ÖVP-Chef Christian Sagartz
„Wir sind das einzige Gegengewicht zur SPÖ“
Interview mit dem geschäftsführenden ÖVP-Landesparteiobmann Christian Sagartz.
Laut einer vor Kurzem von der SPÖ präsentierten Meinungsumfrage würde die SPÖ jetzt auf 53 Prozent der Stimmen kommen. Das ist sogar eine Steigerung gegenüber der Landtagswahl. Was macht die ÖVP falsch?
CHRISTIAN SAGARTZ: Die Volkspartei macht eine kantige Oppositionspolitik.
Bei der SPÖ erlebe ich eine Nervosität wie schon lange nicht. Sie braucht innerhalb kurzer Zeit zwei bezahlte Umfragen, um den Landeshauptmann zu beruhigen. Ich verstehe es, weil im U-Ausschuss zur Commerzialbank macht die SPÖ keine gute Figur. Es rennt vieles nicht nach Plan, und die SPÖ-Landtagspräsidentin Dunst ist als Vorsitzende heillos überfordert.
Und natürlich hat die Doskozil-Maschinerie extrem viele neue Steuern ausgespuckt. Es rollt eine Belastungswelle auf die Burgenländer zu.
Das heißt, für die ÖVP ist die Umfrage kein Grund zur Nervosität?
Ganz offen gesagt: Es gibt einen Grund, warum Parteien Umfragen veröffentlichen. Nämlich, weil sie ein Meinungsbild beeinflussen wollen.
Mit welcher Strategie will die ÖVP den Rückstand zur SPÖ wieder aufholen?
Wir sind das einzige Gegengewicht zur SPÖ. Die FPÖ ist zerstritten, die Grünen kommen nicht vom Stand, das merkt man jetzt auch im U-Ausschuss.
Wir sind als Opposition gefordert, dort hinzuzeigen, wo die SPÖ-Alleinregierung die Burgenländer belastet. Und ich glaube, dass es nur eine Partei gibt, die in den letzten Monaten bewiesen hat, dass sie Oppositionspolitik ernst nimmt – und das ist die Volkspartei.
„Doskozil geht politisch über Leichen. Es ist ihm völlig egal, wer darunter zu leiden hat.“
Viel Zustimmung zu Projekten und Maßnahmen der SPÖ-Alleinregierung hat es bisher nicht gegeben. Offensichtlich verfolgt die ÖVP die Strategie einer Fundamentalopposition…
Wenn es Gesetze gibt, die die GIS-Gebühren erhöhen, die Bauplatz-Steuern, eine Photovoltaik-Steuer oder eine Windrad-Steuer einführen, dann kann es wenig Zustimmung geben.
Ich glaube, Oppositionspolitik macht per se nicht sympathisch, sie ist aber in der Demokratie absolut notwendig. Es braucht jemanden, der Kritik übt und klar aufzeigt, was man auch anders machen könnte. Und wir haben auch im Bereich der Wirtschaft immer wieder Vorschläge gebracht und Alternativen aufgezeigt.
Und was wir besonders kritisieren, ist der Stil des Landeshauptmannes, der das Burgenland zum politischen Spielball macht.
Was ist darunter zu verstehen?
Wenn es für ihn von Interesse ist, dann versucht er auf Bundesebene mitzuspielen und kritisiert alles und jeden. Er geht auch politisch über Leichen. Es ist ihm völlig egal, wer darunter zu leiden hat.
Zur Corona-Krise und den politischen Maßnahmen. Was hätte die ÖVP im Burgenland anders gemacht?
Die Massentests. Wir hätten mehr Testmöglichkeiten angeboten. Ich behaupte, die SPÖ-Alleinregierung hat die Massentests fast schon boykottiert. Es gab in der Kärntner Landeshauptstadt mehr Testmöglichkeiten als im ganzen Burgenland. Ich glaube, dass unsere Gemeinden das gut organisiert hätten. Es gab auch genügend Freiwillige.
Und wir hatten die Gemeinden direkt mit einem eigenen Landespaket finanziell unterstützt.
Wenn es die SPÖ nicht gegeben hätte, dann hätte es auch nicht die Commerzialbank gegeben.
Zum Landesbudget – ist angesichts der Corona-Krise eine Neuverschuldung nicht alternativlos?
Die direkten Corona-Hilfen verursachen die wenigsten Mehrkosten. Wo wir ein Problem haben, ist bei vielen Ausgaben, die unabhängig von der Corona-Krise sind. Etwa die Finanzierung der SPÖ-Wahlkampfzuckerl – Beispiel Mindestlohn, den teuren Einheitslohn für alle. Oder die Öffentlichkeitsarbeit: Der Landeshauptmann leistet sich eine eigene Zeitung, welche jedes Monat in die burgenländischen Haushalte kommt. Das hat es noch nie gegeben.
Zum U-Ausschuss Commerzialbank. Nach den bisherigen Befragungen dürften in der landespolitischen Verantwortung keine groben Fehler gemacht worden sein – oder?
Wenn es die SPÖ nicht gegeben hätte, dann hätte es auch nicht die Commerzialbank gegeben. Die SPÖ war Geburtshelferin der Bank. Stix, Bieler und Doskozil haben als SPÖ-Landesräte die Aufsicht über die Commerzialbank-Kreditgenossenschaft gehabt, und nun tut die SPÖ so, als hätte das alles mit dem Land nichts zu tun.
Und ich frage mich: Wenn das kein SPÖ-Skandal ist, warum musste dann Christian Illedits zurücktreten? Er ist die Nummer 2 der SPÖ gewesen. Niemand glaubt, dass ein Goldbarren der Grund seines Rücktritts war.
Sie sind als EU-Abgeordneter tätig und führen die ÖVP im Burgenland an. Medial werden aber eher Landesgeschäftsführer Fazekas und Klubobmann Ulram wahrgenommen – vor allem durch den U-Ausschuss. Ist das auf Dauer nicht ein Problem für Sie, wenn es um ihre Bekanntheit und Profilierung geht?
Meine Aufgabe ist, im Land präsent zu sein. Ich bin gern im Land bei den Menschen unterwegs. Das war jetzt – aufgrund der Pandemie – nicht möglich.
Und wir haben eine ganz klare Aufteilung. Die politische Kritik und die Kontrolle üben vor allem Markus Ulram und Patrik Fazekas aus. Meine Aufgabe ist, die strategische Linie vorzugeben.
Die kritische Stimme ist natürlich jetzt durch den U-Ausschuss überrepräsentiert.
Wie haben Sie Ihr erstes Jahr als EU-Abgeordneter erlebt?
Es ist alles eine Nummer größer. Aber die Prozesse, die politischen Abläufe und der Parlamentarismus sind mir ja nicht fremd.
Wie können europäische Themen den Bürgern nähergebracht werden?
Europa wird dann als sehr weit entfernt wahrgenommen, wenn die Themen nicht vor Ort zu den Ortsteilen, in die Gemeinden oder zumindest in die Region kommen.
Deshalb wurde bewusst die Entscheidung gefällt, ein Europa-Büro in Oberwart zu installieren und nicht in der Landeshauptstadt.
Unter dem Stichwort „Europa in die Gemeinde bringen“ werde ich – sobald die Corona-Maßnahmen das erlauben – eine Tour anbieten, wo ich mich mit Unternehmern, Gemeinderäten und Europa-Interessierten treffen möchte.
Unternehmer deshalb, weil ich darauf hinweisen möchte, welche wirtschaftlichen Chancen die nächste Förderperiode hat.
Gemeinderäte deshalb, weil sie die Verantwortungsträger und Meinungsbildner vor Ort sind. Und Europa-Interessierte deshalb, weil sie die Chance sind, die positiven Gedanken und Emotionen ein wenig in die Fläche zu bringen.
Wie haben Sie persönlich das Corona-Jahr erlebt? Was ist Ihnen bei den vielen Einschränkungen besonders abgegangen?
Mir geht der Kontakt mit den Menschen ab. Dieser Austausch in einer überschaubaren kleinen Runde – vor allem mit unseren Gemeindefunktionären, Gemeinderäten, Vizebürgermeistern und Bürgermeistern.
Ich bin Politiker, weil ich Menschen mag und gerne mit Menschen arbeite – das geht mir furchtbar ab. Das kann eine Videokonferenz nicht ersetzen.
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