Weihnachtsgeschichte: Rauch und Weihwasser

Wir verlassen nun kurzzeitig das gesicherte christliche Terrain und tauchen ein in den Machtbereich germanischer Gottheiten. Sommer, Sonne, Ferien – ein Denken unserer Zeit. Göttervater Wotan gewährte Urlaub ausgerechnet in der finstersten Zeit, während der sogenannten „Zwölften“. Das sind Tage, an denen die Zeit still steht, der Gang der Welt angehalten scheint. Die Menschen registrierten, dass die Monatsordnung des Mondkalenders und der Lauf des Sonnenjahres – also das reale Längerwerden der Tage – zeitlich nicht zusammengingen. Da war die Monduhr abgelaufen, noch bevor sich der sprichwörtliche Silberstreif einer länger am Himmel stehenden Sonne abzeichnete.

Zwischen Weihnachten und Dreikönig taumelte die Welt also irgendwo im zeitlichen Nirwana. Man hielt sie in diesen bedrohlich dunklen Tagen für besonders anfällig für Verwundungen durch das Böse. Und akkurat da (oder gerade deswegen) gewährte Wotan nach heidnischen Vorstellungen allen bösen Geistern und Dämonen Ausgang. Sie mussten also tunlichst von den Häusern ferngehalten oder aus ihnen vertrieben werden.

Solche Vorstellungen stecken dahinter, wenn jetzt von Raunächten (eigent- lich: Rauchnächten) die Rede ist. Ob nun die „Zwölften“ oder mehr oder weniger Tage – das ist unterschiedlich von Region zu Region. In Ober- österreich heißt gar die gesamte Zeit von Weihnachten bis Sankt Valentin (14. Februar) „unter den Nachtn“. Vier Nächte gelten im alpinen Bereich als besonders dämonengefährdet: jene am ehemaligen Thomastag (21.12.), jene vor dem Christfest (24.12.), dann die Silvesternacht (31.12.) und jene auf Dreikönig (5.1.) zu. Letztere ist die raueste der Raunächte. Der neuen Rechtschreibung muss man leider vorwerfen, dass sie das „h“ aus dem Wort „Raunacht“ herausreklamiert hat: Es ist wirklich schade drum, denn etymologisch steckt der Rauch drinnen.

Zumindest in einer dieser Nächte, vielerorts gleich an allen vier Abenden, wird daheim geräuchert. Ein Umzug mit Weihrauch und Weihwasser ist angesagt, durch die Räume des Hauses, in den Stall und womöglich gleich drei Mal ums Haus herum. Das ist die ureigenste Aufgabe für den Familienvater. Er geht mit der Rauchpfanne herum. Das gelbe Harz liegt auf der glühenden Kohle – 800 Grad sind gerade recht, um die ätherischen Düfte freizusetzen. Der Begleiter besprengt zur selben Zeit die Räumlichkeiten, Menschen und Vieh mit Weihwasser. So wird Gottes Segen erbeten und das Böse vertrieben, das Vieh und das Sachgut mit hineingenommen in jenen Segen, den die Leute beim Kirchenbesuch mitnehmen.

Ein hübscher Brauch in der Gegend von Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich): Wer sich Kopfschmerzen für ein ganzes Jahr ersparen will, hält seinen Hut über den wundersamen Rauch und setzt ihn rasch wieder auf.

Tiere erhalten in den Raunächten, vor allem zu Weihnachten, traditionellerweise eine „Maulgabe“. In der Heiligen Nacht, so erzählt man sich vielerorts, reden ja die Tiere. Die Maulgabe: Das können ein paar Brocken geweihter Nahrung sein, mit Weihrauch besprengte Brotstücke oder Obstreste. In Neuhofen an der Ybbs gibt’s sogar ein paar Tropfen Schnaps.

„Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet zu dir auf“, heißt es im Psalm 141. Und in der Offenbarung 8,3 ist beschrieben, wie ein Engel „mit einer goldenen Räucherpfanne an den Altar“ trat mit der Absicht, „so die Gebete aller Heiligen vor Gott zu bringen.“ Die Bitten und Anliegen mögen aufsteigen wie die Rauchschwaden. Die Vorstellung ist anschaulich und sie steckt hinter jeder Verwendung von Weihrauch in der Liturgie. Weihrauch galt im alten Orient als ein besonders wertvolles Harz, als Sinnbild für die Würde und Erhabenheit der Könige und Priester. So ist auch zu erklären, dass die Heiligen Drei Könige Weihrauch als Gaben zur Krippe brachten. Das Verbrennen von Weihrauch ist ein Bekenntnis zu Christus, dem König und Erlöser.

Informationen über den Autor

Reinhard Kriechbaum

Geboren 1956 in Graz. Studium der Kunstgeschichte und Volkskunde an der Universität Graz, Chordirigieren und Gesang an der dortigen Musikhochschule. Von 1982 bis 1989 Kulturredakteur der „Salzburger Nachrichten“, 1989 bis 1991 Leiter der Pressestelle der Erzdiözese Salzburg. Kulturjournalist für in- und ausländische Medien. Seit 2004 Chefredakteur und Herausgeber der Salzburger Internet-Kulturzeitung „DrehPunktKultur“. Reisejournalismus mit Schwerpunkt Osteuropa. Einige Buchveröffentlichungen zu Österreich-Themen.

Informationen zum Buch

Titel des Buches: Weihnachtsbräuche in Österreich
ISBN: 978-3-7025-0627-8
Umfang: 200 Seiten
Preis: € 24

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