Die geheime Rezeptur des Schnees
Wissenschaft ist es keine, aber wahre Erfindungskunst: die Schneekugeln der Familie Perzy.
HERNALS. In dritter Generation geht Erwin Perzy III. heute einem etwas ungewöhnlichen Erwerb nach: Seit über 100 Jahren betreibt seine Familie die Wiener Schneekugelmanufaktur – und hat sie auch erfunden. „Mein Großvater hat Instrumente für Chirurgen entwickelt. Diese wollten damals, dass er ihnen eine Alternative zu den Gaslampen im OP entwirft.“
Diese gaben zwar helles Licht, doch die Patienten überlebten den Eingriff oft aufgrund der unsterilen Gasflamme nicht. Die neu erfundene elektrische Glühbirne war nicht hell genug.
Kirchenminiaturen aus Zinn
Etwas Neues musste her: „Seine erste Idee war es, ein Vergrößerungsglas vor das Licht zu setzen. Aber der Lichtpegel war zu klein und die Chirurgen waren verwöhnt von der Helligkeit der Gaslampe.“ Es folgten Versuche mit wassergefüllten Glaskugeln, die er sich bei Schustern abschaute, und ein Experiment mit Gries, den er in der Küche seiner Mutter fand und zur Streuung des Lichts ins Wasser gab: „Als er das gesehen hat, fand er, es sehe so aus, als ob es schneien würde.“ Die Glückssträhne riss nicht ab: Ein Freund, der im Wallfahrtsort Mariazell Andenken verkaufte, fragte ihn, ob er nicht eine Miniatur der dortigen Kirche aus Zinn gießen konnte, etwa so wie Zinnsoldaten.
Das war der Punkt, an dem alles zusammenkam: die Kirche im Wasser, das Wasser im Glas und all das mit einer Portion „Schnee“ versehen. Und die Chirurgen? „Für die war die Erfindung wertlos. Die hätten ja ständig umrühren müssen.“
Von Japan bis Amerika
Erwin Perzy I. merkte, dass er mit den Schneekugeln viel mehr Erfolg hatte – und das mit einfacheren Mitteln. Heute haben sich die Kugeln als Weihnachtsartikel etabliert. Früher wurden sie hauptsächlich nach Amerika exportiert, heute werden sie am häufigsten nach Japan verkauft.
Mittlerweile ist mit Perzys Tochter die vierte Generation in den Betrieb eingestiegen. Sie regelt den Kundenverkehr. Perzys Frau ist für die Bemalung zuständig. Nur die Geheimrezeptur für den Schnee, die verrät Perzy seiner Tochter noch nicht: „Mein Vater hat mich mein Leben lang damit genervt. Deswegen muss auch sie noch ein bisschen warten.“
Autorin: Katharina Kropshofer
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