Heiße Diskussion über Kunst im öffentlichen Raum

Dr. Elisabeth Fiedler, Künstler Werner Reiterer, Bgm. Helmut Leitenberger und Moderator Klaus-Dieter Hartl.
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Bei einem Diskussionsabend im Sitzungssaal des Leibnitzer Rathauses debattierten Projektbetreiber mit Bürgern am aktuellen Beispiel "Crash" über Kunst im öffentlichen Raum. Dabei "crashten" die unterschiedlichen Ansichten über die Aufgabe von Gegenwartskunst einmal mehr doch ziemlich hart aufeinander.
Vom ersten Tag an sorgte ja das Thema dank der kunstvollen Inszenierung eines Verkehrsunfalles bei der Mariensäule am Hauptplatz in Leibnitz für teils heftige Reaktionen. Und das wird wohl noch weiter bis zur Verschrottung des Autos am 28. November 2013 der Fall sein.

Erhitzte Gemüter

Der Verkehrsunfall als Kunstwerk, über den man sprechen sollte, erregte die Gemüter und hat zahlreiche Leserbriefsschreiber auf den Plan gerufen, von denen einige der Einladung des Bürgermeisters zur Diskussion ins Rathaus gefolgt waren. Die von beiden seiten leidenschaftlich geführte Debatte drehte sich um die Aufgabe und Definition von Kunst im öffentlichen Raum sowie die Thematisierung , wenn altes Kulturgut, wie die Mariensäule, auf neues, das Auto als Sinnbild für die technische Revolution, trifft.
"Das Werk hat viele Menschen angesprochen. Man muss Kunst nicht von Anfang an verstehen. Die Auseinandersetzung mit dem Werk ist ja gerade Aufgabe von Kunst im öffentlichen Raum. Die Leute sollen hinschauen, neugierig werden. Künstler dürfen mit ihren Kunstwerken Fragen stellen", erläuterte Dr. Elisabeth Fiedler vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum.
"Dass Realität mit Vision verschleift, funktioniert nur im öffentlichen Raum. Die Realitätsebene kann nur im öffentlichen Raum als wahr empfunden werden. In diesem Fall die Annahme eines Verkehrsunfalles", so Werner Reiterer, der Schöpfer des Kunstwerkes "Crash". Aufgrund neuer verkehrstechnischer Anforderungen habe man die aus 1744 stammende Mariensäule drei Mal verschoben. Hier trete altes Kulturgut in Konflikt mit einer neuzeitlichen Erfindung. Das erzeuge Reibung, die stellvertretend für die Reibung in der Gesellschaft sei, so Reiterer. Das Werk bezwecke die Konfrontation zwischen Realität und fiktiver Realität. "Das ist ein großer Reibepunkt, der in eine Fiktion umfällt. Gegenwartskunst soll Diskussionen anschieben", erläuterte Reiterer seine Überlegungen zu "Crash".

Was ist Kunst?

"Kunst muss als Kunst erkennbar sein. Was ist bei Crash Kunst? Ist es Kunst, sich zu trauen, so etwas zu tun?, fragte sich und den Künstler Egon Schober, der sich wundere, dass für "Mist" so viel Geld ausgegeben werde, nämlich 30.000 Euro.
"Die Mariensäule ist ein Symbol für die Leitkultur im europäischen Raum. Ihre Versetztung und die Gründe der Versetzung waren war dafür ausschlaggebend, das Kunstwerk so zu gestalten", wiederholte Werner Reiterer seinen Standpunkt. Die Frage, was ist Kunst, sei nicht demokratiefähig. "Es ist keine mehrheitliche Abstimmung über Kunst möglich. Viele Bauwerke, wie etwa der Eifelturm in Paris, wären nicht entstanden, wenn man zur Zeit ihrer Entstehung darüber abgestimmt hätte", entgegnete Reiterer. Die Aussage "das Volk habe immer Recht", sei, so der Künstler, "ein Topfen". "Es gibt festgeschriebene Rahmenbedingungen, wie die Freiheit der Kunst, in denen sich ein Individuum entwickeln kann. Über diese kann man nicht abstimmen", meinte Reiterer.
Für Crash-Kritiker Egon Schober sei das Ganze Aktionismus und nicht Kunst.
"Mit meiner Kunst mache ich ein Angebot. Ich habe kein Problem, wenn sie dieses ausschlagen. Aber die gesellschaftliche Sanktion, `das wollen wir weg haben`, das ist für mich ein Problem", so Reiterer.

Freiheit der Kunst

Wenn sich Egon Schober als Richter über die Kunst stelle, sei das eine gefährliche Sache, mahnte Zuhörer Henry Sams. "Die Kunst ist frei, ist sie das nicht mehr, dann sind Gesellschaftsverhältnisse gefährdet!", befürchtete Sams.
Von der finanziellen Seite von "Crash" berührt, äußerte sich Helga Jaunig. "Ich frage mich, was war die künstlerische Leistung von Werner Reiterer? Die Zerstörung eines vorher funktionierenden Gegenstandes als Kunst zu deklarieren, finde ich nicht in Ordnung. Wie sah da die finanzielle Aufteilung für das Projekt im Gemeinderat aus?", fragte die Diskutantin Bgm. Leitenberger.

Finanzielle Seite

"Für Kulturarbeit wird in Leibnitz viel Geld ausgegeben. Auch diese Kulturform hat Platz in der Kulturarbeit. Im Gemeinderat wurde über einen Katalog von Aktivitäten für das Jubiläum 100 Jahre Stadt Leibnitz abgestimmt. Inbegriffen war da auch das Crash-Projekt", erklärte Leitenberger, der bestätigte, dass es für Crash von der Stadtgemeinde Leibnitz 12.000 Euro, vom Land Steiermark 18.000 Euro gegeben habe und der Künstler ein Honorar von 5000 Euro bekommen habe.
"Das Auto wurde von einem Mitarbeiter von mir angekauft und hatte 200.000 km Fahrleistung aufzuweisen gehabt. In der Gesellschaft ist das Zerstören ein riesiges Thema", erwiderte Reiterer. Wenn jeder der 3 Millionen Erwerbstätigen 1 Cent an Steueraufkommen leiste, kämen die Kosten von 30.000 Euro für Crash zusammen, rechnete Reiterer vor.
Henry Sams, der betonte, auch eine Werbeagentur zu betreiben, würdigte die unbezahlbare Medienpräsenz von Leibnitz dank der Berichterstattung über das Kunstwerk. "Die Berichterstattung entspricht einem Gegenwert von 100.000 Euro", rechnete Sams vor.
"Wenn für Kunst Geld zur Verfügung gestellt wird, zeugt das von einer entwickelten Demokratie", meinte dazu Dr. Fiedler.
Was allerdings von den Projektbetreibern als Schwach- und Kritikpunkt eingestanden worden war, war die Kritik eines Diskutanten, dass die Öffentlichkeit zu wenig Informationen über die Hintergründe für das Zustandekommen des Kunstwerkes erhalten habe.

Abschlussrunde

"Was von der Gegenwartskunst einmal in die Kunstgeschichte eingehen wird, darüber entscheiden spätere Generationen", betonte Reiterer. "Es gibt immer einen Schlüssel zu einem Kunstwerk", meinte Moderator und Kurator Klaus-Dieter Hartl, man müsse ihn allerdings suchen.
Bgm. Leitenberger erwägt, das schon bald zu einem Schrottpaket gepresste Crash-Auto danach auch noch am Hauptplatz auszustellen. Ob dann die Diskussionen ein Ende haben werden, ist allerdings zu bezweifeln.

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