Bezirk Tulln trotzt dem Wirtesterben

Wenn Herbert Bonka als Vertraubensobmann nicht gerade Tullns Wirten zur Seite steht, verwöhnt er in seinem Wirtshaus Bonka in Oberkirchbach seine Gäste. | Foto: Talkner
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BEZIRK TULLN (bt). Seit dem Jahr 2010 hat in Niederösterreich mehr als jedes zehnte Gasthaus seine Pforten für immer geschlossen. Das gute alte Dorfwirtshaus mit Stammtisch und fixer wöchentlicher Schnapserrunde scheint auszusterben. Doch es gibt einen Lichtblick: Im Bezirk Tulln ist die Lage noch rosiger. Von 2010 auf 2015 haben wir fünf Wirtshäuser dazugewonnen. Ein Bezirksblätter „Lokal-Augenschein“ im wahrsten Sinne des Wortes.

Harte Zeit für kleine Wirte

"Bei uns geht es den Wirten noch gut, Anfang des Jahres ist halt generell eine ruhigere Zeit. Es gibt natürlich immer wieder Ausreißer, die altersbedingt aufhören oder weil sie mit den Kosten nicht zusammenkommen oder weil halt einfach die Qualität nicht passt", liefert Herbert Bonka, Vertrauensobmann der Wirte im Bezirk Tulln eine aktuelle Einschätzung. Doch besonders kleine Wirte durchleben schwere Zeiten, denn die großen wachsen weiter. "Die Zahl der Wirte nimmt ab, und die größeren werden immer größer. Im Bezirk Tulln ist das zum Glück noch nicht so extrem. Da bleibt ja auch das Individuelle liegen." Auch in der Gesellschaft merkt Bonka einen Wandel: "Die Leute haben generell weniger Zeit." Den klassischen Stammtisch kenne Bonka nur noch aus Richtung Oberösterreich.

Tullner halten Tradition hoch

Dagegen halten viele Wirte vehement: Traditionen wie Stammtisch und Schnapserrunden werden seltener, dennoch, im Bezirk Tulln leben sie weiter. Etwa bei Elisabeth Hauck in der kleinen Post in Sieghartskirchen, wo fast täglich ab 7 Uhr morgens geschnapst wird. "Das klassische Wirtshausbild mit Spritzer oder Bier gibt es heutzutage nicht mehr", erzählt Hauck, dass die Herren in der Früh nun doch lieber Kaffee und Wasser bestellen. Solche Runden und diverse Vereine haben dem Tullner Gasthaus zum Goldenen Schiff früher 80 Prozent seines Umsatzes eingespielt. Heute sind es maximal 30, schätzt Betreiber Thomas Baumgartlinger. "Wir haben viele Stammtische die schon ewig bei uns sind, aber das Rad der Zeit nimmt halt dort und da wieder jemanden weg."

Raucherregelung für Wirte mühsam

Ob auch das Hin und Her in Sachen Raucherregelung zum Wirtshaussterben beiträgt? "Ja freilich, wenn ich mir denke was meine Lüftungsanlage gekostet hat. Das sind ein paar Schnitzel gewesen - und ein paar Urlaube", sagt Herbert Bonka. Gerade für die Kleinen sind solche Mehrkosten alles andere als leicht zu stemmen. Und auch ein Wegbrechen der verbliebenen Stammkundschaft befürchten viele.

Die Krux mit dem Personal

Doch das Hauptproblem ist ein anderes: Das Personal bereitet vielen Wirten Kopfzerbrechen. "Leute finden, die das noch machen wollen. Das kann durchaus existenzbedrohend sein, weil mehr als arbeiten können wir nicht", schildert Elisabeth Hauck von der kleinen Post, die dringend einen Koch sucht. Genau wie das Gasthaus zum Goldenen Schiff. Chef Thomas Baumgartlinger bezeichnet es gar als "unmöglich", gut ausgebildetes Personal zu finden. Lohnvorstellungen und gewünschte Arbeitszeiten sind häufig fernab der Realität. "Wären wir nicht ein Familienbetrieb, würde es schlecht ausschauen. Meine Mutter steht mit 65 Jahren noch in der Küche", so der Wirt.

Fehlender Nachfolger erzwingt Schließung

Schon qualifiziertes und motiviertes Personal ist kaum aufzutreiben, bei Nachfolgern sieht es nicht anders aus. "Ich bin mit 62 Jahren in Pension gegangen und es hat keinen interessierten Nachfolger gegeben. Heutzutage will keiner mehr 80 Stunden arbeiten, das auch Samstags und Sonntags. In anderen Berufszweigen lässt sich leichter Geld verdienen und das auch familienfreundlicher", erklärt Josef Eigner, warum er sein Gasthaus Eigner am Riederberg im Oktober vergangenen Jahres schließen musste. Obwohl das Gasthaus, das seit 1928 exisitert, stets gut besucht war. "Aber ich habe meine Lebensarbeitszeit erreicht", bekräftigt der dreifache Opa, der sich nun ganz auf die Familie konzentriert. Die Suche nach einem Nachfolger hat er aufgegeben: "Das tu ich mir nicht an, alle zwei Jahre einen neuen Pächter drinnen zu haben. Da kommt nichts mehr rein."

Traditionshäuser gehen mit der Zeit

Trotz aller Herausforderungen beweisen die 104 Wirte im Bezirk Biss. Vor allem sind sie sich einem bewusst: "Man muss mit der Zeit gehen", weiß Baumgartlinger, der auch Vegetarisches und Veganes anbietet. Zum Erfolg trägt seiner Meinung aber auch die Konkurrenz bei: "Wir haben in Tulln eine relativ hohes Niveau und eine hohe Dichte. Ich glaube, dass sich die Wirte gegenseitig pushen und auf einem guten Level halten. Konkurrenz bewirkt auch Gutes."

Zur Sache:

2010 gab es im Bezirk Tulln 79 aktive Wirtshäuser, 2015 waren es 84. Aktuell zählen wir 104 - jedoch sind nach der Bezirkszusammenlegung nun auch die Gasthäuser Klosterneuburgs miteinberechnet. 24 Wirtshäuser nennt die Wirtschaftskammer im Bezirk Tulln als ruhend. Dazu kommen in der Gastro-Szene des Bezirks 41 Restaurants, zwei Gasthöfe mit höchstens acht Betten, 38 Kaffehäuser sowie vier Weinlokale, Weinschenken und Heurigenbuffets.

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