Chance B: Soziale Innovation
Obfrau Jaqueline Pölzer lud zu einem „Fünf Uhr-Tee“ mit besonderem Hintergrund. Die Gleisdorfer Chance B besteht seit 25 Jahren. Aus einer Idee wurde einer der größten Betriebe Gleisdorfs.
Das war keine bloße Geschäftsidee, sondern eine soziale Herausforderung. Vor rund 30 Jahren hielt unsere Gesellschaft viele ihrer Kinder für „schulunfähig“.
Menschen rund um Franz Wolfmayr, die teils beruflich mit Kindern zu tun hatten, welche mit schweren Handicaps leben müssen, begannen damals, diese Vorstellung und Ausgrenzung in Theorie und Praxis anzufechten.
Pölzer bat Menschen aus dieser ersten Zeit der Chance B an den Tisch, um zu erzählen, wie sich das entwickelt hat und woran man sich erinnern mag. Das waren nun vor allem Eltern betroffener Kinder und verschiedene Fachkräfte, die sich damals auf das soziale Experiment einließen. Sie blätterten in Fotoalben und in ihren Erinnerungen.
Es ging auch darum, Familienangehörige zu ermutigen, daß sie mit ihren Schützlingen nicht im Verborgenen bleiben, sondern im Alltag der Stadt sichtbar werden. Darin hat sich Gleisdorf ebenso verändert wie die steirische Gesetzeslage. Der integrative Unterricht wurde erst zum Schulversuch und schließlich zum Teil der Regelschule, was bedeutet, behinderte und nichtbehinderte Kinder werden gemeinsam unterrichtet.
Diese Entwicklung war auch für manche Eltern irritierend. So erzählte eine Mutter, sie habe sich damals nicht vorstellen können, was ihr Sohn mit einer Schultasche und Heften anfangen solle.
Über die Jahre wuchs der Betrieb und differenzierte sich in verschiedene Sparten aus. Längst ging es nicht mehr bloß um Kinder. Es gibt in allen Altersstufen Menschen, die zur Alltagsbewältigung Unterstützung brauchen, deshalb aber nicht irgendwo hin verbracht werden möchten.
So wuchsen Erfahrungen, wie man diesen Menschen angemessene Hilfe dort bietet, wo sie zuhause sind und sich vertraut fühlen.
Neben all den sozialen und pädagogischen Aufgabenstellungen hat die Chance B auch immer Angelpunkte für kulturelle und künstlerische Projekte in Gleisdorf ergeben; bis hin zu so nebensächlich scheinenden, aber sehr wichtigen Funktionen, wie seinerzeit preiswerte Fotokopien anzubieten oder den firmeneigenen Kleinbus auch firmenfremden Menschen zu leihen.
All das überschneidet sich mit einer anderen markanten Gleisdorfer Geschichte, denn die Chance B hat ihr Zentrum in Räumen des ehemaligen Dominikanerinnen-Klosters. Eine der Ordensfrauen, die heute in Graz leben, Schwester Immakulata, war der gestrigen Einladung ebenso gefolgt.
Sie erzählte von den ersten Begegnungen mit den Chance B-Leuten und davon, daß mit der zunehmenden Öffnung des Klosterareals die „heilige Ruhe“ des Ortes gegen andere Qualitäten getauscht worden war.
Eva Skergeth-Lopic, Geschäftsführerin der Chance B, kündigte an, es werde in Zukunft weitere Stationen des Erinnerns und der Rückbesinnung geben, was ja auch bedeutet, seine eigenen Schritte zu überprüfen.
In einer Zeit umfassender sozialer Erosionen und budgetärer Problemlagen des Gemeinwesens bedarf es nicht nur der Visionen, sondern auch der Praxisschritte und der laufenden Erfahrungen, um jenen Menschen wirkungsvoll beizustehen, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind.
Die Chance B im Internet: [link]
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