Jüdischer Friedhof: "So geht man nicht mit Toten um!"
Lockere oder umgestürzte Grabsteine, meterhoher Bewuchs, Absperrung wegen Lebensgefahr: Der jüdische Friedhof braucht dringend eine Sanierung. Noch im Sommer soll ein Plan entstehen.
UPDATE: Am Dienstag, 16. Juli 2019, wurden erste Instandhaltungsmaßnahmen durch die Stadtgemeinde veranlasst.
WAIDHOFEN. Der Kranz liegt noch von Allerheiligen vor der Absperrung. Allerheiligen 2017 wohlgemerkt. "In würdevollem Gedenken", ist darauf noch zu lesen. Meterhohe Büsche überwuchern die schiefen Grabsteine, manche Gräber sind unter dem dichten Bewuchs kaum zu erkennen: Der jüdische Friedhof in Waidhofen gibt ein trauriges Bild ab.
"Eine Schande"
"Es ist eine Schande, wie mit dem Gedenken an die Toten umgegangen wird", so Hermann Vogl, der mit den Bezirksblättern auf Lokalaugenschein ging. Was den Waidhofner besonders ärgert: "Der Kranz zu Allerheiligen. Dabei kennt der jüdische Glauben gar keine Heiligen."
Teilweise sind die Grabsteine schon umgefallen, man kann nicht unterscheiden, ob man sich noch zwischen oder schon auf den Gräbern befindet, wenn man sich erst einmal durch das hohe Gras und die Büsche kämpft. Doch die wenigsten Waidhofner dürften diese Details mitbekommen, denn die Stadt hat hat Absperrungen angebracht. Der Grund: Das Betreten des jüdischen Friedhofes ist wegen der lockeren Grabsteine mittlerweile viel zu gefährlich.
Sanierungsplan noch im Sommer
Im Jahr 2010 hat sich die Landjugend Waidhofen dem Friedhof angenommen und den gröbsten Bewuchs beseitigt und sogar eine Mauer neu gestrichen, doch seitdem ist nicht mehr viel passiert. Vogl ärgert das doppelt: "In Waidhofen gab es eine große Judengemeinde, weshalb hier Menschen aus dem ganzen Waldviertel bestattet wurden. Aber von Respekt vor den Toten ist hier keine Spur zu sehen. Soetwas hätte unsere Kultur wirklich nicht notwendig".
Stadtrat Franz Pfabigan sieht die Israelitische Kultusgemeinde am Zug: "Wir als Stadtgemeinde dürfen nur die grundlegendsten Arbeiten wie Mähen oder Sträucher stutzen." Die Gräber selbst dürfe die Stadtgemeinde nicht sanieren. Nach einer Totalsanierung des Friedhofes übernehme die Stadtgemeinde weiterhin die Pflege und Erhaltung. Das sei vertraglich so vereinbart, so Pfabigan.
Man könne die Schilderungen über den Zustand bestätigen, teilte die Isrealitische Kultursgemeinde Wien mit. Selbstverständlich wird auch der jüdische Friedhof in Waidhofen an der Thaya einer Sanierung zufgeführt, teilte Generalsekretär Klaus Hoffmann mit.
"Die Dringlichkeit ist auch für die Israelitische Kultusgemeinde Wien geboten und es wird im Sommer 2019 einen Termin vor Ort geben, um das Restaurierziel, in Abstimmung mit dem Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich, zu definieren. Nach dem möglichen Restaurierziel richtet sich auch der Termin der Einreichung des Projektes beim Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich, wobei seitens der Israeltischen Kultusgemeinde Wien die Dringlichkeit der Sanierung vordergründig ist, zumal mit der Gemeinde Waidhofen an der Thaya eine aufrechte Instandhaltungsvereinbarung besteht", so Hoffmann.
Angehörige aus aller Welt
Angehörige kommen übrigens aus der ganzen Welt nach Waidhofen. Die Stadt hat schon unter anderem Schreiben aus Argentinien erhalten, in denen die Angehörigen darum bitten, den Friedhof zu sanieren.
Geschichte des jüdischen Friedhofes
1892 wird das Eingangsportal mit Bronzetoren von Baumeister Johann Freiberger aus Groß Siegharts errichtet.
1938 werden die Bronzetore entfernt
1939 wird eine WC-Anlage angebaut - eine klare Beleidigung durch die Nationalsozialisten. Die Bethalle wird als Aufbahrungsraum benützt.
2000: Die Bethalle dient jetzt als Werkstatt und Abstellraum. Seit kurzem ist auch der Denkmalschutz des Gebäudes aufgehoben, wie Hermann Vogl recherchiert hat. "Sollte das Gebäude abgerissen werden, lege ich mich davor", kündigt der Waidhofner an.
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