Gewaltambulanz
Streit in Wiener Neustadts Stadtpolitik setzt sich fort

- Nach der Entscheidung im Gemeinderat war das Entsetzen bei den Grünen groß: GR Michael Diller, GR Michael Willvonseder, GRin Katharina Fruhmann, Stadträtin Selina Prünster.
- Foto: GRÜNE WRN
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Vergangene Woche wurde in der Gemeinderatssitzung über die Errichtung einer Gewaltambulanz für Frauen abgestimmt. Der Antrag wurde von NEOS und SPÖ unterstützt. ÖVP, FPÖ und Liste Kanber Demir lehnten ab. ÖVP-Vizebürgermeisterin Erika Buchinger ist im Stadtrat für die Ressorts Frauen und Familie verantwortlich. Weshalb die Grünen meinen: "Frauen brauchen Schutz – keine faulen Ausreden einer machtlosen Vizebürgermeisterin."
WIENER NEUSTADT. Die Entscheidung um die Errichtung einer Gewaltambulanz in der Stadt erhitzt die Gemüter. Der Dringlichkeitsantrag wurde abgelehnt. SPÖ-Klubobmann Christian Hoffmann: "Wir sind als Fraktion dem Antrag der Grünen bzgl. der Gewaltpräventionsambulanzen, dem wir inhaltlich zustimmen, zwar nicht als Antragsteller beigetreten, haben ihm aber die Dringlichkeit zuerkannt. Die Abstimmung über die Dringlichkeit durch den gesamten Gemeinderat hat keine Mehrheit gefunden, damit war der Antrag nicht auf der Tagesordnung."

- Selina Prünster, Spitzenkandidatin der Grünen Wiener Neustadt für die Gemeinderatswahl 2025.
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Eine Tatsache, die die Wogen in der Stadtpolitik hat hochkochen lassen. Ein Teil der Parteien sieht den Gewaltschutz nicht ernst genommen, andere verweisen auf die Verantwortlichkeit der Bundesregierung. Kanber Demir (eigene Liste): "Es gibt in Österreich bereits das Gewaltambulanzförderungsgesetz. Dieses Gesetz sollte so gestaltet werden, dass es einheitlich und verbindlich durch das Gesundheitsministerium umgesetzt wird."
Es dürfe nicht den einzelnen Bundesländern überlassen bleiben, ob und wann sie entsprechende Maßnahmen ergreifen. "So ersparen wir uns auch Diskussionen über zukünftige Maßnahmen – denn dieses Thema ist zu ernst, um politisch ausgeschlachtet zu werden. Nur so können wir sicherstellen, dass Gewaltopfer überall rasch und verlässlich Hilfe bekommen."
Tiefpunkt in der Frauenpolitik
Als "enttäuschenden Tiefpunkt frauenpolitischer Verantwortung und ein Armutszeugnis für die zuständige Vizebürgermeisterin" bezeichneten die Grünen die Entscheidung gegen eine Gewaltambulanz im Gemeinderat. Stadträtin Selina Prünster (Grüne) hatte den Antrag eingebracht und schon im Vorfeld mit Vertretern aller Parteien über die Dringlichkeit des Themas gesprochen.

- ÖVP-Vizebürgermeisterin Erika Buchinger lässt sich die Vorwürfe nicht gefallen.
- Foto: Philipp Monihart
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In den Tagen nach der Ablehnung des Antrags kochten die Gemüter hoch. Prünster reagierte fassungslos: „Wie kann Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin Erika Buchinger gegen ein Projekt stimmen, das nichts kostet, aber so viel bewirken kann? Eine Gewaltambulanz sichert Beweise – und schützt Frauen. Wer das ablehnt, stellt sich gegen den Schutz von Gewaltopfern.“
Erhitzte Gemüter
Doch auch Parteikollegin Katharina Fruhmann zeigte sich nach der Entscheidung angriffslustig, sah in der Antragsablehnung vorwiegend parteipolitisches Kalkül, der Stellenwert von Frauenschutz in der ÖVP zu gering. "Wir Grüne werden weiter Druck machen – denn Untätigkeit schützt Täter, nicht Opfer", so Fruhmann.
Buchinger konterte die Angriffe auf ihre Person und verwies wie schon Bürgermeister Klaus Schneeberger darauf, dass im Land bereits ein Antrag vorliege, ein flächendeckendes Maßnahmenpaket seit Längerem in Arbeit sei.

- ÖVP-Gemeinderätin Bettina Mittermann.
- Foto: Philipp Monihart
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Auf die Vorwürfe angesprochen: "Das lasse ich nicht auf mir sitzen. Es gibt niemanden, der sich so für Frauen und Kinder in dieser Stadt einsetzt wie ich. Ich lebe meine Ressorts, ich arbeite meine Ressorts. Das können alle Anlaufstellen wie der Verein wendepunkt oder sie Weiberwirtschaft bestätigen", so Buchinger und weiter: "Anscheinend haben die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen das sinnerfassende Zuhören verlernt."
Rückendeckung
Rückendeckung bekommt sie auch von ihren Parteikolleginnen. Die Vorwürfe der Grünen sind für Gerlinde Buchinger, Sabine Gremel und Bettina Mittermann inhaltlich haltlos und was noch schlimmer ist: "Diese Vorwürfe überschreiten die Grenze des Anstands – menschlich und politisch."
Buchinger habe sich bewusst und differenziert entschieden, den Vorschlag der Grünen nicht zu unterstützen. "Ihre Entscheidung war getragen von Verantwortung, nicht von Ablehnung des Themas. Doch genau das wurde ihr unterstellt – und zwar auf eine Art und Weise, die wir nicht unkommentiert lassen können", so die drei VPWN-Gemeinderätinnen.
Maßnahmen greifen zu kurz
Für die NEOS greifen die bestehenden Maßnahmen zu Gewaltprävention und Opferschutz nicht aus. "In Niederösterreich existiert bislang keine einzige Gewaltambulanz gemäß bundesgesetzlichen Vorgaben", so Theodor Harnisch (NEOS). Der Grund dafür sei die jahrelange Blockade der ÖVP, gemeinsam mit der FPÖ, im niederösterreichischen Landtag.
"Die Forderung nach einer raschen Umsetzung in Niederösterreich, mit Fokus auf Wiener Neustadt, ist daher keine Forderung nach Sonderbehandlung, wie von Bürgermeister Schneeberger unterstellt, sondern das Einfordern einer längst überfälligen Maßnahme", so Harnisch weiter.
"Wir befürworten den flächendeckenden Ausbau von Gewaltambulanzen in den Bundesländern. Als Teil der Bundesregierung setzen wir uns für ein qualitativ hochwertiges Angebot in ganz Österreich ein und erwarten vom Land Niederösterreich nun endlich eine verbindliche Umsetzung", so Harnisch abschließend.
Gewaltschutz hat Priorität
Kanber Demir: "Gewalt kann jede und jeden treffen – uns selbst, unsere Familien oder Freunde. Deshalb ist es besonders wichtig, Gewaltopfer effektiv zu schützen und ihnen verlässliche Hilfe zu bieten." Auch er verweist auf bestehende Vorbereitungen im Landtag.
"Die Behauptung, dass alle, die den Antrag abgelehnt haben, gegen den Schutz von Gewaltopfern seien, halte ich für unangemessen. Die Ablehnung bedeutet nicht, dass das Thema unwichtig ist – im Gegenteil: Es wird bereits intensiv an einer fundierten, landesweiten Lösung gearbeitet", so Demir.
Er sei überzeugt, "dass dieses sensible Thema nicht auf Landesebene fragmentiert geregelt werden sollte, sondern eine bundesweit koordinierte Lösung braucht – zentral gesteuert durch das Gesundheitsministerium. Damit gewährleisten wir eine verlässliche und schnelle Unterstützung für alle Betroffenen in ganz Österreich."
Lösung auf Bundesebene
Ähnlich sieht das auch die FPÖ und verweist auf die bestehenden Angebote wie Frauenhäuser und Gewaltschutzzentrum, NÖ Frauentelefon, Frauenhelpline gegen Gewalt, Rat auf Draht.
Weiters sieht er die Verantwortung bei der Bundesregierung. "Die FPÖ nimmt das Thema Gewalt, sowohl Gewalt gegen Frauen, als auch Gewalt gegen Männer und Kinder, selbstredend sehr ernst. Bei keiner anderen Partei ist das Thema Sicherheit so großgeschrieben wie bei der FPÖ. Gerade beim Thema Sicherheit und Gewalt sehen wir die Bundesregierung in der Pflicht. Leider ist zu befürchten, dass die angekündigten Budgeteinsparungen die Probleme in diesem sensiblen Bereich weiter verschärfen könnten", so FPÖ-Pressesprecher Joachim Lielacher.
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