Ministerin Elisabeth Köstinger im Talk
"Jeder Bauer ist auf seinen Traktor angewiesen"

- Ministerin Elisabeth Köstinger in ihrem Wiener Büro.
- Foto: Markus Spitzauer
- hochgeladen von Mag. Maria Jelenko-Benedikt
Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Elisabeth Köstinger, im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko, warum sie für die Beibehaltung des Diesel-Privilegs ist, warum Bauern ihre Kühe oft nicht auf die Weide lassen dürfen und die EU oft praxisfern agiert.
Frau Ministerin, was konkret planen Sie hinsichtlich soziale Absicherung für Landwirte und Drei-Jahres-Verteilung für Gewinne in der Landwirtschaft?
Elisabeth Köstinger: Wir haben gerade bei der Regierungsklausur ein großes Entlastungspaket beschlossen, darunter auch große Maßnahmen für die Landwirtschaft. In den letzten Jahren sind die Herausforderungen für landwirtschaftliche Betriebe extrem gestiegen, es gibt zum Teil enorme Ertragsschwankungen, nicht zuletzt durch die Folgen des Klimawandels. Die Versteuerung der Gewinne, berechnet über einen 3-Jahres-Zeitraum, kann diese Schwankungen abfedern. Extreme Wetterereignisse wie etwa Dürre oder Hochwasser führen zu diesen Schwankungen. Vor zwei Jahren etwa war es extrem schlimm mit massiven Dürreschäden, dann gab es wieder ein besseres Jahr. Mit unserem Konzept schaffen wir ein Mittel zum Ausgleich und zur Entlastung.
Die EU sieht Kürzungen des Agrarbudgets im Finanzrahmen 2021-2027 vor. Der Verlust für Österreich: jährlich 110 Mio. Euro. Auf Landwirte kommen aber immer mehr Aufgaben zu: Bio, Landschaftspflege, immer höhere Tierschutz- und Lebensmittelstandards, etc. Wer zahlt das dann alles?
Köstinger: Für uns sind diese vorgeschlagenen Kürzungen inakzeptabel. Die EU-Kommission sieht nämlich vor, ausgerechnet bei Bioprogrammen, Bergbauern und Agrarumweltprogrammen zu kürzen. Diese 110 Millionen Euro setzen sich maßgeblich aus den positivsten Beiträgen, die die Landwirtschaft nicht nur für die Lebensmittelproduktion, sondern auch für den gesamten ländlichen Raum leistet, zusammen. Das werden wir als Bundesregierung nicht akzeptieren. Wir werden sehr hart auf europäischer Ebene verhandeln und alles dafür tun, dass es zu keinem Minus kommt. Wir haben im Regierungsprogramm auch vereinbart, dass, sollte es Kürzungen geben, das Minus national ausgeglichen wird.
Die EU fordert eine Verbesserung der Kennzeichnung von Lebensmitteln, Umsetzung der EU-Bioverordnung. Mehreren hundert österreichischen Betrieben droht der Verlust des Biostatus wegen der strengeren Weiderichtlinien. Was tun Sie dagegen?
Köstinger: Die EU verschärft die Regeln für die Bio-Landwirtschaft sehr, das setzt unsere Bäuerinnen und Bauern enorm unter Druck. Bereits die Übergangsregelungen für 2020 sind ein Problem. Aber vor allem für die BIO-Verordnung 2021 brauchen wir praktikable Lösungen. Wir sind diesbezüglich in intensiven Gesprächen mit der EU-Kommission. Daher habe ich den EU-Agrarkommissar nach Österreich eingeladen, um ihm zu zeigen, dass es praktikable Lösungen braucht. Österreichs Landwirtschaft ist sehr kleinteilig strukturiert. Unsere Betriebe liegen aufgrund von teils Hunderte Jahre langer Tradition oft mitten in den Ortschaften, dort können oftmals nicht alle Details der strengen Weidehaltung erfüllt werden. Das liegt auch an räumlichen Problemen, wenn das Nachbargrundstück zum Stall nicht begehbar ist, oder eine Straße dazwischen liegt. Manche Regelungen der EU haben oft wenig gemein mit der Praxis. Wir stehen auf der Seite der Bäuerinnen und Bauern, um Verbesserungen zu erzielen. Unsere Landwirtschaft hat mit 25 Prozent den höchsten Bio-Anteil der Welt, wir sind hier Vorbild für viele andere Staaten. Ich glaube, das hat auch der EU-Kommissar gesehen und verstanden.
Das Dieselprivileg soll bleiben. Sie argumentieren damit, dass die Landwirte mit ihren Traktoren nicht benachteiligt werden. Ist das wirklich im Sinne der Umwelt?
Köstinger: Das Dieselprivileg wird in der Taskforce zur ökosozialen Steuerreform bis 2022 behandelt. Wir haben vereinbart, dass auf regionale und soziale Bedürfnisse Rücksicht genommen wird. Die Landwirtschaft hat derzeit keine Alternativen, auf ein klimaneutrales Gefährt umzusteigen. Jeder Bauer ist auf seinen Traktor angewiesen. Aber: Die Menge am Gesamttreibstoffverbrauch in der Landwirtschaft liegt bei nur vier Prozent. Es geht auch darum, einen Umstieg zu erleichtern, wenn es möglich ist. Biotreibstoffe können hier eine Alternative sein, etwa Bioethanol. Wir wollen die Beimischung auf E-10 anheben, momentan sind wir bei E5. Auch das bedeutet einen großen Beitrag zur CO2-Reduktion, weil erneuerbare Energie viel besser fürs Klima ist. Und wir setzen massiv auf Innovation. Es gibt zum Beispiel die Fischer-Tropsch Synthese, wo aus Holz Diesel gewonnen werden kann, der 100 Prozent CO2-neutral ist.
Wir verzeichnen 2019 einen Tourismus-Rekord in Österreich. In manchen Gemeinden wird der Schrei nach weniger Touristen laut, wenn man zb in Tirol den Transitverkehr hernimmt. Wie kann man die Gratwanderung schaffen?
Köstinger: Das war ein wichtiger Punkt, den wir in unserer in unserer Tourismusstrategie diskutiert haben. Wir haben Regionen, die massiv über „Overtourism“ klagen. Dort schränkt das das Leben der Einheimischen oft stark ein, weil so viele Gäste kommen. Hallstatt oder Salzburg sind dafür Beispiele. Tourismus ist aber auch ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor und für Arbeitsplätze und die Wertschöpfung wichtig. Die Balance zu schaffen ist nicht immer ganz einfach. Wir versuchen auch die Digitalisierung zu nutzen. Die Lenkung von Touristenströmen ist da ein zentrales Thema. Über Buchungsplattformen können wir etwa genau sehen, wann und wo Überlastungen stattfinden und wie man das über intelligente Systeme lenken kann. Busse sollen etwa dann nur zu bestimmten Zeiten einfahren dürfen. Hier sind wir mit den Tourismusregionen in den Bundesländern im Gespräch. Das funktioniert sehr gut. Die Maßnahmen müssen aber auf die jeweilige Region abgestimmt werden.
Wenn die Teiltauglichkeit eingeführt wird: Was bedeutet das konkret für den Zivildienst?
Köstinger: Es soll mehr jungen Männern die Gelegenheit geben, Dienst am Staat zu leisten. Auch dem Zivildienst wird das etwas bringen. In Österreich ist Zivildienst auch Regionaldienst. Viele Freiwilligenorganisationen sind auf Zivildiener angewiesen. Für junge Männer wiederum ist das eine sehr prägende Zeit. Ich habe das bei meinen ersten Besuchen in Zivildienst-Einrichtungen von praktisch allen jungen Männern gehört, die dort als Zivis tätig waren.
Pflege ist gerade am Land ein wichtiges Thema. Sollen über den Zivildienst Pfleger rekrutiert werden? Glauben Sie, dass die im Regierungsprogramm geplanten Maßnahmen reichen?
Köstinger: Der Zivildienst ist kein Ersatz für ein gutes Pflegesystem. Die Neuaufstellung der Pflege in Österreich ist ein wichtiger Punkt für diese Regierung. Dafür werden wir Konzepte ausarbeiten, inklusive der Pflegeversicherung. Wir haben über eine Million Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, fast jeder hat einen oder eine Verwandte im unmittelbaren Umfeld. Jeder Mensch soll würdevoll betreut werden können.


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