Tirols Weg in die Freiheit im Mai 1945

Alois Sarg als junger Soldat im Zweiten Weltkrieg.
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Wir schreiben das Jahr 1945. Die anfängliche Kriegsbegeisterung hat sich längst in Angst und Demut gewandelt. Eingeholt von der brutalen Realität des Krieges und gebeutelt von Hunger und Armut, sehnte man das Ende des zweiten Weltkriegs herbei, auch in Tirol. Die Alliierten versprachen die erhoffte Befreiung, die mit Hilfe der heimischen Widerstandsbewegungen im Mai 1945 schlussendlich gelang.
Bis zuletzt wollte Franz Hofer, NSDAP-Gauleiter von Tirol-Vorarlberg, der unter der Fuchtel von Hitler stand, nicht nachgeben und drohte den Gegnern mit der Alpenfestung, welche sich erst im Nachhinein als Propaganda herausstellte. Das Konzept der Alpenfestung wurde nie umgesetzt und existierte de facto nicht, dennoch verfehlte die Nachricht ihre Wirkung bei den Gegnern nicht, die sich anfangs davon einschüchtern ließen.
Die Widerstandsbewegungen ebneten den Besatzungsmächten den Weg, nicht zuletzt auch durch die Operation Greenup in Oberperfuss (über die wir in mehreren Ausgaben berichtet haben) konnte Innsbruck vor weiteren Zerstörungen bewahrt werden. Am 1. Mai brachen die Amerikaner in Scharnitz durch, am folgenden Tag standen sie bereits auf dem Zirlerberg und schon am 3. Mai marschierten die US-Truppen durch das jubelnde Innsbruck. Während in Ostösterreich noch bis zum Schluss gegen die Rote Armee gekämpft wurde, war man in Tirol dagegen glimpflich davongekommen.

"Wer das erlebt hat, kann nur Pazifist werden"

Von der Alpenfestung und dem bevorstehenden Umschwung hat man an der Front nichts gewusst. Einer dieser Soldaten war Alois Sarg aus Axams. Bereits als 15-Jähriger Junge wurde er einberufen und ausgebildet. Genau am Heiligen Abend 1943 schickte man ihn nach Jugoslawien zur Einheit "Skijäger Ersatzregiment 2". Ahnungslos marschierte er auf Skiern in den gefährlichen Krieg.
Dass Alois Sarg gesund nach Hause gekommen ist, hat er vor allem seinen Kameraden zu verdanken. "Einer hat für den anderen alles riskiert. Man hat sich für den anderen verantwortlich gefühlt. Auch als alle hungerten und nur ein Laib Brot vorhanden war, teilte man diesen in sieben gleich große Stücke auf." Dennoch konnte die beste und schönste Kameradschaft nicht über den Schrecken des Krieges hinwegtäuschen. "Wer das erlebt hat, kann nur Pazifist werden."

Waffen niedergelegt

Am 2. Mai 1945 war es dann soweit und die Einheit wurde von den Partisanen aufgefordert die Waffen niederzulegen – der Krieg war vorbei.
Währenddessen wurde in Tirol durch den von der Widerstandsbewegung besetzten Aldranser Sender zu Friede und Ordnung aufgerufen. "Die Stunde Eurer Befreiung ist gekommen. Die gesamte Südfront hat kapituliert. Die Alliierten Truppen stehen vor Innsbruck. Jeder weitere Widerstand wäre nicht nur zwecklos, sondern er ist ein Verbrechen an Volk und Staat. Wer die Waffen weiter führt, den Widerstand auch nur entfernt begünstigt, wird als Verbrecher bestraft."

Weiße Flaggen am Kirchturm

Zusätzlich wurde die erste Ausgabe der Tiroler Nachrichten gedruckt und im Volk verteilt. Um die Dörfer vor weiterer Zerstörung zu bewahren, wurden am Axamer Kirchturm, sowie in Götzens und Birgitz weiße Flaggen gehisst. Auch die Völser stellten nach der Aufforderung der Einheimischen sofort ihre Kampfhandlungen ein, um unnötiges Blutvergießen zu verhindern. Der Friede in Tirol setzte sich durch.
Für Alois Sarg sollte es jedoch noch dauern bis er nach Hause zurückkehren konnte. In Kärnten wurde er 1945 in Kriegsgefangenschaft genommen. Erst daheim erfuhr Alois Sarg von den Gräueln der Nazis, wie dem Konzentrationslager und der Propaganda. Mit Fremdenhass konnte er damals wie heute nichts anfangen. Sein Lebensmotto: Leben und leben lassen.

Die Nachkriegszeit

Eine Axamerin, die wir auf ihren Wunsch hin nicht namentlich nennen, erinnert sich noch gut an die Nachkriegszeit. Tirol war endlich frei, doch die Ernüchterung kam schon nach kurzer Zeit, denn der Krieg hatte seine Spuren hinterlassen. Die Nahrung war knapp, mit Lebensmittelmarken konnten die zustehenden Rationen abgeholt werden, insofern welche vorhanden waren. "Teilweise standen die Leute um fünf Uhr früh auf, um noch einen Laib Brot beim Bäcker zu bekommen. Und im Sommer haben wir als Kinder Beeren und Pilze gesammelt, manches davon haben wir verkauft, um uns Schuhe leisten zu können."

Bombardierungen in Mutters

Ähnlich war die Lage in Mutters. Durch die Nähe zu Innsbruck war Mutters ebenfalls stark von den Bombardierungen betroffen. Die Zeit nach dem Krieg war von Armut geprägt, erzählt Chronist Winfried Hofinger. Man war abhängig von den französischen Zwangsarbeitern, ohne die die Landwirtschaft nicht hätte funktionieren können. In einem Lagebericht von Dr. Winter aus dem Jahre 1945 steht dazu: "Ein Großteil der notwendig zu leistenden Arbeit ist in Tirol in der letzten Zeit vor Kriegsende mit ausländischen Zwangsarbeitern bewältigt worden." Als der Krieg zu Ende war, die Zwangsarbeiter die Arbeit eingestellt hatten und nur wenige Ehemänner und Söhne in die Heimat zurückkehrten, herrschte ein großer Mangel an fähigen Arbeitskräften.

Es dauerte Jahrzehnte bis sich Österreich davon erholt hatte. Diese Zustände sind für die meisten heute unvorstellbar. Der Erste sowie der Zweite Weltkrieg haben Österreich in allen Bereichen geprägt. Eine Zeit, die nicht in Vergessenheit geraten darf.

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