Kommentar
Winterkodex Vorarlberg

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Lieber Winterkodex Vorarlberg,

als leidenschaftlicher Skifahrer habe ich mich auf dich gefreut, wie ein Mitglied in einem Geheimbund oder einer studentischen Verbindung bei der Aufnahme. So prophezeist du alleine mit dem Wort Kodex schon etwas Standhaftes, etwas mit Wert und Ehre. Sicherheit sollst du vermitteln, damit alle das weiße Pulver zumindest auf den Bergen ohne Bedenken genießen können.

Als dann klar wurde, dass mit dem dritten Lockdown womöglich auch unser aller geliebter Sport im Winter nicht möglich werden könnte, da hatte ich großen Zweifel an deiner Relevanz. Dem Ski-Gott sei Dank haben sich aber alle westlichen Bundesländer durchgesetzt, dass trotz aller Schließungen die heile Ski-Bergwelt gerettet wurde. Von einer Bergbahn- oder Skilobby will und möchte ich nichts hören, denn was bleibt übrig, wenn einem selbst dieses kleine Bergglück jetzt auch noch genommen wird? Das Skifahren ist in unserer DNA verankert. Zumindest bei dem kleinen Prozentsatz im Ländle, der mit dem Sport überhaupt etwas anfangen kann. Was kümmern uns bis Mitte Jänner die geschlossene Gastronomie, der Handel oder die fernlernenden Kinder? Warum sollte Tennisspielen mit wesentlich mehr Abstand in den Hallen erlaubt werden? Warum sollte man im Freien nicht in Kleingruppen trainieren dürfen? Haben diese Sportarten einen Winterkodex? Nein, und das ist auch gut so. Nicht jeder darf in Notsituationen dieselben Rechte haben. Wo kämen wir denn hin? Solange wir alle mit vereinten Kräften zusammen mit dir lieber Winterkodex in Vorarlberg die weißbedeckten Hänge erleben dürfen, ist alles andere Schnee von gestern.

Kurz nach Weihnachten war es dann soweit. Auch ich habe mich dazu hinreißen lassen, den weißen Traum selbst zu erleben. Und ganz ehrlich: Was soll man sonst mit Kindern in einem gesetzlich verankerten Lockdown mitten in den Weihnachtsferien machen? Pfeif auf die FFP-2 Masken. Das bisschen dünn angefühlter Pappe zwischen der eigenen Klappe und der frischen Bergwelt kann und darf den Wintertraum nicht platzen lassen. Und siehe da, es geht auch mit Pappdeckel im Gesicht. An manch kalten Wintertagen sogar ein kleiner Wind- und Kälteschutz. Völlig egal, ob das Wasser in der Maske nun Kondenswasser oder doch etwas Nasenflüssigkeit ist. So erspart man sich wenigstens die Trinkflasche. Egal, wenn manche Skigebiete beim Anstellen für die Gondeln oder Sessellifte auf den angeordneten Mindestabstand verzichten. Egal, wenn in manchen Skigebieten bei einem 5er- oder 6er-Sessellift alle Plätze belegt werden dürfen. Ja, ich habe in manch wenigen Skigebieten auch wirklich Vorbildhaftes erlebt. Einen ehrenhaften Winterkodex. Das sollte an dieser Stelle auch erwähnt werden.

Zum Abschluss lieber Winterkodex Vorarlberg möchte ich dir noch eines mit auf den Weg geben. Ich möchte kein Moralapostel sein, denn dafür finde ich Skifahren einfach zu genial. Aber bei vollen Tagesticketpreisen - und das betrifft ja auch die Besitzer einer Saisonkarte - ist das bestehende Angebot doch etwas dürftig. Teilweise sind nur Zweidrittel der Lifte geöffnet und ebenfalls nur ein Bruchteil der Skipisten präpariert. Dafür den vollen Preis zu zahlen tut selbst mir als leidenschaftlichem Skifahrer weh. Eine wie auch immer geregelte Subvention wäre hier angebracht, wenn schon das dringende Bedürfnis besteht, in der weltweit währenden Pandemiezeit Skigebiete offen halten zu müssen. Sonst würde ich schon jetzt an den Konsumentenschutz plädieren, das Produkt Skiliftpreise als Mogelpackung 2020/21 zu küren. Wo sonst bekomme ich für den vollen Preis nur ein Teil der Leistung?

Lieber Winterkodex Vorarlberg! Ich wünsche dir für 2021 viel Gesundheit und einen ehrlichen Blick auf die aktuelle Situation. Machs gut!

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.