„Essstörungen nehmen zu“
Villacher Psychologin über eine Krankheit, die tödlich enden kann
Die Klinische und Gesundheitspsychologin Christine Willroider aus Villach über eine Krankheit, die tödlich enden kann, und über die Kraft des Schreibens als Therapiemaßnahme.
VILLACH/FELDKIRCHEN. Seit Jahren arbeitet Christine Willroider in der Diakonie Essstörungsklinik Waiern mit Leuten, die an Bulimie, Magersucht oder krankhaften Heißhungerattacken leiden. Vorwiegend sind die Patienten weiblich, es ist aber kein rein weibliches Problem. „Männer suchen wesentlich später Hilfe. Aber auch sie sind von oberflächlichen Schönheitsbildern betroffen und betreiben dann oft exzessiven Sport. Anfangs bekommen sie - wie auch Frauen - Komplimente. Das ist die Gefährlichkeit der Krankheit. Gerade die Jungen sehen erst nur die positiven Effekte und verspüren noch keine gesundheitlichen Defizite. Das entgleitet dann aber recht schnell. Die Todesrate ist recht hoch, man kann es aber auch schaffen, aus der Spirale wieder rauszukommen – vor allem, wenn man sich früh Hilfe sucht“, betont Willroider. Die Essstörungsklinik der de La Tour in Waiern hat Patienten aus ganz Kärnten. Es wird versucht, die Selbständigkeit der Erkrankten zu fördern und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.
Gemeinsames Essen
Dazu gehört das gemeinsame Essen an einem Tisch – was zu den schwierigsten Aufgaben zählt. „Unsere Patienten sind ein sehr intelligentes, leistungsorientiertes und sensibles Klientel. Es ist freudvoll, sie auf ihrem Weg zu begleiten“, sagt Willroider. Während des zwei Monate dauernden Turnus wird versucht, eine Änderung auf den Ebenen Gedanken, Gefühle, Körperwahrnehmung und Verhalten zu erwirken und realistische Ziele zu erreichen. Aktuell ist der Turnus voll, es gibt eine Warteliste. Willroider: „Mit zwölf Betten sind wir eine relativ kleine Station, was bewirkt, dass wir sehr individuell auf die Patienten eingehen können. Vor allem seit Covid nehmen Essstörungen extrem zu. Soziale Medien machen jungen Menschen immer noch viel Druck. Auch stehen Essstörungen für die Vermeidung von schwierigen Gefühlen und wir versuchen zu helfen, diese wieder zuzulassen.“
Schreibstätte
Hier kommt ein weiterer Villacher ins Spiel. Clemens Luderer gibt in Waiern seit Herbst 2022 einmal wöchentlich eine geleitete Schreibstätte, im Krankenhaus de La Tour in Treffen macht er das – mit Alkoholkranken und Spielsüchtigen – bereits seit elf Jahren. Das Fundament der Schreibstätte ist der freie Gedankengang. Es hilft den Patienten dabei, ihre Gedanken bewusster wahrnehmen zu können, ohne dass sie beurteilt werden. Was geschrieben wird, bleibt immer bei den Schreibenden selbst. „Ich bin ständig im Austausch mit Christine Willroider. Wenn beim Schreiben belastendes Material aufkommt, können die Patienten das in einem psychologischen Einzelgespräch bearbeiten.“ Das „Mantra“ der Schreibstätte ist das „Nicht-Beurteilen“, dass man seine eigene Sprache findet und diese überträgt – eine gute Ergänzung mit den anderen Angeboten der Klinik. „Es geht nicht darum, eine bewusste Geschichte zu kreieren. Viele denken, sie können nicht schreiben. Man soll nur kopieren, was der Geist zur Verfügung stellt. Und neun von zehn finden diesen Ansatz dann. Die Texte sind ihr Schatz, den sollen sie nicht teilen“, so Luderer. Erstkontakt in der Klinik: 04276/2201 951 und essstoerungsklinik@diakonie-delatour.at
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