Leben statt Dahinvegetieren: St. Andrä Wördern werden zu Schöpfern der Zukunft

BEZIRKSBLATT: Die Entstehung der Zukunftsvision für St. Andrä-Wördern wird von drei Institutionen – der Wirtschaftsuniversität, der Raumplanungskanzlei RaumRegionMensch und wave, dem Zentrum für Wachstum und Veränderung – begleitet. Was ist das Besondere daran?
ALEXANDER KAISER: „Wir verfolgen einen Bottom-up-Ansatz und gehen radikal von unten, von der Basis hinauf. Besonders macht uns, dass wir die Zukunft der Gemeinde mit den individuellen Bedürfnissen Einzelner verknüpfen. Darum ging es auch beim ersten Workshop am Samstag: nicht um die Gemeinde, sondern darum, was die Leute brauchen, damit es ihnen gut geht. Das sind jene Bedürfnisse, die ein Dahinvegetieren von einem Leben in Fülle unterscheiden. Das ist österreichweit ein neuer Ansatz. Der Prozess in St. Andrä-Wördern wird auch wissenschaftlich begleitet, das Thema Wissensmanagement in Regionen ist hier ganz wesentlich.“

BEZIRKSBLATT: Warum sind individuelle Bedürfnisse in diesem Zusammenhang so wichtig?
ALEXANDER KAISER: „Nur wenn wir die Menschen berühren, kann eine Vision nachhaltig sein. Diese ist nur dann sinnstiftend, wenn jeder seine eigenen Bedürfnisse darin erkennt. Aus diesen Bedürfnissen entstehen dann konkrete Projekte.“

BEZIRKSBLATT: Wie ist der erste Workshop gelaufen?
ALEXANDER KAISER: „Sehr erfreulich. Es waren 160 Leute da, das ist sensationell. Die Ortsteile waren alle vertreten, wenn auch manche weniger (Greifenstein) und manche mehr (Wördern). Junge und Alte waren eher wenig vertreten. Der Großteil der Mitwirkenden war zwischen 40 und 60 Jahre alt.“

BEZIRKSBLATT: Vermutlich nehmen besonders jene St. Andrä-Wörderner an den Workshops teil, die offen für Neues sind? Laufen Sie nicht Gefahr über eher konservative Bevölkerungsschichten „drüberzufahren“?
ALEXANDER KAISER: „Nein, das glaube ich nicht. Das Projekt ist ja über mehrere Phasen konzipiert. Jetzt erarbeiten wir einen Bedürfnis-, Stärken- und Wertekatalog, ein Fundament sozusagen. In einer anschließenden Phase sollen alle St. Andrä-Wörderner über diese Ergebnisse informiert werden. Dann haben die, die sich bis dahin nicht beteiligt haben, die Chance sich dazu zu äußern. So vergewissern wir uns, kein Bedürfnis zu vergessen. Erst in einer dritten Phase entwickeln wir eine Vision. Die Umsetzung der Schritte folgt in Phase vier.“
BEZIRKSBLATT: Der Gemeinderat hat vorerst nur die erste Phase beschlossen. Was, wenn es das dann war? Was, wenn nur ein Wunschzettel an die Politik und enttäuschte Workshop-Teilnehmer übrig bleiben?
ALEXANDER KAISER: „Dieser Gefahr wird man nie ganz ausweichen können. Aber es ist natürlich im Interesse der Politik, die Ergebnisse zu nutzen. Ich orte eine große Bereitschaft bis zum Ende mit uns zu gehen. Darüber hinaus liefert jede Phase für sich schon wertvolles Wissen.“

BEZIRKSBLATT: Der Prozess ist zeitaufwändig und kostet. Was erfahren Bürgermeister und Gemeindevertreter dabei, was sie nicht auch im persönlichen Gespräch erfahren?
ALEXANDER KAISER: „Das Wesentliche des kollektiven Wissens wird strukturiert und effizient herausgefiltert und ist somit stärker nutzbar. Ein guter Bürgermeister hat sein Ohr an der Bevölkerung, das schließt dieser Prozess ja nicht aus. Ideal wäre beides. Wesentlich ist, dass die Bevölkerung die Zukunft aktiv mitgestalten kann. Jeder Einzelne hat fast eine Schöpferfunktion.“

BEZIRKSBLATT: Für etwaige Machtgelüste von Lokalpolitikern bleibt da kein Platz ...
ALEXANDER KAISER: „Genau. Alle Politiker müssen sich in ihrer Funktion zurücknehmen. Die Hierarchie wird abgestellt und der Bürgermeister arbeitet genauso in einer Kleingruppe mit wie jeder andere auch. Wenn einer das Bürgermeisteramt als Machtposition versteht und missbraucht, dann wär’s schad’ ums Geld. Die Politiker müssen bereit sein, von anderen zu lernen, und das kann man nur durchs Zuhören.“

Interview: Cornelia Grobner

Zur Sache: Leitbild St. Andrä-Wördern 2020
• Univ.Prof. Alexander Kaiser leitet das Projekt, das von drei Institutionen gestützt wird. Neben der wissenschaftlichen Begleitung durch die Wirtschaftsuni Wien fließen auch Know-how und Konzeption von RaumRegionMensch (Raumplanungskanzlei Michael Fleischmann) und wave (Zentrum für Wachstum und Veränderung/Berufungscoaching) ein.
• Das kann St. Andrä-Wördern morgen sein: In einer ersten Projektphase (Kosten: 36.000 Euro) werden die Grundlagen einer Gemeindevision ausgelotet, die in weiteren Phasen ausgearbeitet und bis zur Umsetzung einzelner Maßnahmen konkretisiert werden sollen. Für eine nachhaltige Gemeindevision ist Identifikation der Einwohner damit notwendig, diese soll durch Mitwirkung vieler am Entstehungsprozess erreicht werden.
• Das ist St. Andrä-Wördern heute:
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe die Ergebnisse der Sozialkapitalstudie von Prof. Ernst Gehmacher.

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