"Warum fragen Sie mich nicht, wo Gott ist?"

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Sie sind seit 18. November 2013 Erzbischof von Salzburg. Fühlen Sie sich hier schon zu Hause?
FRANZ LACKNER:
Ich bin da ein bisschen zurückhaltend, ich möchte nicht vorschnell so tun, als wäre ich immer schon hier gewesen. Nicht, weil ich nicht gerne hier wäre, sondern aus Respekt vor der Geschichte und der Kultur dieses Landes. Es geht mir erstaunlich gut in Salzburg, die Salzburger machen es mir sehr leicht, hier Bischof zu sein.

Haben Sie schon eine Lieblingslaufstrecke oder eine für ihr Rennrad gefunden?
FRANZ LACKNER:
Nein, bis Juli muss ich noch durch einen sehr dichten Terminkalender durch. Aber dann fangt das richtige Leben an Ich habe bis jetzt noch keinen richtigen Rhythmus zwischen Arbeit, Gebet und Freizeit gefunden. Ich bin noch nie so oft auf der Straße gefragt worden, wie es mir geht wie hier in Salzburg. Ich werde auch von den Medien stark nachgefragt. Das ist schön, muss aber auch erst einmal verkraftet werden.

Mit Salzburg haben Sie eine Erzdiözese übernommen, in der es sehr viele Kirchenaustritte gibt.
FRANZ LACKNER:
Ja, dafür gibt es aber keine festzumachende Ursache, das wäre ja auch zu einfach. Es gibt aber so etwas wie einen religiösen Markt, der Glaube ist eine Option geworden, die Menschen wollen sich nicht so gerne an eine Institution binden. Der Kirchenbeitrag ist nicht selten nur der vordergründige Anlass für einen Austritt, oft ist es so, dass die Menschen einfach keinen Zugang mehr zur Kirche haben. Die Kirche hat viele Ressourcen und eine tolle Botschaft – die Frage ist, wie bringt man diese tolle Botschaft rüber.

Welche Rolle spielt jemand wie Weihbischof Andreas Laun im Zusammenhang mit Kirchenaustritten?
FRANZ LACKNER:
Der Papst hat mir unter uns gesagt, Bischöfe sollen nie über Bischöfe schlecht reden.

Und die Pfarrverbände? Wenn ein Priester für mehrere Pfarren zuständig ist, dann fehlt natürlich oft der direkt Zugang zur Kirche.
FRANZ LACKNER:
Ja, wir haben weniger Priester, aber wir haben deswegen nicht weniger Menschen in den Pfarren. Seelsorge findet nicht nur durch den Pfarrer statt, sondern auch durch sehr viele engagierte Laien. Das ist das Positive, das die Kirche aus dem Priestermangel gelernt hat. So ist Seelsorge auf mehrere Schultern verteilt. Ich will aber deswegen nicht den Priestermangel wegreden. Aber hier möchte ich auch sagen: Lassen wir uns doch von Gott überraschen. Wir machen unsere Rechnungen zu oft ohne ihn. Nicht, dass ich erwarte, dass Gott alle unsere Probleme löst, wir müssen schon selber auch etwas tun – aber das sind zwei kommunizierende Gefäße. Und ich finde es unheimlich aufregend, Christ zu sein. Wer ein gemütliches Leben sucht, der ist bei uns falsch. Denn Gott wird uns bis zum letzten ausreizen.

Wann hat er Sie denn bis zum letzten ausgereizt?
FRANZ LACKNER (lacht):
Oft! Gott war in meinem Leben immer das Gegenteil. Ich war UNO-Soldat auf Zypern, und er hat mich dort weggeholt. Ich bin von dort mit einer Bibel in der Hand nach Nazareth gereist, habe in der Kirche von Franziskanern innig zu ihm gebetet, damit er mir den Weg zeigt. Und was passiert? Ein Franziskaner hat mich dort aus der Kirche rausgeschmissen, weil ich kurze Hosen anhatte – es war ja auch sehr heiß. Und was war dann? Ich bin ein Franziskaner geworden. Ich bin mit 23 Jahren ins Gymnasium gegangen, habe mit 29 maturiert und dann in Rom mühsam fremde Sprachen gelernt. Da musste ich Italienisch lernen, musste Philosophie in dieser fremden Sprache lernen. Warum fragen Sie mich nicht, wo Gott ist? Solche Fragen stellt keiner. Das könnte ich beantworten.

Wo ist Gott?
FRANZ LACKNER:
Im toten Winkel. Er ist immer ganz nah, auch wenn man ihn grad nicht sieht.

Kommen wir zum Thema Toleranz. Was haben Sie empfunden, als Conchita Wurst den Songcontest gewonnen hat?
FRANZ LACKNER:
Ich möchte über Toleranz sprechen ...

Das eine hängt ja mit dem anderen zusammen.
FRANZ LACKNER:
Also früher habe ich ganz gerne Songcontest geschaut. Und ich habe mich oft geschämt, weil wir Österreicher so schlecht abgeschnitten haben. Seit ich Bischof bin, habe ich den Songcontest nicht mehr so verfolgt. Deshalb ist der Sieg von Conchita Wurst im ersten Moment ein bisschen an mir vorbeigegangen. Aber dass sie das geschafft hat, ist schon eine große Leistung. Ich habe früher nie gewusst, ob sie ein Mann oder eine Frau ist, mittlerweile wissen wir ja, dass "sie" Tom Neuwirt ist und Conchita Wurst eine Kunstfigur. Und ich muss sagen, alle Achtung, so anzutreten, da schaut jeder hin. Und ich muss zugeben, auch ich habe dann genauer hingeschaut, auf die Beine, auf die Hände, eben weil es nicht ganz klar war, ist sie ein Mann oder eine Frau.

Ein bis zwei von 1.000 Neugeborenen kommen mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt. Brauchen wir die für uns gewohnte Kategorisierung als Mann oder Frau?
FRANZ LACKNER:
Ich glaube, wir werden nicht ohne sie auskommen können. Wenn beide Elemente – Mann und Frau – vorhanden sind, dann ist das sicher ein Thema, über das wir reden sollten. Ich möchte hier niemanden verurteilen oder diskriminieren, denn die Kirche sagt ja zum Leben auf allen Ebenen. Kardinal Christoph Schönborn hat von einer bunten Wiese Gottes gesprochen, und so sehe ich das auch.

Kommen wir zu einem anderen Thema: den Bettlern in Salzburg. Wie geht es Ihnen dabei, wenn Menschen vor Ihnen knieend betteln?
FRANZ LACKNER:
Ich habe immer ein ungutes Gefühl, wenn ich Bettler sehe. Weil ich weiß, dass alles im Leben instrumentalisiert werden kann. Einmal hat mir ein Bettler eine Verbrennung auf seiner Haut gezeigt. Ich habe ihm gesagt, er soll mit mir mitkommen, ich kaufe ihm in der Apotheke eine Salbe. Da hat er geantwortet, er könne nicht weg, weil er hier arbeiten müsse. Nur, in dem Augenblick, in dem er bettelt, ist er da und ich gebe immer ein bisschen etwas her (holt ein paar Münzen aus der Tasche), die habe ich immer griffbereit. Das Problem kann man nur lösen, indem man – so wie es jetzt ja passiert – alle an einen Tisch holt. Nichts zu tun, das geht auch nicht.

Wie wichtig ist Ihnen der interreligiöse Dialog in Salzburg?
FRANZ LACKNER:
Sehr wichtig. Wir müssen lernen, uns in Wertschätzung und mit Respekt zu begegnen, und gleichzeitig das eigene sagen zu dürfen. Es gibt Absolutheitsentscheidungen, die keine Opposition haben. Ich kann einen verheirateten Mann fragen, warum hast du nicht die andere Frau geheiratet? Aber seine Entscheidung für die eine Frau hat keine Opposition, deswegen sind die anderen Frauen nicht schlecht. Und das gleiche gilt für die Religion. Ich muss sagen dürfen, für mich gibt es keine Alternative zur Katholischen Kirche – ohne deswegen andere Religionen schlecht zu machen. Und wie ich schon gesagt habe, heutzutage gibt es einen religiösen Markt. Da soll man sich nicht fürchten. Es ist immer ein Zeichen schwacher Religiösität, wenn ich mich als Christ nur dann definiere, indem ich mich zum Beispiel von Moslems abgrenze. Und ich glaube sogar, dass wir bei den Menschen heute ein gemeinsames Anliegen haben, das ist die Gottesfrage.

Der Cappuccino ist längst ausgetrunken, das Wasserglas dazu auch. Die Temperatur dürfte mittlerweile knapp 30 Grad betragen.

FRANZ LACKNER: Ich vertrage diese Hitze nicht, ich liebe den Regen. Ich warte schon die ganze Zeit auf den Salzburger Schnürlregen. Wann kommt der endlich?

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