"Jeden Abend neu fühlen"
Vor 20 Jahren feierte Franz Schiefer sein Debut als Darsteller im Kottingbrunner Septembertheater. Damals war er noch Schauspiel-Amateur, heute ist der 58-Jährige Schauspiel-Profi.
BEZIRKSBLÄTTER: Was geben Sie an, wenn man Sie heute nach Ihrem Beruf fragt?
FRANZ SCHIEFER: Freiberuflicher Schauspieler und Theaterpädagoge. Bis 2005 war ich katholischer Pastoralassistent in meiner Heimat Bad Vöslau.
Was hat Sie zum Schauspielern animiert?
(lacht): Josef Hader, mein Dasein als Mönch in Melk, und ein Gastspiel in Bad Vöslau. Zur Erklärung: Josef Hader war mit mir gemeinsam im Internat in Melk. 1995 hat er mit ehemaligen Internatsschülern das Stück "Die 12 Geschworenen" inszeniert und damit waren wir zu Gast in Bad Vöslau. Da wurde ich von Walburg Weissenböck entdeckt und zum Casting für die meine erste Septembertheaterproduktion in Kottingbrunn eingeladen.
Die da war?
Der Mann von La Mancha und ich spielte den Dr. Carrasco. Heuer spiele ich bereits die 20. Septemberproduktion in Kottingbrunn. So wurde mein Kindheitstraum wahr. Ich wollte ja schon nach der Matura aufs Reinhardt-Seminar, habe es aber nicht hinein geschafft. Und dann lag der Traum eine Weile auf Eis.
Gibt es Rollen, für die Sie sich besonders geeignet fühlen?
Ich spiele eigentlich alles gerne. Da ich im Alltag ein eher zurückhaltender Mensch bin, finde ich auch viel Gefallen an der Darstellung von Bösewichten.
Wie erklären Sie sich das?
Die Bühne wird zu einem geschützten Rahmen, die böse Seite an sich zu entdecken und zu leben. Besonders tief berührt hat mich vor ca 15 Jahren meine Rolle eines abgrundtief bösen Nazi-Arztes im Euthanasie-Stück "Hinter Mauern", das wir direkt in Mauer Öhling gespielt haben. Nach der Vorstellung musste ich weinen.
Bekommen Bösewichte weniger Applaus?
Würde ich nicht sagen. Damals, in Mauer Öhling, haben wir vor vielen behinderten Menschen gespielt. Die haben sich nachher bedankt, dass wir die Thematik künstlerisch aufgearbeitet haben.
Gibt es Rollen, die Sie keinesfalls spielen würden?
Nur solche, wenn mit einem Theaterstück eine Weltanschauung vermittelt werden soll, die nicht die meine ist.
Welche Herausforderung reizt Sie besonders?
Abgesehen vom Text - Ich muss meine Rolle jeden Abend neu fühlen, unabhängig wie ich selbst gerade drauf bin.
Wie gut ist ein Schauspieler und Theaterpädagoge beschäftigt?
Sehr gut, würde ich sagen. Ich habe ja in Kottingbrunn die Amateurgruppe Amakult, in Wr. Neustadt das Sog-Theater, ab Herbst spiele ich dann mit meiner Lebensgefährtin Nicole Gerfertz in der Theatergruppe Nesterval (www.nesterval.at) in Wien immersives Theater - eine Mischung aus Darstellung und Interaktion mit dem Publikum. Und darüber hinaus bin ich Schauspielpatient an der MedUni Wien.
Was ist ein Schauspielpatient?
Ich simuliere kranke Menschen, um Medizinstudenten die Möglichkeit zu geben, das ärztliche Gespräch zu üben. Das gibt es in Wien sehr erfolgreich und nachgefragt seit 2011.
Wie haben Sie sich ausgebildet?
Ich habe auf eigene Kosten viele Seminare und Kurse besucht, Impro-Theater war ein wichtiger Bestandteil. Und ich habe sehr viel bei der Arbeit mit guten Regisseuren, auch hier während der Septemberproduktionen in Kottingbrunn, gelernt.
20 Jahre nach Ihrem ersten Septembertheater stehen Sie, ein ehemaliger Amateur, als Profi mit Amateur-Schauspielern auf der Bühne. Wie ist das?
Ich muss sagen, dass ich als Theaterpädagoge durch die Kurse, die ich selbst für Amateure gegeben habe, immer wieder selbst dazu gelernt habe. Und ich lerne noch immer.
Was müssen, besser gesagt: Was wollen Sie denn noch lernen?
Ich muss oft darum kämpfen, herzlich zu lachen. Wie gesagt, ich bin ein zurückhaltender Mensch.
(Interview: Gabi Stockmann)
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