Interview mit Justizministerin
Alma Zadic: "Ehe light" als moderne Alternative

- Justizministerin Alma Zadic im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko über ihre Vorhaben in der Justiz.
- Foto: Markus Spitzauer
- hochgeladen von Mag. Maria Jelenko-Benedikt
Justizministerin Alma Zadic von den Grünen erklärt im Interview mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko, warum die Justiz viel mehr Geld braucht, was es mit Sicherheitsbedingungen in unseren Gefängnissen auf sich hat und warum die Ehe in der heutigen Form nicht mehr zeitgemäß ist.
RMA: Frau Ministerin, die von Kanzler Kurz nach der „Aussprache“ versprochenen Ressourcen für eine rasche Verfahrensabwicklung sowie die Digitalisierung der Gerichtsbarkeit bis Ende 2022 waren im Regierungspaket ohnehin schon vorgesehen. Was ist nun wirklich neu?
ALMA ZADIC: Wir sind jetzt dabei, Budgetverhandlungen zu führen. Mir war es wichtig, insbesondere bei der Aussprache, klar zu machen, was es in der Justiz alles braucht. Denn wollen wir schnellere Verfahren, so braucht es auch zusätzliches Supportpersonal. In der Justiz wurde in den letzten Jahren stets Personal eingespart und das Ressort insgesamt unterbudgetiert. Wenn wir hier aufstocken, können RichterInnen und StaatsanwältInnen sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Hinzu kommt, dass die Verfahren immer komplexer und internationaler geworden sind. Die Datenmengen, die in Verfahren gesammelt und ausgewertet werden, sind heute enorm. Ziel ist auch, Forensik-Abteilungen aufzubauen sowie IT- und Wirtschaftsexperten direkt in die Staatsanwaltschaft zu holen. Denn mit internen ExpertInnen können diese Datenmengen leichter ausgewertet, bei Wirtschaftskriminalität die Bilanzdaten leichter überprüft werden. Heute müssen wir diese Expertisen zukaufen. Der Effekt: Sachverständigengutachten dauern manchmal bis zu einem Jahr oder länger. Das führt zu Verlängerungen von Verfahren.
Und wie sieht es mit der Digitalisierung aus?
Dritter Punkt: Justiz 3.0, also die volle Digitalisierung der Akten. Auch dafür braucht es ein Budget. Wir müssen sowohl beim Schulungspersonal aufstocken als auch die notwendige Software weiterentwickeln. Bei den gewachsenen Datenmengen und Verfahrensumfängen wäre es wesentlich einfacher, einen voll digitalen Akt zu durchsuchen als wenn man sich durch Aktenberge wühlen muss. Zudem wäre es, was die Zugangsdaten und Zugriffsprotokolle betrifft, dann wesentlich einfacher, Mechanismen einzubauen, die vor unrechtmäßiger Weitergabe schützen. Das heißt, man könnte digitale Geheimhaltungsstufen einrichten. Das alles kostet aber Geld. In den letzten Jahrzehnten war die Justiz chronisch unterbudgetiert . Ich will die Justiz reformieren und nicht nur verwalten.
Beim Scheidungsrecht gilt in Österreich die Schuldfrage. Schaffen Sie diese ab?
Das ist ein großer Komplex im Regierungsprogramm. Das Ehe- und Familienrecht ist insgesamt etwas veraltet, die letzte Reform ist 30 Jahre her. Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt, das Recht muss da mithalten können. Eine Arbeitsgruppe mit ExpertInnen soll diesen sensiblen Bereich genau beleuchten. Dazu braucht es auch einen breiten gesellschaftlichen Diskurs. Auch die Verschuldensfrage sollte breit diskutiert werden. Wenn der Unterhalt sich nämlich daran knüpft, so wie es jetzt der Fall ist, führt das oft zu langwierigen Rosenkriegen.
Wird die Ehe moderner?
Über manche Passagen im Ehe- und Familienrecht wundert man sich heute, weil sie veraltet wirken, zum Beispiel der „Zweck“ der Ehe oder „Mitwirkungspflichten“. Wir wollen überholte Strukturen entrümpeln. Derzeit ist die eingetragene Partnerschaft der Ehe gleichgestellt. Denn früher war die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht zugänglich. Das wollte man angleichen. Daraufhin hat aber der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Ehe für alle gelten soll. Also stellt sich jetzt die Frage, was nun mit der eingetragenen Partnerschaft passiert. Eventuell schaffen wir eine „Ehe light“, die der Ehe ähnlich ist, ihr aber in manchen Dingen nicht gleichkommt. Da gibt es unterschiedliche Vorbilder in Europa, etwa das Modell der französischen „Pacs“ (seit 1999 gibt es die Möglichkeit einer eheähnlichen Partnerschaft. Sie ist sehr einfach zu schließen und auch wieder aufzulösen, Anm.). In diesen Diskussionsprozess wollen wir alle Parteien und auch ExpertInnen einbeziehen.
Werden die Gerichtsgebühren in Österreich gesenkt?
Wir haben uns vorgenommen, die Gerichtsgebühren zu evaluieren und zu schauen, dass der Zugang zum Recht für alle BürgerInnen gewährleistet ist. Zum Beispiel bei Verfahren, die von der zweiten Instanz in die erste zurückgelegt werden, fallen derzeit automatisch hohe Gebühren an. Das ist völlig unverständlich. Das ist aber auch eine Budgetfrage.
Wie wollen Sie , wie im Regierungsprogramm verankert, den Zugang zur Justiz für alle Bürgerinnen und Bürger erleichtern?
Ein großes Ziel von mir ist es, die Justiz den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen und ihnen den Zugang zum Recht zu erleichtern. Die Sprache der Gesetzestexte ist teilweise sehr kompliziert, und so verstehen viele nicht, welche Rechte sie eigentlich haben, und welche nicht. Wir werden eine Arbeitsgruppe zur Vereinfachung der Sprache ins Leben gerufen, nach Vorbild unseres Erwachsenenschutzrechts und internationalen Modellen. Zusätzlich soll die Justizhomepage serviceorientierter und bürgerfreundlicher werden. Künftig sollen Rechtssuchenden über die Homepage wichtige Informationen zur Verfügung gestellt werden.
Sie wollen die jetzt schon sehr hohen Sicherheitsstandards in den Gefängnissen erhöhen. Wie schaut es mit mehr Betreuungspersonal in den Gefängnissen aus?
Es fehlt tatsächlich an Personal. In der Justizwache und für Vertragsbedienstete in der Justizanstalt suchen wir händeringend nach Mitarbeiter*innen, wie etwa nach Betreuungspersonal und Justizwachebeamten. Aber auch dafür benötigen wir mehr Budget. Ich habe mir selbst ein Bild in mehreren Justizanstalten gemacht, in der Karlau in Graz etwa gibt es den „Pennsylvania -Trakt“, dort sieht es wie in US-Filmen aus, mit hohen Gittern etc. Diese Architektur entspricht nicht mehr den heutigen Standards, man spürt dadurch eine erhöhte Aggressivität. Heute gibt es gute Konzepte und europarechtliche Vorgaben, wie man Gefängnisse gestaltet, damit Aggressionen reduziert und auch die Sicherheit für Justizbedienstete weiterhin gewährleistet werden kann.
Was wollen Sie zur Bekämpfung von religiös motivierten Straftaten konkret tun?
Wir wollen evaluieren, wo es für Hass-Prediger oder Personen, die politisch oder religiös motivierten Extremismus predigen, Lücken im Strafgesetz gibt, damit wir dann strafrechtlich ansetzen können. Wichtig ist aber vor allem die Prävention. Gerade in Gefängnissen kommt es häufig zu Radikalisierungen. Dort wollen wir die Sicherheitsstandards überprüfen, um dort präventiv eingreifen zu können.
Präventionsmaßnahmen für Verhinderung von Straftaten sind im Regierungspaket vorgesehen. Welche Maßnahmen planen Sie konkret?
Hier müssen wir insbesondere bei der Betreuung nach der Haft ansetzen. Es braucht mehr Personal, also Sozialarbeiter und Psychologen. Diese sind die wichtigsten Ansprechpartner in der Prävention. Resozialisierung fängt in den Gefängnissen an.
Welche Regeln im Wirtschaftsrecht behindern derzeit eine Attraktivierung des Wirtschaftsstandorts Österreich?
Das wichtigste ist die Beschleunigung von strafrechtlichen und zivilrechtlichen Verfahren, sowohl für Private, als auch für Unternehmen. Das stärkt auch den Wirtschaftsstandort Hier gibt es Konzepte für ein Fast-Track verfahren, das wollen wir evaluieren.


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