Long Covid
"Ich kann zur Zeit kein normales Leben führen"

Theresa David macht Yoga - es hilft ihr, wieder gesund zu werden. | Foto: David

Die 42-jährige Vöcklabruckerin Theresa David erkrankte Ende Jänner diesen Jahres an Corona – und erholte sich nicht davon. Nach zehn Wochen die Diagnose: Long Covid. Die BezirksRundschau fragte nach, wie sich ihr Leben seitdem veränderte.

Sie erkrankten im Jänner an Corona. Wie ging es dann weiter?
Nach den circa zwei Wochen, in denen es mir gegangen ist wie bei einer schweren Grippe, musste ich meine Tage noch mehrere Wochen beinahe ausschließlich auf der Couch liegend verbringen. Es war mir nicht möglich einkaufen zu fahren oder selbst zu kochen, sogar der Gang zur Toilette war überfordernd. Es waren bestimmt um die  vier bis fünf Wochen, in denen ich auch kein Buch hätte lesen könne, weil jede Konzentration so schwer fiel. Denkaufgaben sind auch heute noch schwierig, genau wie längere Gespräche, wenn sie einen emotional betreffen oder eine Diskussion entsteht.

Wie fühlten Sie sich?

Ich war dauerhaft müde, schwindelig und schwach. Meine Gelenke schmerzten und ich hatte immer wieder Kopfschmerzen und war natürlich auch sehr kurzatmig.
Was nach und nach immer mehr wurde und eigentlich bis heute eines der Symptome ist, die am schwierigsten zu handeln sind, ist dieses unwillkürliche Herzrasen. Ich hatte Tage , wo mein Herz drei Stunden lang nicht mehr aufgehört hat,  wie verrückt zu schlagen,  als wäre ich in Lebensgefahr.

Wann wurde die Diagnose Long Covid gestellt?
Nach zehn Wochen. Voher wusste ich nicht, was mit mir los ist. Zu Beginn hab ich geglaubt, ich spinne.

Was hat Ihnen in dieser Zeit geholfen?
Die Betreiber/in des Fitnessstudios Flow Motion Anita und Aron Mosonyi  haben mich beraten, sowohl ernährungsmäßig als auch körperliche Übungen betreffend. Durch sie habe ich dann sanft begonnen, wenigstens Atemübungen und ein paar Dehnungsübungen zu machen (Bodyart). Vieles davon war im Liegen möglich. Ich hätte nichts im Stehen und oft auch nicht im Sitzen machen können.

Wie sah ihr Alltag aus?

Von Woche sechs bis neun ungefähr konnte ich tatsächlich morgens Frühstück herrichten, Duschen gehen, lesen, kochen und eventuell auch noch Spazieren gehen. Natürlich musste ich dazwischen rasten oder gar schlafen, die Tage waren nicht immer gleich.
Bei Long Covid ist es so, dass du von einer Stunde zur anderen nicht wissen kannst, wie es dir geht. Von jetzt auf dann kann dir die Kraft ausgehen und dann musst du dich hinlegen, es bleibt dir gar nichts anderes übrig, weil der Körper komplett durchdreht und die Augen auch einfach zufallen, egal was du tust.
Vor meiner Erkrankung hatte viel Sport betrieben und hab es geliebt ,an meine Grenzen und darüber hinaus zu gehen. Mittlerweile ist bekannt, dass man genau das nicht tun darf.

Warum darf man als Long-Covid-Patientin so wenig tun?
Weil das einerseits zu einem Crash führt und andererseits die Wahrscheinlichkeit massiv erhöht, dass man es ein Leben lang hat. Man darf also wirklich nichts tun, was die Energie ausleert.

Sie versuchten zwischendurch wieder als Lehrerin zu arbeiten.

Ja, nach neun Wochen. Zwei Wochen lang habe ich durchgebissen.  Ich musste mich immer wieder auf den Tisch legen während der Arbeit. Von  A nach B bewegte ich mich im Schneckentempo, während mein Herz zu meinen schien, ich liefe gerade einen Marathon.
Aber ich glaubte damals noch, ich würde so vielleicht meinen Kreislauf in Schwung bringen. Außerdem will man ja doch natürlich wieder Teil des Lebens sein und ich liebe meine Arbeit.
In diesen zwei Wochen hatte ich mich völlig überfordert. Ich bekam täglich schüttelfrostartige Zustände, habe Stunden lang gezittert, hatte Tage lang durchgehend Kopfschmerzen, war so schwach, dass sogar das aufrechte Sitzen eine Herausforderung war. Meine Gelenke schmerzten und mein Herz raste und raste. Brain fog und psychische Downs, die tatsächlich auch ein Long- Covid-Symptom sind, setzten mir besonders zu. Seither bin ich im Krankenstand.

Wie kamen Sie aus dem Tief wieder heraus?

In dieser Zeit kam ich dann zum Glück zu Daniela Sällberg. Das war zu dem Zeitpunkt wie ein Wunder für mich. Denn ich konnte wirklich gar nichts mehr tun. Ich genoss eine fantastische Yoga-Einzelsitzung. Als ich mich für den Termin zusammengepackt hatte, musste ich mich nach dem Schuhbänderbinden noch einmal kurz auf mein Bett fallen lassen, um mein Herz zu beruhigen, dem dieses Aufrechtsein und Nach-unten-beugen einfach zu stark gewesen war. Nach einer mit Pausen gespickten Wanderung in den ersten Stock, durfte ich mich auf einer Matte niederlassen. Ich bat Daniela, ob ich das Anfangsgespräch im Liegen machen dürfte, weil mir das Sitzen zu stark war. Ich erzählte von meinen Beschwerden und dann begannen wir langsam mit ganz sanften Übungen. Arme heben, richtiges Ein- und Ausatmen, Oberkörper verdrehen, so scheinbar kleine Dinge. Mittendrin war es plötzlich so, dass mein Schwindel weg war, von einem Moment auf den anderen. Ich war so erstaunt und genoss die, wie ich dachte, kurze Pause. Zu Hause schlief ich dann mehrere Stunden. Danach spürte ich, wie ich mehr und mehr Energie aufzuladen schien. Langsam machte ich ein paar Handgriffe im Haushalt, ohne mich festhalten zu müssen. Das war mir ein Genuss. Gegen Abend fühlte ich mich das erste Mal seit zwölf Wochen an, als wäre ich nicht 100 Jahre alt.
Seither mache ich beinahe täglich Yoga Übungen von Daniela und Body Art Übungen von Anita und Aron Mosonyi. Ich bin den drei unendlich dankbar. Sie haben mir ein Leben zurück gegeben!

Wie geht es ihnen jetzt? Mit welchen Einschränkungen müssen Sie leben?
Ich liege und schlafe ich noch immer viel und habe Attacken von Herzrasen Aber an den meisten Tagen kann ich Essen selbst herrichten, den Einkauf erledigen, mit meinen Kindern etwas spielen auch mal einen Kuchen backen und aufrecht beim Tisch sitzen. All das war mir die längste Zeit völlig unmöglich. Das tut so gut!
Zwar weiß ich noch immer nie im Voraus, wie sich ein Tag entwickelt und ich muss von jetzt auf dann liegen, ganz plötzlich meistens oft ohne jegliche Vorankündigung – einfach Zack – und die Energie ist weg.
Man merkt erst dann, was einem alles fehlen kann, zum Beispiel die Möglichkeit, sich zu beeilen, oder einen Ausflug zu machen. Radfahren, ein Waldlauf oder Bergsteigen bzw. Wandern sind völlig unmöglich. Diese Freiheiten habe ich nicht und es ist nicht klar,  ob ich sie jemals wieder bekommen werde, weil man erst so kurz Erfahrung damit hat, aber ich bin zuversichtlich. Es hat sich schon viel getan!

Was raten Sie anderen Long-Covid-Patienten?
Wir leben in einer Gesellschaft, wo das nichts tun als weniger Wert empfunden wird. Toll ist, wer unter Dauerstress viel erledigt, am besten sowohl in der Arbeit als auch in der Freizeit. Auch in mir steckt das tief. Mein Tag vor Long-Covid begann um halb 6 und endete um 23 Uhr. Ich bin alleinerziehende Mama und hab drei Söhne, sie sind schon ziemlich groß, aber trotzdem möchte man doch da sein können.
Was ich sagen möchte, es ist so wichtig hier umzudenken. Nehmt euch die Zeit! Das ist nicht egoistisch, denn wenn ihr es nicht tut, dann kommt der Crash und dann riskiert ihr damit einen Totalausfall – eventuell sogar für immer. Was sind ein paar Monate im Vergleich zum restlichen Leben. Wir sind ja nicht faul, wir müssen einfach unserem Körper helfen.
Ganz wichtig - geht nicht über eure Grenzen - weder beim Sport, noch in der Arbeit oder im Haushalt!
Die Selbsthilfegruppe Long Covid Austria auf Facebook hat immer ganz tollen Austausch und ganz ganz geniale Tipps, welche Ärzte und Ärztinnen zu empfehlen sind und was es schon an Therapieangeboten gibt. Histaminarme Ernährung hilft ebenfalls wie die Vitamine B, C, D.
Das Einteilen von Energie und Planen ist ausgesprochen hilfreich. Ich musste zum Beispiel immer überlegen, wenn ich einen Arzt/Ärztin-Termin hatte, kann ich dann überhaupt noch duschen und einkaufen? Oft geht nur entweder oder.

Info:

Was die Ärzte dazu sagen und welche Therapiemöglichkeiten es gibt, finden Sie in diesem Beitrag: meinbezirk.at/4663676

Die Selbsthilfegruppe Long Covid Austria wurde im Jänner diesen Jahres gegründet:
longcovidaustria.at
Austausch findet auf der Facebookgruppe statt: facebook.com/groups/longcovidat/

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