Crash-Kurs im Paddeln
Am 9. August wagte ich mich erstmals im Kajak ins Wildwasser der Schwarza im Höllental. Ein unvergessliches Abenteuer!
Ja, ja. Paddeln lernen kann jeder, in jedem Alter. „Mit meiner 70-jährigen Mutter bin ich vom Autohaus Schmuck in Leobersdorf bis in die Dornau gepaddelt“, erzählt Eva Ullreich aus Leobersdorf. Sie paddelt schon seit über 30 Jahren, seit sie damals in Amerika als Betreuerin mit Pfadfindern unterwegs war. Über diese Erfahrung werde ich noch froh sein, denn Eva wird mich heute noch fünf Mal aus den Fluten der Schwarza fischen.
Übungsstunde im stillen Wasser
Es ist Samstag, der 9. August. Wir treffen uns an der Piesting beim Bootshaus des Paddelclubs Pernitz, des einzigen im ganzen Industrieviertel, der 2015 sein 40-jähriges Bestandsjubiläum feiert. Eva hat im Anhänger vier Kajaks mitgebracht, und im Auto noch zwei junge Paddel-Fans: Christian Jäggle aus Sollenau und Fiona Stapleton aus Kottingbrunn. Ich werde noch so was von froh sein, dass sie mit dabei sind.
Sicherheit ist wichtig
Eva Ullreich setzt auf Sicherheit. Ich bekomme Helm, Neopren-Anzug, Schwimmweste. Sie weiß, warum. Im stillen Wasser der Piesting zeigt sie mir wie man das Paddel hält, wie man auf Spur bleibt. Ich lerne mit dem Paddelboot die Ziffern 1 – 10 ins Wasser zu zeichnen. Ich kentere zum ersten Mal. Neben mir zeigt Christian die Eskimo-Rolle. Dass er sie nach einem Jahr Paddeln schon kann, darauf ist er stolz. Sie ist sozusagen die Eintrittskarte für die schwierigsten Wildwasser-Strecken. Auch Eva Ullreich beherrscht das Kunststück aus dem effeff.
Fionas Eltern John und Sabine kommen vorbei. Nach der ersten Übungsstunde schmeckt der mitgebrachte Nudelsalat wunderbar.
Malerische Landschaft, viel Stress :-)
Wir fahren weiter an die Schwarza, als leichter Wildwasser-Fluss klassifiziert. Die malerische Landschaft des Höllentals, durch die sich der Fluss schlängelt, kann ich kaum wahrnehmen, denn auf mich wartet Stress pur: munter über Steine springendes Wasser, eine kräftige Strömung, Wellen und – zum Glück – Kehrwasser. Hier kann ich immer wieder Pause machen, hier treibt dich das Wasser nicht weiter. Man muss die Stellen, zum Teil wie kleine Buchten, nur erkennen und sie auch erreichen. Nicht nur einmal dreht es mich im Kreis.
Christian fährt voraus, Eva hinter ihm, dann ich und dann Fiona. Ganz entspannt sitzt sie im Boot, wo ich paddle und mich im Kreis drehe, gleitet sie vorbei. Die 16-Jährige wird meine gute Fee. So schlimm kann es ja nicht sein, wenn sie da so entspannt ist.
Nomen est omen: die Prallwand
Die Prallwand. Eva warnt mich vor: eine enge felsige Stelle mit starker Strömung. Kräftig mitpaddeln, in der Strömung bleiben, ist die Devise. Ich gebe mein Bestes, dann nimmt die Panik überhand und ich kippe über Bord ins frische Flusswasser. Es treibt mich irgendwo hin, und es kommt mir unendlich vor, bis ich meinen Kopf wieder übers Wasser kriege. Paddel und Boot halte ich fest. Da ist schon Eva. „Halte dich an meinem Boot an, ich bringe dich zur Sandbank.“ Ich lasse mein Boot wegschwimmen, das wird von Christian aus dem Wasser gefischt. Und meine Augen suchen die von Fiona, die mich ganz gelassen ansieht. Kann passieren.
Angst überwinden
Mir schlottern dennoch die Knie, ich fühle Angst. Aber es hilft nichts, wir müssen weiter. Und ich ahne, dass ich noch ein paar Mal kentern werde. Einmal bekomme ich Angst vor einem aufragenden Stein, es treibt mich jedoch magnetisch auf ihn zu. Beim heftigen Versuch auszuweichen kentere ich wieder. Ein andermal bekomme ich die Kurve nicht – und flutsch, bin ich weg. Ich danke dem Himmel für meine Ausrüstung und meine Begleiter. Eine Viertelstunde vor dem Schluss verlässt mich kurz ganz der Mut, als Christian eine noch vor uns liegende letzte schwierige Stelle erläutert. Lieber würde ich mein Boot eigenhändig zum Parkplatz tragen. Doch nein. Eva redet mir gut zu. Nach sechs Kilometern sind wir am Ziel. Über mir die Talstation der Rax-Seilbahn, ich lächle erlöst in die Fotokamera, ein Glücksgefühl mischt sich in die Erschöpfung. Habe ich heute wirklich nur Paddeln gelernt? Oder auch etwas anderes?
Aus der Paddler-Sprache:
Eskimo-Rolle: Seitwärtsrolle mit Boot und Paddel, wichtig an schwierigen Wildwasser-Passagen
Kehrwasser, auch aqua morte: Wasserstelle ohne Strömung zum Parken.
Wurfsack: Rettungsgerät - Sack an einer langen Leine
Walze, auch engl. hole: eine sich über einem Stein oder Abhang einrollende Wasserwelle, in die man nicht geraten sollte
Aufkanten: Methode, um ins Kehrwasser hinein und wieder hinaus zu kommen. Man legt sich seitlich ins Boot.
Paddel-Strecken in der Region:
Für Ungeübte: Piesting, Leitha zwischen Wimpassing und Seibersdorf, Leitha zwischen Tattendorf und Bruck/Leitha, Wr. Neustädter Kanal, Schwechat (bei viel Wasser)
Für leicht Fortgeschrittene: Schwarza im Höllental (Wildwasser der Klasse 2-3)
Für Könner: Erlauf (Wildwasser der Klasse 4-5)
Tipps und Tricks bei Mag. Eva Maria Ullreich, 0664-6379240, eva.ullreich@a1.net
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