Das Fremde als Kontrastmittel
Es war ein ruhiger Abend, eine überschaubare Gesprächsrunde. Es war keine Vorführung für ein Publikum, sondern eine Arbeitssituation im Gleisdorfer „MiR“.
Was aber dabei geschah, was in Summe zur Sprache kam, sprengt den Rahmen einer griffigen, kleinen Berichterstattung bei weitem.
Daher ist dies bloß der Beginn einer Reflexion jener Veranstaltung, die in mehreren Schritten weiterzuführen bleibt.
Falls Sie Länge und Ausführlichkeit solcher Rückblicke scheuen, sind Sie Teil der irritierenden Zusammenhänge, die da erörtert wurden. Die intensive Debatte im Gleisdorfer „Museum im Rathaus“ hat in jedem Fall klar gemacht, daß wir alle derzeit auf eine Jahrhundertherausforderung eher zu flüchtig reagieren.
Können wir nicht anders? Wollen wir nicht anders? Gilt der Primat der Tat, wonach nun Handeln vor Reden geht? Und wenn es so wäre, befreit uns das von den Mühen präziser Reflexion?
Da war ein Arbeitsgespräch angesetzt, in dem eine Runde von Menschen aus ganz verschiedenen Positionen sich individuell äußern sollte, was ihre Erfahrungen seien, „Das Fremde“ zu finden, zu erleben; nicht bloß durch andere, sondern auch an und in sich selbst.
Die Gesprächsrunde ergab einen Bogen durch ganz unterschiedliche Berfufsfelder, betonte kontrastreiche Erfahrungen mit dem Fremdsein. Tierarzt Karl Bauer, Unternehmerin Kerstin Feirer, Heilmasseurin Eveline Gabriel, Künstler Martin Krusche, Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov, Bürgermeister Christoph Stark, Unternehmer Ewald Ulrich und die Kulturschaffende Helen Wieser legten erst persönliche Zugänge zum Thema offen, um dann den Stand der Dinge zu erörtern.
Selbstverständlich kam ein wesentlicher Anlaß dazu von den aktuellen Flüchtlingsbewegungen, durch die uns die Welt in diesem schönen und so angenehm lebbaren Gleisdorf mit brisanten Anforderungen erreicht. Aber der Abend war eigentlich grundlegenderen Überlegungen gewidmet. Doch ist dafür nun die passende Zeit?
Es ging im Kern um die Frage, was das denn überhaupt sei, das Fremde, und welchen Umgang wir damit wünschenswert, erträglich finden. Diese Einladung kam vom Kunstfeld her, wo Befremden, Fremdheit, Irritation ganz wesentliche Grunderfahrungen sind, weil künstlerische Arbeit in den meisten Fällen bloßes Dekorieren bliebe, könnte man sich nicht selbst darin fremd werden.
Braucht eine ganze Gesellschaft solche Reflexionsarbeit? Ist das im Gemeinwesen von irgendeiner Wichtigkeit?
Die Wucht des Themas bleibt uns gerne verborgen, wenn alls wie geschmiert läuft. Wo einzelne Menschen in unserer Gemeinschaft in der Frage auffällig werden, haben wir Konventionen, bewährte Zuschreibungen. Da ist etwa von „abweichendem Verhalten“ die Rede und es wird gerne unterstellt, daß wir Kalrheit wie Konsens hätten, was als „normal“ gelten soll. (Daher, so die beliebte Vermutung, wäre auch klar, was „abnormal“ ist.)
Natürlich wissen oder ahnen wir, daß es nie so glatt läuft. Macht die „Normalität“ Pause, kann es ungemütlich werden, manchmal ausgesprochen gefährlich. Solchen Zusammenhängen ist regionale Wissens- und Kulturarbeit durchaus gewidmet. Deshalb war „Die Praxis des Kontrastes“ auch eine der Stationen im 2015er Kunstsymposion.
Kulturelles Engagement, das sich nicht dem Befremden widmet, bleibt im Polstersessel hocken. Doch was hat welche Priorität? Sie sehen, ich habe im Augenblick mehr Fragen als andere Aspekte zur Hand. Diese Veranstaltung war demnach erst der Auftakt, eine Markierung, hinter der einiges folgen muß.
+) Dokumentation [link]
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