei Dank, sieht sie ihrer Mutter so ähnlich."

Zum Glück besitzt Kiaras Mutter ein sehr ausgeglichenes,  gütiges Wesen. "Lasst sie nur!" sagt sie stets.  "So wie sie ist, so ist sie recht!"  

Als das Mädchen älter wird, ist es nicht mehr nur die Blumenwiese, die seine Aufmerksamkeit fesselt. Ihr geheimer Rückzugsort ist jetzt der alte Zwetschgenbaum im hintersten Winkel des großen Obstgartens. Er ist knorrig und krumm gewachsen. Rundherum im Kreis wuchert ein Kriecherl-Strauch. Hier im Baum ist Kiaras Reich, denn der alte Zwetschkenbaum ist auch das Tor zur Feenwelt. Seit sie sich erinnern kann flitzt sie dort ein und aus, tanzt mit den Feen und lernt über die Natur. Wie ein Schwamm saugt sie das alte Wissen auf. Die Feenkönigin selbst führt Kiara in die alten Geheimnisse von Mutter Erde ein, so alt wie die Zeit, von den Menschen vergessen. Gemeinsam vergießen sie heiße Tränen über die Art wie sie die Menschen ausbeuten. Mit der Zeit kann Kiara sogar fühlen, wie müde und ausgelaugt Mutter Erde ist. "Irgendwann bin ich Erwachsen und dann werde ich nicht ruhen, bis ich ein Mittel finde, um das Bewusstsein der Menschen wieder für die Sprache der Natur zu öffnen!" ruft das Mädchen eines Tages impulsiv. Die Feenkönigin schweigt, denn sie weiß, dass Kiaras Zeit noch nicht gekommen ist.

Im alten Zwetschgenbaum verbringt das Mädchen unzählige Stunden. Hier fühlt sie sich geborgen. Doch die Magie des Baumes reicht weiter. Solange sie in seinem Schutz weilt, geht sie niemanden ab. Auch Katrins Mutter fühlt die Botschaften des Baumes tief drinnen in ihrem Herzen, weiß, dass ihr Mädchen dort glücklich und beschützt ist. Kiaras Vater ist indes so in seiner Arbeit vertieft, dass er es ohnehin nicht bemerkt, wenn seine Tochter nicht da ist. Mit den anderen Kindern kommt Kiara zwar gut aus, tiefe Freundschaften knüpft sie jedoch nicht. Von denen hat sie genug in ihrer Welt. 

Aber auch die glücklichste Kindheit endet irgendwann. Ein Jahr vor Kiaras Abitur ruft sie der Vater in sein Arbeitszimmer. "Hast du dir schon Gedanken gemacht an welcher Uni du studieren möchtest?" fragt er sie ohne Umschweife. "Uni? Studieren? Was soll das!?" Kiara ist irritiert. Sie hat zwar nur noch ein Jahr bis zum Abitur, von einem konkreten Berufswunsch ist sie  Meilenweit entfernt. "Du wirst  natürlich Jus studieren, was denn sonst! Oder glaubst du ich habe all die Jahre so hart gearbeitet, um die Kanzlei  an einen Fremden zu verscherbeln!" "Mein Platz ist draußen, in der Natur!" entgegnet das Mädchen vehement.  "Deine verstaubte Kanzlei ist der letzte Ort an dem ich versauern werde!" Damit knallt Kiara die Tür zu und rennt schnurstracks zu ihrem Baum. 

"Deine Kindheit ist vorbei", bestätigt ihr auch die Feenkönigin. Es ist an der Zeit, dich deiner Lebensaufgabe zuzuwenden." "Aber wieso soll ich studieren? Ich gehöre hierher, zu euch! Bin mit der Natur mehr verbunden als mit den Menschen. Und Jus will ich auf keinen Fall studieren!" "Wie wär's mit Biologie?" schlägt die Feenkönigin vor. "Die Lehre der Pflanzen und Tiere liegt dir doch..." Kiaras Augen werden weit. "Biologie??? Was soll ich damit?" "Du hast doch selbst schon gesagt, dass du spürst wie sich die gemarterte Welt verändert, spürst neue Schwingungen, starke Spannungen... Ich glaube, es ist deine Aufgabe ihre Dolmetscherin zu werden... " Kiara nickt nachdenklich. Das stimmt schon. Sie nimmt sehr viel wahr. Spürt wie müde unsere Erde ist. Die Gier nach Macht und Reichtum saugen sie aus. Wissenschaftler zeigen auf - Politiker streiten herum, um alles wieder zu vergessen. Es braucht dringend jemanden, der die Sprache von Mutter Erde und ihren geheimen Wesen wieder versteht, der zu ihrem Sprachrohr wird. 

"Aber Vater??! Er wir einem Biologie-Studium niemals zustimmen!" Das lass dem alten Zwetschkenbaum über!" schmunzelt die Feenkönigin.

"Weißt du, die Bachblüte „Cherry Plum“ wird eingesetzt bei Angst vor Gewalt oder Verrücktheit. Sie verhilft zu mehr Selbstvertrauen und lässt einen seine eigene Urkraft leben. Du bist mit dem Zwetschkenbaum verbunden. Er wird dir deinen Weg zeigen. Deinem Vater gib heute Abend ein Stamperl Zwetschgenschnaps zum Schlafengehen. Die Gute Hildegard von Bingen sagte schon vom Pflaumenbaum, dass er den Zorn bezeichne. Mal sehen wie der Schnaps auf deinen Vater wirkt..."

Als sich Kiara mit ihrem Vater abends am Küchentisch zusammensetzt, herrscht eine ganz neue, ausgeglichene Stimmung. "Was hältst du davon, wenn ich Biologie studiere, Vati" beginnt Kiara plötzlich mit neuem Selbstvertrauen. "Biologie...?" Nachdenklich dreht Anwalt Strunzinger das leere Schnapsglas in seiner Hand herum. "Stimmt, du hattest schon immer einen besonderen Hang zu Pflanzen und der Natur..." Da beginnt er plötzlich von einem Ohr zum anderen zu grinsen und Kiara will schon pikiert hochfahren. "Nein, warte, hör mir zu! Ich meinte, wenn man in Sachen Naturschutz wirklich etwas bewirken will, muss man eigentlich in beiden Bereichen verdammt gut sein. Was hältst du davon, Biologie und Jus zu studieren?" 

Da musste drüben im Feenreich auch die Feenkönigin lachen. "Ja, ja, die Kräfte unserer Pflanzen sind manchmal noch viel stärker als man denkt... und ab und zu, da braucht es eben auch einen kleinen Schuss Feuerwasser!"

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