Wiener Eislaufverein
Im Reich des Eismeisters
Seit knapp 40 Jahren sorgt Herr Günther für ein reibungsloses Eislaufvergnügen in der Lothringerstraße.
WIEN. Trotz fehlendem Sonnenschein tummeln sich etliche Schulklassen und Großväter mit ihren Enkerln auf der Eisfläche des Wiener Eislaufvereins (WEV) am Heumarkt. "Früher war wochentags nichts los. Heute sind an einem Donnerstagvormittag sicher tausend Kinder am Eis", erklärt Herr Günther und lehnt sich an die Bande, den prüfenden Blick auf die Eisfläche gerichtet. "In meinen Anfangsjahren war der Andrang am Sonntag mit 4.000 bis 5.000 Leuten enorm. Wir Angestellten hatten eine Chance, über den Weg rund um das Eis zu gehen."
Mit Anfangsjahren sind die 1980er gemeint, Herr Günther ist seit der Saison 1979/80 die gute Seele des Eislaufvereins. "In erster Linie bin ich für die Beschaffenheit des Eises zuständig. Heute zum Beispiel herrscht feuchtes Wetter, da müssen wir mit der Eisbearbeitungsmaschine trocken fahren. Bei hoher Luftfeuchtigkeit wird viel Kälte weggenommen", so Herr Günther, der zufällig zum WEV kam. "Ich bin Tennisspieler und habe über den Winter einen Job gesucht. Über einen Bekannten meines Bruders bin ich zum Eislaufverein gekommen und wollte nach der Wintersaison wieder auf Tour gehen", erinnert sich der Eismeister. "Dann wurde die Beziehung zu meiner späteren Frau fixer, die Kinder kamen – wie es eben so ist, bin ich hier hängen geblieben."
Tennisplätze am Eislaufplatz
Seiner ursprünglichen Profession, dem Tennisspielen, konnte der Sportler bis Mitte der 2000er-Jahre auch an seinem Arbeitsplatz nachgehen. "Früher gab es nach der Eislaufsaison am Gelände Tennisplätze, wo ich Trainerstunden gegeben habe. Aber seit ein paar Jahren haben wir Sand in the City statt den Tennisplätzen – das tut mir persönlich natürlich leid." Ebenfalls schade findet Herr Günther, dass der Wiener Eisball, der im November 2013 über die Eisfläche des WEV ging, eine einmalige Angelegenheit war. "Der Eisball hat die Leute begeistert! Wir hatten Thomas Schaefer-Elmayer mit einer Walzerformation seiner Tanzschule hier und die Gäste sind mit Ballkleid und Smoking über das Eis geglitten. Ich hoffe immer noch, dass es einen weiteren Eisball geben wird."
Generell finden in den vergangenen Jahren vermehrt Veranstaltungen am Eis statt. "Vor rund zehn Jahren wurde die Eisdisco am Freitag eingeführt und Eisstockschießen finden fast jeden Tag statt."
Trotz großer Veränderungen rund um den WEV blieb das Publikum laut Herrn Günther all die Jahrzehnte hindurch gleich. "Wir haben ein sehr durchmischtes Publikum, von Schulklassen bis hin zu Promis wie Otto Schenk oder Mausi Lugner. Leider fällt auf, dass die Kinder immer schlimmer und frecher werden", so der Eismeister. "Einmal habe ich einen Jugendlichen auf das Essverbot am Eis aufmerksam gemacht und er hat mir gleich mit seinem Vater, dem Anwalt gedroht." Besonders erfreut ist Herr Günther über den Nachwuchs der Stammkunden: "Leute, die mich in ihrer Kindheit kennen gelernt haben, kommen jetzt und stellen mit ihre eigenen Kindern vor", so der Eismeister, über den Studenten der Filmakademie im vergangenen jahr sogar eine Doku drehten, sentimental. "Ich habe schon den Bescheid für meinen Pensionsantritt mit 1. April 2020. Aber ich weiß nicht, ob ich in Pension gehe – mir macht die Arbeit am Eis immer noch Spaß!"
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