18. Juli 2016: Kommen Sie nie mit einem Messer zu einer Schießerei

- Christoph Schwarz ist Chefredakteur der bz - Wiener Bezirkszeitung.
- hochgeladen von Agnes Preusser
Vielleicht ist der Eindruck ein subjektiver, aber ich finde, es wird derzeit ein bisschen viel geschossen in Wien. Und deutlich zu viel gestorben. Am Wochenende war es wieder so weit: Die Polizei hat in Ottakring einen 37-jährigen Mann erschossen. Er war mit zwei Messern auf die Beamten losgegangen, in einem "sehr engen" Stiegenhaus. (Dass das Stiegenhaus sehr eng war, dürfte von ganz besonderer Bedeutung sein. Immerhin haben es viele Medien mit bedeutungsschwangeren Anführungszeichen übernommen. Aber dazu später mehr.)
Wer am Wochenende die ersten Medienberichte zu dem Vorfall sorgsam las, der kam jedenfalls nicht umhin, sich einige Gedanken zu machen. Über die Polizei, aber auch über die Medien und ihren Umgang mit derartigen Vorfällen.
Da war etwa die Wiener U-Bahn-Zeitung "Heute", die ihren Artikel mit "Polizei musste Randalierer in Ottakring erschießen" betitelte und auf Facebook stellte. Doch: War dem wirklich so? "Musste" die Polizei den Mann erschießen? Oder stünde es einem Medium nicht besser an, bei derartigen Geschehnissen erstmals beim möglichst objektiven Bericht zu bleiben? Und die Analyse, ob man den Mann den tatsächlich erschießen "musste", jemand anderem zu überlassen? "Polizei erschießt Randalierer in Ottakring" wäre ja ein ganz passabler und (darüber hinaus) wahrer Titel gewesen.
Ja, die Medien können und sollen die Arbeit der Polizei kritisch beleuchten, hinterfragen und auch bewerten. Medien dürfen und müssen so etwas tun bei staatlichen Institutionen. Nach guter, sauberer Recherche kann ein Journalist kommentieren oder analysieren. Aber bloße Stimmungsmache mit tendenziösen Titeln ist zuwenig.
So bleibt auch die Frage offen, ob es tatsächlich nötig war, dass der Mann "im Kugelhagel", wie andere Medien schreiben, starb. Ob es ein Kugelhagel war, weiß man übrigens nicht. Mehrere Schüsse waren es jedenfalls. Wie viele der vier Polizisten geschossen haben und und wie oft, war nach Angaben der Polizei anfangs noch unklar.
Ein eigenartiges Gefühl bleibt irgendwie dennoch zurück - ein paar ganz naive Fragen inklusive: Sollte man von Polizeibeamten erwarten können, dass sie einen Angreifer mit Messer(n) entwaffnen können, ohne ihn zu erschießen? Lag es an der "Enge" des Stiegenhauses, das keine andere Reaktion möglich war? Und, aus der Sicht eines Laien: Muss man Menschen gleich erschießen, vielleicht sogar mit mehreren Schüssen? Oder könnte man sie auch nur "anschießen"?
Es gibt übrigens Länder, in denen Straßenpolizisten gar nicht mit Pistolen bewaffnet sind, sondern erst bewaffnete Unterstützung anfordern müssen. Polizisten dort deesaklieren, sie beschützen und sie sind darin geschult, sich zu verteidigen und ihr Gegenüber zu entwaffnen, ohne dabei bis zum Äußersten zu gehen. In wieder anderen Ländern müssen die Beamten zuerst in die Luft schießen, bevor sie die Waffe auf jemanden richten dürfen. Meist ist die Ausbildung der Beamten in derartigen Ländern sehr gut. Es gibt übrigens auch Länder, in denen das Gegenteil der Fall ist. Die sich häufenden Berichte aus den USA sind nur ein Beispiel. Wo wollen wir uns einreihen?
Dass zu Beginn dieses Monats ein Polizist bei einem Supermarktüberfall in Penzing erschossen wurde, macht die Debatte über die Frage, wann der Schusswaffengebrauch von Beamten rechtmäßig ist, derzeit sehr unbequem. Es macht sie aber auch umso wichtiger.
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