Fluss-Serie
Renaturierung der Großen Tulln

Umbau der Rampe. | Foto: ezb - TB Eberstaller GmbH
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Die Renaturierung. Vom Steinkanal zurück zur Natur. Im sechsten Teil unserer Fluss-Serie beleuchten die Bezirksblätter die bereits verbesserten Abschnitte der Großen Tulln sowie die geplanten Projekte. 

BEZIRK TULLN. Die Große Tulln ist aufgrund der weitreichenden Regulierungsmaßnahmen großteils überformt und es ist zu einem weitgehenden Verlust flusstypischer Lebensräume gekommen. Durch die zahlreichen Querbauwerke ist die Durchwanderbarkeit des Gewässers nicht mehr gegeben bzw. stark eingeschränkt. Andererseits kommt es durch die Rückstaubereiche zu einem Verlust des Fließstreckencharakters. Ebenso führt die begradigte Linienführung und das Trapezprofil mit einem überbreiten NW-Bett und fehlender Tiefenrinne zu einer Monotonisierung des Gerinnes. Aufgrund der hydrologischen Verhältnisse am Laabenbach mit sehr geringen Niederwasserabflüssen wirken sich die genannten Defizite besonders stark aus.
Hinzu kommt das Fehlen von Böschungsvegetation, das neben dem Strukturmangel auch zu einer erheblichen Erwärmung des Gewässers im Sommer mit weitreichenden Folgen wie z.B. Fischsterben in den vergangenen Jahren geführt hat.

Projekte

Es wurden in den letzte Jahren zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um die bestehende Defizite zu beseitigen und anschließend fischökologisch untersucht:

Wiederherstellung Fischpassierbarkeit Rampe Judenau 2005:
Nach den Umbaumaßnahmen sind im Frühjahr 2007 sind 562 Fische aufgestiegen, bis zu 120 Fische/Tag. Das hatte zur Folge, dass es acht neue Arten flussaufwärts der Rampe vorkamen: 
Flussbarsch, Hecht, Nase, Nerfling, Schied, Zander, Blaubandbärbling, Regenbogenforelle

Hydromorphologische Verbesserung in Judenau-Baumgarten (2015)
Durch Aufweitung des Abflussprofils um 50% wurde Platz für die Herstellung eines naturnahen Flusslaufs geschaffen und mittels wechselseitig angeordneter Steinspornbuhnen innerhalb des aufgeweiteten Abflussprofils eine pendelnde Niederwasserrinne hergestellt. Für eine zusätzliche Strömungslenkung und Strukturierung wurden am Außenufer Raubäume eingebaut. Auf den Böschungen wurde eine Initialpflanzung mit standorttypischen Gehölzen durchgeführt. Im unmittelbaren Ortsbereich von Judenau erfolgte aufgrund des geringeren Gestaltungspotentials eine Strukturierung des Mittelwasserbetts mit Kurzbuhnen.

Es wurde mit dem Projekt eine deutliche Verbesserung der hydromorphologischen Verhältnisse erreicht und ein attraktiver Kernlebensraum geschaffen.
In den Außenbögen bestehen nun langsam durchströmte, tiefe Rinner, die vor allem für große Fischarten (z.B. Hecht) auch bei den natürlicherweise sehr geringen Niederwasserabflüssen geeignete Einstände bieten. Durch die Strukturierung der Außenufer mithilfe von Raubäumen fanden bereits kurz nach Baufertigstellung Fischarten mit hohem Strukturbezug (z.B. Wels) geeignete Unterstände. Am Innenufer bestehen flache Sedimentbänke mit vorgelagerten Flachwasserbereichen, die vor allem Jungfischen der Hauptfischarten (z.B. Barbe, Nase) geeignete Lebensräume bieten (sog. "Kinderstuben").
Zwischen den Flussbögen bestehen wieder steile, rasch überströmte Furten, die für die strömungsliebenden, kieslaichenden Fischarten attraktive Laichareale bieten und somit die Grundlage für eine entsprechende Reproduktion und die Ausbildung ausreichend großer, sich selbst erhaltender Fischbestände bilden.
Neben der durchströmten Niederwasserrinne bietet das aufgeweitete Abflussprofil außerdem auch Platz für Nebengewässer, die vor allem für ruhigwasserliebende Fischarten (z.B. Bitterling) sowie Amphibien von Bedeutung sind.

Verbesserung für die Fische

Das Projekt hatte eine deutliche Verbesserung der fischökologischen Verhältnisse zur Folge. Dies umfasst sowohl eine weitere Zunahme des Artenspektrums und massive Erhöhung des Fischbestandes als auch einen deutlich verbesserten Populationsaufbau vor allem der Hauptfischarten der Großen Tulln. Insgesamt wird damit im Abschnitt das Ziel - der gute ökologische Zustand - erreicht.
Bereits durch die Vernetzung mit der Donau durch Errichtung der fischpassierbaren Rampe in Judenau konnte das Artenspektrum von 4 auf 15 Fischarten erhöht werden. Nunmehr konnten im Projektgebiet insgesamt 23 Fischarten aus allen Strömungsgilden nachgewiesen werden. Damit ist das Vorkommen aller 6 Leitarten und 6 der 10 typischen Begleitarten des Leitbildes belegt.
Durch den Umbau der Großen Tulln im Maßnahmenbereich von Judenau konnten in diesem Abschnitt essentielle Teillebensräume sowohl für die Reproduktion als auch für die Juvenilstadien der meisten Fischarten wiederhergestellt bzw. auch quantitativ vermehrt werden. Durch die heterogenere Habitatausstattung in Bezug auf Habitate wie Kolke und Rinner aber auch der strukturellen Ausstattung mit Totholzstrukturen kam es des Weiteren zu einer Steigerung der Dichten adulter und größerer Individuen vieler Fischarten.

Guter fischökologischer Fischbestand

Mit Umsetzung der Hydromorphologische Verbesserung Große Tulln in der Marktgemeinde Judenau-Baumgarten konnte im Projektgebiet somit eine wesentliche Verbesserung der hydromorphologischen Verhältnisse erzielt werden. Durch die Revitalisierung wurde ein ausreichend großer, gewässertypischer Lebensraum als Grundlage für die Ausbildung eines intakten, sich selbst erhaltenden Fischbestandes geschaffen. In Verbindung mit der bereits vorliegenden Durchgängigkeit zur Donau konnte somit der "gute fischökologische Zustand" im Projektgebiet erreicht werden. Der Vergleich der Befischungen 2007 und 2017 zeigt dabei anschaulich, dass der Revitalisierungsbereich als Kernlebensraum dient, der mit seinem hohen Fischbestand und vor allem dem guten Jungfischaufkommen auch zu Verbesserungen des fischökologischen Zustands in den angrenzenden Regulierungsstrecken führt. 

Rampe in Plankeberg (2019)

Gewässerökologe Jan Köck, Planer des Fischaufstieges in Plankenberg erklärte gegenüber den Bezirksblättern 2019: „Nach der Beseitigung der Wehr in Abstetten und dem Umbau der Wehr in Plankenberg können Fische wieder von der Donau in die Große Tulln bis nach Asperhofen einwandern und tun das auch" Damit ist ein wichtiger erster Schritt zu einem funktionierenden Ökosystem geglückt, von dem letztlich alle profitieren. Es ist sehr zu hoffen, dass diese Erfolge dazu beitragen, dass bald weitere Maßnahmen umgesetzt werden können."Im Oberwasser der Rampe in Plankenberg wurde mit Mitteln des NÖ Landesfischereiverbands ein Strukturierung mittels Buhnen umgesetzt. Damit können die Lebensraumverhältnisse lokal deutlich verbessert werden.

Hinsichtlich der Ausformung wurden unterschiedliche Bautypen wie Kurzbuhnen, Doppelbuhnen sowie ein Trichter umgesetzt. Dabei wurde der Nieder- bzw. Mittelwasserabflussquerschnitt auf rd. 5 m eingeengt. Im Bereich der Buhnen wurden eine Niederwasserrinne und Kiesbänke grob vormodelliert.

Die zum Einsatz kommenden Buhnen bewirken eine Strömungslenkung in Richtung Flussmitte. Bei Niederwasser kommt es zur Ausbildung einer Kehrströmung, bei höheren Abflüssen wird die Buhne überströmt und es entsteht eine Walze entlang der Längsachse. Der Stromstrich wird ans gegenüberliegende Ufer gelenkt. Hinter der Buhne entsteht ein Kolk, flussab des Kolks bildet sich ein Flachwasserbereich bzw. eine Sedimentbank aus.

Bei Auftreten höherer und insbesondere bettbildender Abflüsse kommt es durch die Strukturierungsmaßnahmen zu einer eigendynamischen Entwicklung mit entsprechenden Sohlumlagerungen. Durch die gezielte Strömungslenkung wird die Ausbildung einer durchgehenden, pendelnden Niederwasserrinne mit Furten im Oberwasser der Buhnen und Kolken bzw. tiefen Rinnern flussab der Buhnen gefördert, an den Innenufern entstehen Kiesbänke.

Damit können alle Schlüssellebensräume für die Leitfischarten wiederhergestellt werden. Es bestehen Tiefstellen als Einstand für große Fische, es bestehen Flachwasserbereiche für Jungfische, sogenannte Kinderstuben und rasch überströmte Furten mit locker gelagertem Kies als Laichplatz. Zudem haben die Einbauten einen wasserbaulichen Nutzen, da die Strömung in Flussmitte gelenkt wird und somit die Ufer im Hochwasserfall entlastet werden.

"Gerne. Ich darf seit mehr als 15 Jahren als Planer an der Großen Tulln bzw. dem Oberlauf, dem Laabenbach tätig sein und es ist für mich eine große Freude, dass an diesem Gewässer so viele gelungene Projekte umgesetzt werden konnten, die so weitreichende positive Wirkung gezeigt haben. Diese schönen Erfolge bestätigen den Weg, der gemeinsam beschritten wurde.
Wir hatten bei den umgesetzten Projekten das große Glück, das alle Beteiligten vom BMNT, über den Wasserbau des Landes Niederösterreich, den Wasserverband, die Gemeinden bis hin zu den beauftragten Baufirmen und natürlich den NÖ Landesfischereiverband sowie den ehemaligen und jetzigen Fischereiausübungsberechtigten diese mitgetragen und unterstützt haben. Als Planer weiß man, dass so etwas nicht selbstverständlich ist. Nachdem Gewässer hoch-komplexe Systeme darstellen und zudem sehr vielfältig genutzt werden, sind dabei auch lebendige Diskussion aller Beteiligten eine wesentliche Grundlage für die Entstehung guter Lösungen und daher immer sehr willkommen.
Neben den bereits umgesetzten Projekten gibt es weitere konkrete und bereits bewilligte Planungen, wie z.B. die Wiederherstellung der Durchwanderbarkeit in der Großen Tulln und im Laabenbach bis auf Höhe Neulengbach. Dabei ist die Errichtung von Rampen bei den Stufen bzw. ehemaligen Wehren - tlw. auch in Verbindung mit Strukturierungen - vorgesehen.
Wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der bisherigen Projekte war eine entsprechende Förderung insbesondere im Rahmen des Umweltförderungsgesetzes. Derzeit ist allerdings die diesbezügliche weitere Entwicklung insbesondere auch aufgrund der aktuellen Situation leider ungewiss.
Ich denke, es ist in diesem Zusammenhang wichtig, den großen Nutzen dieser Maßnahmen bei gleichzeitig geringen Kosten zu erkennen. Es geht dabei nicht "nur" um die Verbesserung für einzelne Fischarten. Es geht viel mehr um den Erhalt und die Förderung von Ökosystemen und damit den Erhalt unserer Lebensgrundlage. Ein sonntäglicher Spaziergang entlang des Laabenbach in Neulengbach zeigt, wie ausgiebig die Maßnahmen von Anrainern zur Naherholung und Freizeitnutzung genutzt werden. Neben der Erholung besteht ein Vielzahl weiterer sogenannter Ökosystem - Dienstleistungen, wie die Verbesserung des Kleinklimas, Verbesserung Wasserhaushalt, Wasserqualität, Wasserrückhalt (Hochwasser), Nährstoffkreislauf, Erhaltung der genetischen Vielfalt, ...
In diesem Sinne hoffe ich auf eine baldige Fortsetzung!", berichtet Jan Köck.

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