„Steh zu dir, so wie du bist!“

Die Mediziner Marguerite Dunitz-Scheer | Foto: KK

Sie sind Kinder-Psychotherapeutin am LKH: Welche Kinder betreuen Sie?
Ich arbeite mit Kindern mit Essstörungen. Mitunter haben auf der Station bis zu zehn Mädchen, die anorektisch. also magersüchtig sind. Pro Jahr betreue ich mit meinem Team rund 100 Kinder ab 12 Jahren und mindestens so viele jüngere, auch Säuglinge.

Was ist schuld an den Essstörungen?
Die jungen Kinder haben zum Teil sensorische Störungen. Die Erkrankungen der Älteren hängen damit zusammen, dass wir in einer anorektischen Gesellschaft leben: Überall sehen wir extrem dünne Frauen.

Warum haben Schönheitsideale so großen Einfluss?
Diese Bilder sind tief in der Gesellschaft verankert: Schon Kinder hören von ihren Müttern: „Ich habe zugenommen, ich darf nur Salat essen.“ Auch erfolgreiche Frauen verkörpern dieses Bild: Das sind Frauen im Chanel-Kostümchen mit 50 Kilo ... Dabei muss man Mädchen doch vermitteln: Stehe zu dir selbst, so wie du bist. Man muss sich mit sich aussöhnen. Interessant ist auch, dass diese Ideale nicht von den Männern kommen.

Sie meinen, Frauen erlegen sich die Zwänge selber auf?
Ja, auch Freundinnen definieren sich oft darüber, wer die dünnere ist. Frauen sind selten zufrieden mit ihrem Körper. Wenn wir 100 Grazerinnen fragen, sagen sicher 90 Prozent: Ich wäre glücklicher, wenn ich dünner wäre. Aber nicht, wenn ich gesünder wäre, oder sportlicher … Das überträgt sich auf die Kinder.

Hatten es Kinder früher leichter?
Ich glaube, Kinder hatten früher mehr Freiraum. Ich selbst bin oft bis am Abend auf Bäumen herumgeklettert und meine Mutter wusste nicht, wo ich bin. Heute machen sich Eltern mehr Druck, auch was die Ernährung oder Freizeitgestaltung ihrer Kinder betrifft: Sie haben vielleicht weniger Zeit und wollen alles genau planen.

Wie emanzipiert sind Frauen denn heute?
Eine positive Entwicklung ist, dass es für Frauen heute eine größere Rollenvielfalt gibt: Sie können keine Kinder haben, Kinder erst mit 35 bekommen oder drei Kinder haben und Hausfrau sein.

Sie selbst haben viele Kinder.
Ja, ich habe sechs Kinder und drei Pflegekinder. Meine erste Tochter habe ich während des Studiums bekommen. Das hat sich alles so ergeben und es hat wunderbar funktioniert.

Sie leben in einer Patchwork-Familie und haben auch ein Buch darüber geschrieben. Warum?
Begriffe wie „Scheidungs-Waisen“ suggerieren uns, dass Kinder traumatisiert sind, wenn sich Eltern trennen. Das finde ich furchtbar! Diesem unterschwelligen Diktat wollte ich etwas entgegensetzen. Denn wir wissen ja, dass glückliche Eltern bessere Eltern sind. Ich selbst war mit meinem ersten Mann sieben Jahre verheiratet, mit meinem zweiten bin ich seit 30 Jahren verheiratet. Und ich sehe: Unser Familienleben funktioniert! Wir sind es unseren Kindern schuldig, dass sie Kontakt zu beiden Eltern haben. Kinder sollen nicht die Kränkungen ihrer Eltern übernehmen. Was wir ihnen stattdessen vermitteln sollen, ist Verständnis füreinander und Liebe!

IM WORDRAP
Das Beste daran, eine Frau zu sein ist …
Leben weitergeben zu können mit allem was dazugehört, wie einer Beziehung zu einem Mann.
Als Mann würde ich …
versuchen, eine tolle Frau zu finden
Wütende machen mich …
Oberflächlichkeiten
Mein Lieblingsschimpfwort:
Ich fluche nicht, wenn ich wütend bin, verfalle ich ins Schweizerische.
Als Kind wollte ich …
Ärztin werden und Krebs heilen
Mit 85 Jahren möchte ich …
fit sein, arbeiten und im Kreise meiner Familie leben.
Als Comicfigur wäre ich ...
Peppa Pig

STECKBRIEF
- geb. 1955 in Maryland, USA
- Medizin-Studium an der Uni Zürich und der Uni Graz, Psychotherapieausbildungen
- arbeitet an der Klinischen Abteilung für allgemeine Pädiatrie am LKH Graz

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