Wieserfeldplatz Steyr
Archionic haucht brachliegendem Gewerbebau neues Leben ein
Am Wieserfeldplatz wurden in einem teilweise 500 Jahre alten Gebäude zehn Wohnungen errichtet – und gleichzeitig Grünflächen statt Beton geschaffen.
STEYR. So gut wie jeder Steyrer kennt das markante Gebäude am Wieserfeldplatz. Der runde Turm an der Ecke gegenüber der Parkgarage stammt aus dem Mittelalter. Viele Jahre beherbergte der Turm und das Gebäude dahinter einen Glasereibetrieb, zuletzt lag der Bau mehr als ein Jahrzehnt brach. Seit Anfang April 2023 haben die Mieter die Schlüssel zu dem teilweise mittelalterlichen Gebäude. Hier entstanden zehn hochwertige Wohnungen.
13 Monate Bauzeit
Nicht ohne Stolz verweist das Steyrer Architekturbüro Archionic auf das innerhalb von 13 Monaten Bauzeit realisierte Projekt. „Dass ein Gebäude mitten im besten Wohngebiet in der Altstadt ungenutzt brach liegt, ist fast eine Schande,“ sagt Architekt Dietmar Seyrlehner. Zehn Wohnungen in einer Größe von 35 bis 108 Quadratmetern und insgesamt 592 Quadratmeter Wohnfläche sowie 40 Quadratmeter Geschäftsfläche im straßenseitigen Erdgeschoß sind im Stadtteil Steyrdorf entstanden. Jede Wohnung verfügt über einen Außenbereich - einen Balkon oder eine Terrasse.
„Mit dem Projekt haben wir nicht nur hochwertigen und verdichteten Wohnraum geschaffen, ein Drittel der Fläche des Objekts konnte sogar rückgebaut und begrünt werden.“ Der von der Straßenseite nicht einsehbare Teil des Gebäudes war vom vorigen Nutzer vor Jahrzehnten überdacht worden. Hier entstand jetzt ein rund 100 Quadratmeter großer, begrünter Innenhof. Für Archionic spiegelt dieses Vorzeigeprojekt die eigene, nachhaltige Philosophie wider. „Wir zeigen damit, dass auch ohne Flächenfraß hochwertiger und leistbarer Wohnraum geschaffen werden kann,“ sagt Architekt Markus Knöbl. Innerstädtische Lagen wie diese seien ein Trend, der einen Gegenpol zur Bebauung von Grünlagen in den Speckgürteln signalisiert.
„Alle Wohnungen waren sofort vermietet“, sagt Robert Steiner, „das beweist nicht nur, dass Steyrdorf ein beliebter Stadtteil ist, sondern auch, dass diese Art von innerstädtischem Wohnen im adaptierten Altbau gefragt ist.“
Überraschungen bei Renovierung
Dass derlei Wohnbau für die Betreiber deutlich komplexer ist als Neubauten auf der grünen Wiese, wird dabei gerne vergessen: „Als Betreiber geht man dabei einige Risiken ein. Die alten Pläne, die vorhanden sind und die tatsächliche Bausubstanz sind zweierlei Dinge.“ So ist das Projektteam bei der Renovierung immer wieder auf Überraschungen gestoßen.
„Einfach ein altes Gebäude erwerben und Wohnungen einplanen, das geht bei einem so alten, denkmalgeschützten Gebäude natürlich nicht.“
Der Denkmalschutz begutachtet die Pläne und Vorhaben sehr akribisch. Für das Projekt musste im Vorfeld von einem Experten sogar eine bauhistorische und baugenetische Bestandsuntersuchung erstellt werden. Auf 70 Seiten ist die gesamte, in Archiven verfügbare Historie des Gebäudes dokumentiert. Erst mit der Erstellung dieser Dokumentation gab es grünes Licht für die Renovierung: „Das sind keine Prügel, die uns vor die Füße geworfen werden, sondern verständliche Auflagen im Sinne des Denkmalschutzes. Die Zusammenarbeit bei dem Projekt ist sowohl mit dem Bundesdenkmalamt als auch mit der Baubehörde des Magistrats Steyr reibungslos gelaufen.“
Spuren zurück bis ins Jahr 1478
Der runde Turm am Wieserfeldplatz, gegenüber der Tiefgarage ist einer der auffälligsten Gebäude im Stadtteil Steyrdorf. Er ist Teil der nur mehr in kleinen Abschnitten erhaltenen Stadtmauer, die bereits im Jahr 1478 errichtet wurde. Die Besiedlung des angrenzenden Wieserfelds ist ab dem Jahr 1543 dokumentiert. Bis ins 19. Jahrhundert diente der Turm als „Wächterhäusl“. Im Jahr 1842 wurde der Turm durch einen Brand in Mittleidenschaft gezogen. Ein Einreichplan aus dem Jahr 1871 verrät das vermutliche Originalaussehen des Turms – ein steinsichtiger, alleinstehender Bau mit gotischen Biforienfenstern im Obergeschoß. In dem Plan ist die Errichtung einer Kegelbahn unmittelbar neben dem Turm vermerkt. Das Erdgeschoß des Turms ist von einem Gewölbe überspannt. Dieser Raum war jahrzehntelang ungenutzt und wurde jetzt renoviert und dient fortan als Fahrradabstellraum für die Mieter. Die Obergeschoße des Turms sind Teile der neu errichteten Wohnungen. archionic.at
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