Waidhofens Schmetterlings-Experte im Interview

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Herr Lichtenberger: Wie sind Sie zur Entomologie gekommen?

Ein prägendes Erlebnis war für mich ganz sicher eine Insektenausstellung in Steyr, die ich als Kind besuchen durfte. Dort konnte ich die größten und farbenprächtigsten Falter aus aller Welt bewundern. Faszinierend auch die bizarrsten Käfer aus tropischen Regionen im Verband mit Riesenlibellen und vielen anderen phantastischen Insekten. Die sind mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Schon jetzt stand fest, ich will Naturforscher werden! Ich verschlang Bücher über Reise- u. Expetitionsberichte, besonders der Dschungel faszinierte mich mit seiner riesigen Artenvielfalt. So begann ich den Schmetterlingen, Käfern und anderen Insekten vor der Haustüre hinterher zu jagen und legte eine kleine Sammlung an. Dann, endlich der Schule entronnen, kaufte ich von meinem ersten selbstverdienten Geld, als Lehrling in den Steyrer-Werken, diverse Bestimmungsbücher. Bald fand ich Kontakt zur Entomologischen Arbeitsgemeinschaft am Landesmuseum in Linz, und das war der Beginn einer ernsthaften, der Heimatforschung dienlichen Arbeit.

Haben Sie ein Spezialgebiet in der Entomologie?

Ja, es sind die Schmetterlinge. In über 250 Jahren Forschung in Österreich konnten gut 4000 (viertausend) Arten registriert werden, welche von den Hochlagen der Alpen bis in tiefste Au-Lagen die verschiedensten Biotope besiedeln. Aber nur fünf Prozent davon sind Tagfalter.

Was ist das Spannende an der Schmetterlingsforschung?

Wenn eine Raupe, im Volksmund landläufig als „Wurm“ bezeichnet, sich zur Verpuppung anschickt, und schon wenige Tage später die Umrisse des fertigen Schmetterlings zu Tage treten. Wie ist so etwas überhaupt möglich? Die weit fortgeschrittene Molekularbiologie- und Technik brachte es an den Tag: Enzyme sind es, die in jeder Sekunde auf kleinstem Raum millionenfach chemische Umsetzungen bewirken, oder mit anderen Worten, dass hier unzählige diffizile, biochemische Prozesse im Gange waren, die jeden diesbezüglichen Science-Fiction-Film bei weitem in den Schatten stellen. Dann, wenn ein Falterweibchen bei der Eiablage genau die richtige Futterpflanze trifft, ohne jemals ein Bild davon gesehen zu haben. Hier kommen wohl wieder genetisch vorprogrammierte Verhaltensweisen zum tragen, wie z. B. der Duft, aber auch Sonstiges, von denen wir bis heute wenig bis keine Ahnung haben.

Wie viele Insektenarten gibt es im Ybbstal?

Keine Ahnung, das wüsste ich auch gerne. Relativ gut erforscht sind die Schmetterlinge (Lepidoptera) und die Köcherfliegen (Trichoptera). Zusammen kann man wohl eine Zahl weit über tausend annehmen. Geht man aber davon aus, dass allein in Österreich an die 40.000 (vierzigtausend) Insektenarten vorhanden sind, so würde eine vorsichtige Schätzung für das Ybbstal wohl rund fünf- bis zehntausend Insektenarten betragen. Aber das werden wir nie wissen! Für viele Insektenordnungen gibt es kaum Spezialisten und wenn, dann haben sie niemals im Ybbstal gearbeitet. Im Übrigen gehören Leute die sich ehrenamtlich mit der Erforschung der heimatlichen Insektenwelt beschäftigen, so wie ich, auf die „Rote Liste der aussterbenden Arten“. Unsere Naturkundliche Gesellschaft Mostviertel, in der Leute mit Weltruf in ihrem Fach tätig sind, ist überaltert. Nachwuchs nicht in Sicht!

Gibt es eine Insektenart, die nur im Mostviertel vorkommt?

Erstfunde für Österreich und Niederösterreich gibt es von Käfern und anderen Insekten hier im Mostviertel nicht wenige, das sind aber meist unauffällige Arten welche woanders ihr Hauptverbreitungsgebiet haben und dort durchwegs auch häufig sein können. Einen Kleinschmetterling, allerdings nur eine Unterart, von mir im Ofenloch entdeckt und meinen Namen tragend, den gibt es bis dato nirgendwo sonst auf der Welt.

Welches ist das nützlichste unter den unzähligen Insekten?

Alle Insekten haben im Naturhaushalt eine wichtige Rolle, wenn das auch für den Menschen nicht offensichtlich ist. Landläufig wird wohl die Honigbiene als nützlichstes Insekt angesehen, weil sie neben der Bestäubung auch Honig liefert. Zur Bestäubung von Blüten wird die Honigbiene aber über Gebühr gelobt, es ginge leicht auch ohne sie. In menschenleeren Gebieten auf dieser Erde bleibt keine Blume unbestäubt, obwohl weit und breit keine Imkerei vorhanden ist. Unsere in Österreich lebenden 650 Bienenarten, die meisten davon solitär, also nicht Völker bildend, haben den Hauptanteil der Bestäubung, neben Schweb- und anderen Fliegen, Wespen und vielen anderen Insekten.

Gibt es vom Aussterben bedroht Arten?

Nun, mit dieser Aussage muss man vorsichtig sein. Besser wäre von Verschwinden zu reden. Die moderne Agrarwirtschaft mit Ihren Monokulturen, Gifteinsatz etc., hat die letzten Jahre fast sämtliche Tagfalter, und nicht nur diese, im Agrarbereich zum Verschwinden gebracht. Die ständig eingesetzten Insektizide schaden nicht nur der Honigbiene als Aushängeschild, sondern auch allen anderen Blüten bestäubenden Insekten was ungeahnte Auswirkungen auf die Umwelt und ihre Biodiversität haben wird. Zudem wurden die früher mühevoll gepflegten einmähdigen Bergwiesen mit der konventionellen Bewirtschaftung aufgegeben, sich selbst überlassen, oder aufgeforstet. Somit war der Verbuschung Tür und Tor geöffnet. Blumen, Wildkräuter und sonstige Pflanzen welche Schmetterlinge benötigen, und nicht nur diese, werden unterdrückt und somit ist das Verschwinden ganzer wertvoller Biotope mit ihrer Biodiversität besiegelt.

Ein Leben für Schmetterlinge

Franz Lichtenberger wurde am 6.9.1939 in Steyr/Oberösterreich geboren.
1952, also als 13jähriger, nahm er seine entomologische Tätigkeit im Bereich Großschmetterlinge auf. Im Jahr 1976 spezialisierte er sich zudem auf die Familie Psychidae. Seit 1986 arbeitet er auch mit Kleinschmetterlingen, wobei Josef Klimesch sein Lehrmeister war.
Franz Lichtenberger beschäftigt sich hauptsächlich mit Schmetterlingen aus Mitteleuropa. Sein besonderes Interesse liegt auf der Faunistik der Umgebung seiner Heimatstadt Waidhofen an der Ybbs, des Ybbstales, sowie auf den angrenzenden Gebieten in Oberösterreich und der Steiermark. Weiters auch auf den Hochmooren um Schrems und den Marchauen bei Drösing, Niederösterreich.

Heimatforscher

Darüber hinaus versteht er sich als Heimatforscher, der aus sämtlichen österreichischen Bundesländern Daten zusammenträgt. Er ist auch an vielerlei Projekten zwecks Kartierung von Lepidoptera beteiligt. Auch an den jährlichen „GEO-Tagen“ und anderen „Tagen der Artenvielfalt“ in Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Tirol und in der Steiermark wirkt er als Experte mit. Als Lokalfaunist widerstrebt es ihm weite Reisen in ferne Länder zu unternehmen.
Dessen ungeachtet wurden aber doch Exkursionen in angrenzende Gebiete der Nachbarländer Ungarn, Slowenien, Kroatien, Friaul-Julisch-Venetien, Südtirol-Trentino, Liechtenstein, Schweiz, Tschechien und der Slowakei, meist mit Ehefrau Monika durchgeführt.
Durch seine Tätigkeit wuchs der Datenbestand der ZOBODAT um über 53.000 Datensätze (Beleg Nr. 519 und 502). – Stand Dezember 2013.
Weitere Daten (handschriftliche Notizen) warten auf Eingabe in die Datenbank.

Autodidakt auf dem Gesamtgebiet der Lepidopterologie, Schwerpunkt Heimatforschung - Faunistik, Zoogeographie, Ökologie, Bionomie, Taxonomie, Morphologie u.v.m. Umfangreiche eigene Datenbank nach rezenter und aktueller wissenschaftlicher Systematik.- PC Auswertungen mit speziellen Programmen. Einschlägige Bibliothek.

57 Publikationen, davon 12 als Co-Autor).

Teilnahme an nationalen und internationalen Kongressen, Tagungen und Exkursionen. Ständiger Erfahrungsaustausch mit in- und ausländischen Kapazitäten.

Bestandsaufnahmen tag- u. nachtaktiver Schmetterlinge und anderer Insektengruppen (Kartierungsarbeiten). Untersuchungen der Biodiversität bei Schmetterlingen in ausgewählten Regionen, bzw. Biotopen. Freier Mitarbeiter als Experte bei verschiedenen Projekten, u. a. beim „GEO-Tag der Artenvielfalt“ im Inland und den angrenzenden Staaten.

Vorträge mittels Bild-Präsentation bei Fachtagungen, an Volkshochschulen, sowie an sonstigen Lehreinrichtungen wie Volks- u. Hauptschulen, Gymnasialklassen des Faches Biologie, bis hin zu „Höheren Land- und Forstwirtschaftlichen Schulen“, sowie auch an der Kinder-Uni in Steyr.

Freilandexkursionen, bzw. Führungen bei Tage im Rahmen verschiedener oben genannter schulischen Veranstaltungen, teilweise mit anschließender Leuchtdemonstration zwecks Anlockung von Schmetterlingen und anderen nachtaktiven Insekten.

Schmetterlingsausstellungen in Niederösterreich, mehrmals Waidhofen/Y., Kematen/Y. und Amstetten. In Oberösterreich: Weyer/E. und in der Steiermark: Eisenerz.

Erbrachte Hilfestellung bei Diplomarbeiten, bzw. Dissertationen in Form von Beratung, Literaturbeschaffung und Bereitstellung von Material. In Österreich (Mag. Dr. Erwin Hauser, Wolfern – Psychidae) und Südkorea (Dr. Seon Woo Cheong, Kyeongnam – Pierida).

Er ist Mitglied bei nachstehenden Institutionen:

Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Entomologen, seit 1973
Entomologische ARGE am Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz, seit ca. 1958
Naturkundliche Gesellschaft Mostviertel – Scheibbs, seit 1988
Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten, seit 1988
Österreichische Entomologische Gesellschaft, seit 1994
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum – Naturwissenschaften, seit 1988

Sammlungsbestände:

„Mikrolepidoptera", ca. 21.000 Ex., seit 5. November 2013 in den Naturwissenschaftlichen Sammlungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum

„Mikrolepidoptera“-Spenden, 2590 Ex., an den Oberösterreichischen Musealverein in den Jahren 1998-2000.

„Makrolepidoptera“ ca. 27.000 Ex. (Diurna, Bombyces et Sphinges sensu classico, Noctuidae und Geometridae), ausgenommen Psychidae), seit 9. November 1992 in Coll. Johann Ortner, Kematen an der Ybbs, Niederösterreich

Psychidae-Spezialkollektion, ca. 4000 Exponate, seit 12. Februar 2002 in Coll. Mag. Dr. Erwin Hauser, Wolfern, Oberösterreich

Exoten ca. 2000 Ex., seit 1985 in Coll. Franz Eder, Hollenstein an der Ybbs, Niederösterreich 

Faunistische Dateien in eigener Datenbank: Aus ZOBODAT (Beleg 502, 519 u. 524) ca. 63.000 Datensätze. 
In LEPIDAT – LI + LIC (=Lichtenberger) ca. 25.000 Datensätze. Im Datentausch aus LEPIDAT-Datenbank 250.000 Datensätze, von Heinz Habeler, Graz,

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